Drei Geschichten und eine Liste
Die folgenden Texte sind im Sommer 2022 in einem Basisbildungskurs für Jugendliche an der VHS Ottakring entstanden (begleitet von Nadine Kegele). Die Autor:innen sind zwischen 16 und 21 Jahre alt, kommen aus Afghanistan, Irak, Iran, Somalia und Syrien und leben und lernen in Wien.
Lieben
VON AFRAH, FRESHTA, ISMAIL, MELIKA, MOSAB, NERJES, SAIFA UND SULAFA
Ich liebe mein Bett, weil es angenehm ist zu schlafen.
Ich liebe das Schlafen, weil es mir Energie gibt.
Ich liebe meinen Papagei, weil ich gern mit ihm spiele.
Ich liebe Fußball, weil es Sport ist.
Ich liebe mein Handy, weil ich damit meinen Freundinnen schreiben kann.
Ich liebe meine Freundinnen, weil sie gute Menschen sind.
Ich liebe Frankreich, weil es dort schön ist.
Ich liebe Wien, weil ich hier zur Schule gehen kann.
Ich liebe mein Land, weil ich dort geboren bin.
Ich liebe arabisches Essen, weil meine Mutter es jeden Tag kocht.
Ich liebe meine Mutter, weil sie mir immer hilft.
Ich liebe meine Familie, weil ich ohne nicht leben kann.
Ich liebe die Haare meines Bruders, weil sie gelockt sind.
Ich liebe meine Haare, weil sie schwarz sind.
Ich liebe meine Wimpern, weil sie lang sind.
Ich liebe meine Augenbrauen, weil sie breit sind.
Ich liebe mein Gesicht, weil es sehr süß ist.
Ich liebe Make-up, weil ich es gern benütze.
Ich liebe Hochzeiten, weil ich mich gern schön mache.
Ich liebe schöne Kleidung, weil sie mich ordentlich macht.
Ich liebe neue Kleidung, weil sie mich glücklich macht.
Ich liebe lange Kleidung, weil es mir steht.
Ich liebe Stöckelschuhe, weil es mir auch steht.
Ich liebe das Spazierengehen, weil ich frische Luft brauche.
Ich liebe Tiere, weil sie schön sind.
Ich liebe Fisch, weil er gut ist.
Ich liebe – mich!
133 in der Burggasse
VON MELIKA UND SAIFA
Der Tierpfleger nervt ihn. Er nervt nicht nur, sondern er schlägt ihn sogar. Außerdem sagt er immer, dass er ihm kein Essen gibt. Und er sagt: «Du darfst nicht hinausgehen!» Als das Gehege im Zoo kaputt ist, läuft er weg. Jemand hat vergessen, es zu reparieren. Das ist sein Glück!
Fatima und Soleiman treffen sich zufällig in der Burggasse. Die beiden sind Freund:innen. Fatima ist 20 Jahre alt. Soleiman ist 22 Jahre alt. Beide kommen aus Afghanistan. Sie bleiben stehen und sprechen miteinander. Fatima ist unterwegs zur Schule. Soleiman ist unterwegs zum Arzt.
Plötzlich sehen die beiden einen Elefanten. Was für ein Schreck! Der ist sicher drei Meter groß und 6.000 Kilo schwer!
Fatima sagt: «Oha, so einen großen Elefanten habe ich noch nie gesehen!» Und Soleiman ruft: «Wir müssen sofort weglaufen!» «Sollen wir nicht die Polizei anrufen?», fragt Fatima. «Ja, das müssen wir», sagt Soleiman. Er nimmt das Handy aus der Tasche und tippt 133.
Der Elefant macht viele laute Geräusche mit der Nase. Er läuft vom Gehsteig auf die Straße zwischen die Autos. Der Elefant hat Angst.
Als die Polizei kommt, hat der Elefant noch mehr Angst. Er möchte einfach nur weglaufen, aber die Polizistin geht zu ihm und streichelt ihm langsam über seine lange Nase. Der Elefant beruhigt sich.
Danach bringt die Polizei den Elefanten in einen anderen Zoo. Das neue Gehege ist sehr schön und der Elefant findet Freund:innen und hat nette neue Nachbarn und Nachbarinnen: Flamingos, Giraffen, Affen und Pandas. Er ist in seinem neuen Zuhause sehr glücklich.
Erste Hilfe in der Thaliastraße
VON ISMAIL UND MOSAB
Ein junger Mann geht durch die Thaliastraße. Auf dem Rücken hat er einen großen Rucksack. Im Rucksack hat er viele Sachen mit: Essen, Trinken, einen Schlafsack und alles andere, was wichtig ist. Zum Beispiel das Erste-Hilfe-Zeug.
Der junge Mann ist bei der Rettung. Außerdem hilft er alten Menschen beim Einkaufen, beim Kochen, bei der Toilette und bei allem, wo sie Hilfe brauchen.
Es ist Krieg in Österreich und Deutschland. Russland und Frankreich haben viele Bomben aus dem Flugzeug geschmissen. Wien ist ganz kaputt. Überall liegen tote Menschen. Der junge Mann denkt: Warum gibt es Krieg? Krieg ist doch nicht schön! Viele Menschen sterben. Ich wünsche mir ein Land ohne Krieg!
Der junge Mann möchte nach England. In England ist kein Krieg. Außerdem wartet in England schon seine Familie auf ihn: seine Eltern und sein kleiner Bruder, seine große Schwester und seine kleine Katze, sein Hund, einfach alle.
Plötzlich läuft ein Elefant auf den jungen Mann zu. Der junge Mann ist kurz überrascht, doch dann freut er sich. Der Elefant sieht den jungen Mann. Der junge Mann heißt Ali.
Ali denkt: Wow, ein Elefant in der Thaliastraße?! Bisher war der immer im Zoo! Der Elefant ist so groß! Er ist riesig! Er ist bestimmt zwei Meter fünfzig groß! Und er wiegt ganz sicher drei Tonnen!
Der Elefant hat sich erschreckt, als eine Bombe in den Zoo gefallen ist. Dabei hat der Elefant die Tür mit seinem Fuß kaputtgemacht und er ist hinausgelaufen.
Der Elefant blutet am Rüssel. Er muss zum Tierarzt gehen, denkt Ali. Dann nimmt er ein Tuch aus seinem Rucksack. Er geht zum Elefanten und verbindet ihm seinen Rüssel. Der Elefant lässt sich von Ali verarzten.
Ali überlegt: Was mache ich jetzt mit dem Elefanten? Wenn ich mit dem Auto nach England fahre, dann kann der Elefant nicht mitkommen, weil er das Auto kaputtmachen würde. Wenn ich zu Fuß nach England gehe, dann könnten wir gemeinsam nach England gehen, das wäre schön. Ali denkt: Wenn ich das Auto nehmen muss, werde ich traurig sein, dass der Elefant nicht mitkommen kann.
Weit weg auf dem Stephansplatz
VON AFRAH UND SULAFA
David geht über den Stephansplatz. Auch Zahra geht über den Stephansplatz. David ist 8 Jahre alt und unterwegs zur Schule. Zahra ist 20 Jahre alt und unterwegs zur Ärztin. David mag die Schule. Zahra hat seit zwei Wochen Husten.
Plötzlich läuft ein Elefant auf die beiden zu. Ein Elefant am Stephansplatz? Der Elefant ist weggelaufen aus dem Zirkus. Zuerst hat er die Tür kaputtgemacht, dann war die Tür offen, dann ist er bei der Tür hinaus. Das Leben im Zirkus war für den Elefanten langweilig. Er war die ganze Zeit nur drinnen: drinnen im Käfig, drinnen in der Manege, lang-wei-lig!
Als David den Elefanten sieht, hat er sofort Angst. Er denkt: Oh mein Gott, hoffentlich tritt er mich nicht! Als Zahra den Elefanten sieht, freut sie sich und bleibt stehen. Sie denkt: Das ist das erste Mal, dass ich einen Elefanten auf der Straße sehe! Er ist sooo groß!
Zahra sieht das ängstliche Kind. Sie geht zu ihm und sagt: «Komm, wir streicheln ihn!» Aber David hat zu große Angst. Er bleibt stehen. Der Elefant kommt näher. «Bist du alleine unterwegs?», fragt Zahra. Der Elefant kommt näher. David sagt: «Ja, ich wollte gerade zur Schule gehen.» Der Elefant kommt immer näher. David beginnt zu weinen, weil er noch klein ist. Zahra umarmt David und sagt: «Hab keine Angst, der Elefant tut nichts. Soll ich dich zur Schule begleiten?» «Ja, bitte.»
Zahra und David gehen weiter und der Elefant bleibt stehen. David dreht sich noch einmal um, weil er so große Angst hat. Er sieht den Elefanten. Der Elefant ist weit, weit weg.