Gottfrieds Tagebuch
22. 12.
Ich bin relativ ungeschoren durch die stillste Zeit des Jahres gekommen. Obwohl, die stillste Zeit des Jahres!? Allenthalben brüllen mir diverse mehr oder weniger sinnfreie Werbeslogans die Gehirnwindungen gerade.
Bei den unvermeidlichen Punsch- und Glühweinständen sind Männlein und Weiblein unter anderem auf der Suche nach einem Tagesabschlussgefährten ihrer Wahl. Ich für meinen Teil werde übermannt (oder überfraut?) von der Tatsache, dass ich derzeit durchaus als erotischer Sozialfall bezeichnet werden kann. Aber was hat das alles mit Weihnachten zu tun? Wie soll ich das wissen? Ich scheine mir ein wenig verwirrt, daher greife ich nunmehr zum Äußersten und genehmige meinen Ohren eine Portion Marvin Gaye mit Let’s get it on.
24. 12.
First Lady hat von einem mir nicht bekannten Wichtel, oder einer Wichteline ein ordentlich schweres Fresspaket erhalten. Vorher war ich allerdings noch kurz beim Nahversorger meines Vertrauens, um die urbanen Eingeborenen bei ihren festtäglichen Futterkäufen zu besichtigen, und wenn ich schon einmal da bin, könnte ich ja vielleicht auch für mich eine Kleinigkeit erwerben. Erwähnte Kleinigkeit schlägt mit 58,74 Euro zu Brieftasche und ich schleppe mich auf dem Heimweg beinahe ins Koma. Wer soll das alles essen? Aber egal, nach meiner erfolgreichen Heimkehr zeigt sich First Lady verschärft empört ob des Umstandes, dass sie noch keinen Blick auf ihr weihnachtliches Fresspaket werfen durfte. Hurtigen Hufes eile ich zur Tat und versorge die erste Katze des Hauses, und wenn ich schon dabei bin, auch mich. Wir schmatzen im Duo gemütlich vor uns hin und sind mit uns beiden zufrieden.
26. 12.
Eine kleine Busfahrt zum Stadion steht an. Ich plane, die dort im Überfluss vorhandene Natur in Augenschein zu nehmen. Der Weg dorthin, also die Busfahrt, birgt immer wieder gewisse Gefahren. Warum sollte es also gerade heute anders sein? Mir gegenüber sitzt ein an sich ganz nett wirkender Mann in meinem Alter. Leider verfügt er über eine Fähigkeit, die ich als suboptimal bezeichnen möchte. Er scheint ein sehr geübter Hydrorhetoriker zu sein. Ich möchte behaupten, dass er sehr fließend Deutsch spricht. Dann schon lieber gebrochenes Englisch, oder Französisch, oder … Wo bekomme ich Scheibenwischer für meine Brille?
31. 12.
Wie schon am 24. 12. bin ich auch heute in geheimer Mission unterwegs. Ich lungere völlig unauffällig vor dem Nahrungsmitteldealer meines Vertrauens herum und beobachte die Menschen, die unbedingt noch einkaufen müssen. Aber wenn ich schon einmal da bin, dann könnte ich doch auch …, obwohl … 37,54 Euro. Es bleibt nun noch ein wenig Zeit, um mit dem letzten Zitat des Jahres 2018 um mich zu werfen. «Reicher Konsum heuchelt uns eine Qualität des Wohlergehens vor, doch führt sie uns vielleicht in die Sattheit des Verderbens.» Christa Schyboll
1. 1.
Die diversen Feuerwerke sind verglüht, die Welt an sich hat es auch mehr oder weniger gut überstanden, wie ich diversen TV-Medien entnehme. In liebevoller Heimarbeit hergestellte Neujahrsbabys kamen zur Welt. Irgendein Promi wird befragt, wie er denn Silvester verbracht habe, und plötzlich wird der Mann offenbar von seinen eigenen Wörtern überrascht, denn sie scheinen ihm ausgegangen zu sein. Ja, wenn er so wie ich rechtzeitig und ausreichend eingekauft hätte …
6. 1.
ACHTUNG! Das Internet birgt teilweise echt schlimme Sachen, oder in der aktuell vorliegenden Causa verstörende Bilder. Es ist wie bei einem Unfall, man möchte nicht hinsehen, aber das Teufelchen auf der linken Schulter nötigt einen dazu. Nur ein kurzer Blick, nicht mehr, und der war schon zu viel. Ich sehe eine aufgedunsene Fratze und befürchte zuerst, der Mann sei tot, aber der Begleittext gibt mir eine Information, die weder mein noch euer Leben, werte Fangemeinde, zum Besseren wenden wird. Eher genau das Gegenteil. Harald Glööckler hat seine Botoxtanks nachfüllen lassen. Mein Gehirn beschließt umgehend, auf Notbetrieb umzustellen, damit sich diese Information nicht eventuell noch im Tagebuch einschleicht … Da lugt plötzlich ein brandneuer Gedanke um die Kurve einer Gehirnwindung und fragt sich, ob der oben erwähnte Mann noch im Meer baden gehen darf, denn da ist ja ohnehin schon viel zu viel Plastikmüll unterwegs.
9. 1.
Der Arztbesuch erweist sich als Quell der Inspiration. Oder besser gesagt, das dem Arzt vorgelagerte Wartezimmer. Wenn man nicht genau aufpasst, kann es durchaus zu interessanten Übertragungen von Symptomen kommen. Nach dem Motto: Hatte ich noch nicht, nehme ich jetzt auch einmal. Mein persönlicher Favorit wäre die Kombination starker Husten und Durchfall. Das riecht nach gröberen Problemen. Muss ich lieber doch nicht unbedingt ausprobieren. Nach der erfolgreichen Erledigung des 100.000-Dezibel-Services an meinen Ohren enteile ich geschwind, um nicht doch noch eine weitere, für mich passende Krankheit erzählt zu bekommen.