Eigentum soll sich wieder lohnentun & lassen

Immo Aktuell: Wenn die NEOS wohnpolitisch was zu sagen hätten

Die kühnsten Träume der Immobilienbesitzer_innen werden wahr – auf die anderen wartet eher ein Alptraum. So lässt sich die Wohnungspolitik der Partei NEOS zusammenfassen, meint Käthe Knittler. Illustration: Much

Die wesentlichen Vorschläge der NEOS zum Thema Wohnen lassen sich grob in drei teilen. Erstens: Eine Neid­debatte unter Mieter_innen soll entfacht werden. Zwischen jenen, die viel Miete zahlen, also freie Marktmiete, und jenen, die relativ wenig Miete zahlen, entweder weil sie alte Mietverträge haben oder im Gemeindebau wohnen und mittlerweile besser verdienen als bei ihrem Einzug. «Mietadel» ist die Wortschöpfung, mit der die NEOS ihre Argumentationslinie krönen. Doch wenn jemandem im Verhältnis zwischen Mieter_innen und Vermieter_innen ein adelsähnlicher Stand zukommt, dann letzteren. Sie beziehen allein aufgrund ihres Be­sitzes Mietrenten. Mieten werden in der Volkswirtschaftslehre darum neben Pachteinnahmen und Zinsen auch als «arbeitslose Einkommen» bezeichnet. Beim Adel wiederum handelt es sich um jene exklusive Gruppe, die – bis zu ihrer Abschaffung – Rente aus ihrem Vermögen oder den ihnen zugestandenen Privilegien bezogen. «Immobilienadel» wäre also der passendere Begriff.

Ende der Obergrenzen.

Zweitens: Auf das bestehende Mietrecht wird ein Frontalangriff gestartet. Im Parteiprogramm findet sich dazu die vorerst harmlos klingenden Formulierung, dass im «mietregulierten Bereich [sollen] alle unterschiedlichen Mietzinsberechnungsmodelle zusammengeführt werden». Mit Gerald Loacker haben die NEOS einen Sozialsprecher, der sich bei sozialpolitischen Belangen dermaßen gut in die Unternehmensperspektive hineinversetzten kann, dass er genauso gut Wirtschaftssprecher sein könnte. Loacker war es, der in den letzten Jahren für die Ausformulierung einer Mietrechtreform zuständig war. Er fordert, dass alle neu abgeschlossenen Mietverträge nur in den Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fallen sollen. Das ist die etwas verkorkste, aber juristisch korrekte Formulierung dafür, dass es keine Mietobergrenzen wie etwa Richtwertmieten im Altbau mehr geben soll. Damit fiele ein wichtiger Teil des Mietmarktes, auf dem noch relativ günstige Mieten zu finden sind, weg. Für eine Altbauwohnung von 100 m2 im 5. Bezirk, für die jetzt 750 Euro bezahlt werden, könnten dann, basierend auf den Preisen des aktuellen Mietspiegels, 1.500 Euro freie Marktmiete verlangt werden.

Unbegründete Kündigung.

Im Parteiprogramm steht, dass bezüglich der Mietobergrenzen nicht in bestehende Verträge eingegriffen werden soll. Doch gleichzeitig fordert Loacker, dass unbefristete Mietverträge ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von zwölf Monaten gekündigt werden können sollen. Das käme einer Abschaffung der unbefristeten Miete gleich. Allen Mieter_innen, egal ob im Altbau oder im Neubau, drohen in dem Szenario potenzielle Kündigungen, wenn ihre Mieten niedriger sind als die aktuellen Marktmieten. Kündigen und Neuvermieten bringt dann einfach mehr Gewinn. Vorgeschobene Rechtfertigung für diese Maßnahmen ist, dass bei potenziell höheren Mieteinnahmen derzeit leerstehende Wohnungen auch zur Miete angeboten und durch das sich so vergrößernde Wohnungsangebot die Mieten wiederum sinken würden. Doch selbst wenn sich durch höhere Mieten ein Teil des Leerstandes hervorlocken ließe, ist keineswegs davon auszugehen, dass dieser vom Umfang her groß genug wäre, um die Mieten nennenswert zu senken. Es käme stattdessen zu einer großen Umverteilung von Mieter_innen zu Vermieter_innen und damit zu einer Umverteilung von Erwerbs- oder Pensionseinkommen zu Renteneinnahmen. Steigt die Miete bei Personen, die Mindestsicherung und Wohnbeihilfe beziehen, müsste die Wohnbeihilfe erhöht werden, damit die Wohnung bezahlt werden kann. So werden staatliche Gelder umverteilt, die kurz auf dem Konto der Mieter_innen zwischengeparkt werden, um dann am Konto der Vermieter_innen zu landen.

Wohlstand für wen?

Drittens: Den Erwerb von Eigentumswohnung beschreiben die NEOS im Parteiprogramm als «der sozialen Sicherheit und der Schaffung von langfristigem Wohlstand» dienlich. Wohnungseigentum soll daher gefördert werden. Damit wenden sie sich jenen oberen Einkommensschichten zu, die ihr Wähler_innenpotenzial repräsentieren.
Für den Großteil der Bevölkerung ist ein Wohnungskauf – außer es wird geerbt oder von den Eltern mitfinanziert – außerhalb jeder Reichweite. Ein Viertel der Haushalte in Österreich spart nicht, weil die Einkommen dafür nicht ausreichen. Für den Kauf einer 50-m2-Wohnung im 15. Bezirk um 250.000 Euro müsste bei einem mittleren Jahreseinkommen von 20.800 Euro 12 Jahre das gesamte Einkommen für die Abzahlung verwendet werden. Werden 9,1 % des Einkommens für den Erwerb der Wohnung gespart – das entspricht der durchschnittlichen Sparquote aller Haushalte, die tatsächlich sparen –, würde es 132 Jahre dauern, bis die Wohnung bezahlt ist; Kreditzinsen sind hier noch nicht mitgerechnet. Die meisten Menschen in Österreich wären also verhungert oder altersbedingt gestorben, bis die Eigenheimwohnung abbezahlt ist.
Für die Leerstandsproblematik und die Frage, wie neuer Wohnraum geschaffen werden kann, braucht es Antworten. Aber nicht die von den NEOS. Ihre Forderungen bedeuten en gros einen deutlichen Umverteilungseffekt von unten nach oben. Die sozialen Folgen: Mehr Menschen rutschen in die Armut ab. Und eine kleine, exklusive Gruppe profitiert.