«Ein Beteiligter ohne Entscheidungsgewalt»vorstadt

Der Nationalpark Donau-Auen feiert Geburtstag

Es ist noch einmal gut ausgegangen: Statt dem Kraftwerk Hainburg gibt es heute den Nationalpark Donau-Auen, der im Herbst sein 20-jähriges Jubiläum feiern durfte. Veronika Krenn sprach mit einem Hainburg-Veteranen und heutigen Nationalpark Ranger, und Mario Lang kramte ein Foto aus seinem umfangreichen Lobau-Archiv hervor.«Früher war das ein Wasserschloss», sagt Nationalpark-Ranger Martin Weixelbraun, als wir auf der Schlossinsel stehen: «Man konnte mit Schaluppen bis zum Schloss Orth fahren, das stand unmittelbar am fließenden Wasser.» Heute sind die Donau-Arme abgetrennt. Der 1961 geborene Ranger war, als im Dezember 1984 die Au-Besetzung zur Verhinderung eines geplanten Kraftwerksbaus in Hainburg stattfand, 23 Jahre alt. Er war begeisterter Pfadfinder und fing an, «alte Zelte von anderen Pfadfindergruppen zusammenzuschnorren. Diese sind dann nach Stopfenreuth gewandert.» Sie sollten den Au-Besetzer_innen Unterschlupf in der bitterkalten Vorweihnachtszeit bieten. Aufrufe von Umweltschutzvereinigungen und eine Pressekonferenz der Tiere, bei der etwa ein Auhirsch (Günther Nenning) oder eine Rotbauchunke (Peter Turrini) sprachen, bewirkten, dass sich eine zivile Bewegung entwickelte. Ein «Sternmarsch» der Österreichischen Hochschüler_innenschaft am 8. Dezember 1984 brachte rund 8000 Menschen auf die Straße. Einige davon errichteten danach ihr Lager in der Au, um mit gewaltlosem Widerstand – auch nach mehreren erfolglosen Räumungsversuchen durch Gendarmerie und Polizei – im Dezember 1984 einen Rodungsstopp zu bewirken. 1985 wurde von 353.906 Personen das Konrad-Lorenz-Volksbegehren zur Erhaltung der Auen und Errichtung eines Nationalparks unterzeichnet. Seit 1996 gehört die Hainburger Au zum Nationalpark Donau-Auen, heuer feiert dieser sein 20-jähriges Jubiläum.

Martin Weixelbraun erinnert sich an den Generationenkonflikt, der damals herrschte: «Es hat wilde Diskussionen gegeben, weil die Jungen dafür waren, die Au zu erhalten, und die Väter, in Anzug und Krawatte, dafür wenig Verständnis hatten.» Die Jahre ab 1984 seien wichtige Jahre gewesen, in denen mit Protesten Nationalpark-Gründungen erreicht werden konnten: etwa im Reichraminger Hintergebirge in Oberösterreich, aus dem später der Nationalpark Kalkalpen hervorgegangen ist, ebenso bei den Umbalfällen in Osttirol. Am 27. Oktober 1996 wurde schließlich ein Staatsvertrag zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen unterzeichnet. Mit einer anfänglichen Größe von 9300 Hektar sollte der Nationalpark laut Vertrag letztendlich alle Augebiete entlang der Donau zwischen Wien und der östlichen Staatsgrenze umfassen. Als Erfolg kann wohl die kürzlich vollzogene Erweiterung um Gebiete in der Petroneller Au im Ausmaß von 260 Hektar gewertet werden.

 

Kraftwerksverbauung

«Es gibt zwei Abschnitte der Donau in Österreich, die nicht verbaut sind und wo sie frei fließen kann», erklärt Weixelbraun eines der dringlichsten Probleme heute, «das sind ungefähr 120 Kilometer von insgesamt 350 Kilometern. «Ungefähr alle 20 Kilometer steht ein Kraftwerk, das den Schotter daran hindert, mit der Donau weitertransportiert zu werden. So kommt es auf der freien Fließfläche zu einer Eintiefung der Donausohle.» Das habe auch negative Auswirkungen auf die Schifffahrt, deren Schifffahrtsrinne eine bestimmte Breite und Tiefe aufweisen muss, damit auch große Schiffe genügend Spielraum haben. An dieser Stelle sind auch die Verkehrsinteressen der EU heranzuziehen. Diese seien nämlich mächtiger als der Naturschutz, daher komme es mitunter auch zu Maßnahmen an der Donau, von denen auch die Natur mitprofitieren könne.

Aus Unwissen habe man bis jetzt die Donau falsch behandelt, denn vor rund 150 Jahren sei die erstmalige Regulierung eine großartige Leistung gewesen, meint Weixelbraun, der ein Medizin- und Biologie-Studium begann, ehe er als Grafiker und Illustrator tätig wurde und vor 14 Jahren die Ranger-Ausbildung absolvierte. Ingenieurtechnisch habe man sich die Erfahrung vom Bau des Suezkanals geholt. Dann seien Kraftwerke errichtet worden. Erst heut wisse man, was ein Fluss brauche: «Der will über die Ufer treten, er braucht ein Material im Fluss, damit der Grund stabil bleibt.» Man habe in einem knappen Jahrhundert in Europa Gewässerlandschaften völlig verändert, sagt Weixelbraun: «Man wusste nicht, welche Folgen hundert Jahre später auftreten. Einer früheren Eintiefung von 5 Millimeter im Jahr steht heute eine von 2,5 bis 3 Zentimeter gegenüber. Das rechnet sich um in eine Zahl von 350.000 Kubikmetern von Schotter, die weiterwandern, während von oben nichts nachkommt.»

 

Reiche Flora und Fauna

Auf dem Gelände der Schlossinsel in Orth an der Donau steht eine Unterwasser-Beobachtungsstation, die bis in 3,5 Meter Tiefe reicht. Es ist ein Aquarium, das von Sonnenlicht geflutet wird und in dem man Lebewesen und Pflanzen aus Donau-Altarmen beobachten kann: Gerade schwimmen ein Flussbarsch, ein Rotauge und Lauben vorbei, aus deren Schuppen man vor rund 200 Jahren sogenanntes Fischsilber gemacht habe, eine Art Perlmutt-Ersatz für Knöpfe. Plötzlich herrscht ein großes Bahö, weil ein Fressfeind die Fische aufschreckt. «Da kommt der Hecht», ruft Weixelbraun, «darum sind die Fische jetzt so angegast.» Auch ein Zander kommt geschwommen, den die meisten Menschen wohl nur als Filet am Teller kennen. Weixelbraun sagt: «Das ist nur ein Bruchteil der Fischwelt, die sich hier herumtreibt. Wir haben ungefähr 60 verschiedene Arten von Fischen in den Seitenarmen. Von ganz seltenen bis Allerweltsfischen.» Sagt’s, und ein Hundsfisch schwimmt vorbei, der 1953 schon als ausgestorben galt.

Wie Maßnahmen im Nationalpark im Detail aussehen, kann man am Werdegang der Schildkröten sehen. «Sie stehen im Bestand besser da, als wir damals geglaubt haben, als wir mit den Schutzmaßnahmen begonnen haben», sagt Weixelbraun. «Wir verhindern, dass die Füchse und andere Tiere die Eier nach dem Eingraben wieder ausbuddeln und fressen. Das ist eh schon eine Maßnahme, die grenzwertig ist, weil ja der Mensch in so was nicht eingreifen sollte.» Früher hätten die Füchse nicht gewusst, wo die Schildkröten ihre Eier ablegen. Dann sei die Donau reguliert worden und ein Großteil der Ablageplätze sei dadurch verschwunden. Als der Damm gebaut wurde, haben die Schildkröten die Südseite wegen der gleichmäßigen Sonnenbestrahlung genutzt. Die Füchse lernten, dass sie sich nur in den Wald setzen und auf die Weibchen warten mussten. Jetzt verhindern Gitter den Eierraub, während die Schlüpflinge durchkämen. So sei es erst jetzt wieder einer größeren Zahl von Schildkröten gelungen zu schlüpfen, die man an sommerlich sonnigen Tagen in Miniaturausgabe auf Baumstämmen beim Sonnenchillen beobachten kann.

Fragt man Weixelbraun nach den größten Herausforderungen für den Nationalpark, fällt ihm viel ein: «Der Nationalpark», erklärt er, «ist in Sachen Wasserabsenkung der Donau leider nur Beteiligter ohne wirkliche Entscheidungsgewalt. Da können wir nur hoffen, dass alle Interessen unter einen Hut kommen, mehr oder weniger, damit die Natur auch was davon hat. Wenn keine Win-win-Situation rauskommt, ist meist die Natur der Teil, der auf der Strecke bleibt. Wir hatten keine Chance gegen den Twin City Liner, keine gegen den steigenden Personenschiffverkehr, denn die Donau ist eine Wasserverkehrsstraße. Ganz zu schweigen von der Einschleppung fremdländischer Tiere, da muss man sowieso gelassen bleiben.» Aber Erfolge – wenn Tiere wie der Seeadler, der seit 1950 als ausgestorben galt, ganz ohne gewaltsame Verpflanzung die Donau-Auen wieder für gut genug befinden, um dort zu brüten – entschädigen für gar manches.

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