«Ein Dorfverein»vorstadt

Lokalmatador

Reinhard Döltl hat gute Gründe, warum er beim Floridsdorfer AC ehrenamtlich mittut.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

«Es gibt immer was zu tun.» Den Werbeslogan eines Baumarkts kennt auch Reinhard Döltl. An einem Matchtag wie heute begibt sich der Obmann der Ordner:innen daher schon zwei Stunden vor dem Anpfiff «auf den Platz».
«Den Platz» in der Hopfengasse, hart an der Grenze zwischen Jedlesee und Jedlersdorf, bespielt der FAC – in Worten: der Floridsdorfer Athletiksport-Club. Sportlich ist dieser Fußballverein die Nummer drei in Wien, hinter Rapid und Austria. Doch was das Interesse der Fans, der Society und der Politik anlangt, macht sich der Ehrenamtliche nichts vor: «Wir sind weiterhin die Underdogs.»

Floridsdorferisch.

Zunächst gibt Reinhard Döltl seine Liste mit den Namen der heute zum Einsatz kommenden Ordner:innen vorne an der Kassa ab, dann holt er ihre gelben Westen hervor und teilt ihre Dienste ein, ehe er sich auf den obligatorischen Kontrollgang begibt. Egal ob Gläser, Aschenbecher oder andere potenzielle Wurfgeschoße: «Nichts entgeht meinem Auge.»
Seit mehr als zwanzig Jahren hilft der groß gewachsene Postbeamte in Pension freiwillig beim FAC aus. «Dazugekommen bin ich durch meinen Buam», erzählt er auf Floridsdorferisch, ohne dem Klischee vom niveaulosen Vorstädter-«Matscho» zu entsprechen. Sein Sohn hat hier in allen Jugendmannschaften gespielt. «Ich habe ihn immer begleitet.»
Noch 45 Minuten bis zum Anpfiff, die ersten Akteure betreten den Rasen, die ersten Gäste die Ränge. Reinhard Döltl zieht seine Weste über. Noch ein Zug am Lungenbrötchen, dazu eine Erinnerung: «Ich bin da langsam reingewachsen. Irgendwann hat einer aus dem Vorstand gemeint: Du bist groß, du wärst ein super Ordner.»
Ein super Ordner ist er aber nicht, weil er groß ist, sondern weil er gut mit Menschen kann. Einmal war ein bereits leicht illuminierter älterer Zuschauer derart in Rage geraten, dass er den «Lack» (Rest) aus seinem Bierbecher nicht am Linienrichter abladen konnte, sondern unabsichtlich auf die Fans hinter seinem Rücken schüttete. Was diese nicht auf sich sitzen lassen wollten.
Einer wie Döltl löst eine derart delikate Situation so auf: «Jetzt entschuldigst’ dich bei den Herrschaften und dann zahlst’ ihnen eine Runde.»
Wirkliche Wickel gab es aber noch nie, betont der Ordnerobmann. «Das ist heute beim FAC ein friedliches Publikum. Ich bin froh, dass es bei uns keinen Rassismus und keine Homophobie gibt, und zwar auch deshalb, weil das von unseren Fans nicht toleriert wird.»

Erdbergerisch.

Aufgewachsen ist Reinhard Döltl, Jahrgang 1958, in Erdberg. Selbst bei ­einem Verein ballestert hat der einzige Sohn einer Familie aus dem Rabenhof nie. Dennoch liegt er mit seinen Analysen während des Spiels häufig richtig.
Nach Floridsdorf gezogen ist er 1988. «Mein Sohn kam in diesem Jahr auf die Welt, und wir haben eine größere Wohnung gesucht. Meine Frau, die zum Teil in der Großfeldsiedlung aufgewachsen ist, meinte, wir sollten über die Donau ziehen.» Er gibt zu: «Ich war anfangs skeptisch.»
Heute ist er seiner Frau dankbar. Floridsdorf sei «seines» geworden. Dass er in der Hopfen­gasse wohnt, einen Tormannausschuss vom Platz entfernt, und dass seine Frau auch heute Abend im Kassahäuschen mithilft, erleichtert das Freiwilligentum.
Sein gesamtes Berufsleben war Reinhard Döltl bei der Post. Zuerst am Schalter in einem Postamt im Dritten, dann lange auf Postämtern im 15. und 19. Bezirk, ehe er zur Betreuung von Klein- und Mittelbetrieben wechselte.
Wenn er nicht zum Fußball geht, setzt er sich auf seine Yamaha 900, um alleine oder mit Freunden die Landschaft zu erkunden. Seine Augen leuchten: «Das Motorrad ist ein Teil meiner Jugend.»
Außerdem kümmert er sich um sein Enkerl oder hilft der Tochter beim Hausbauen. Das Rasenmähen rund um das Spielfeld bezeichnet der Helfer wiederum «als persönliches Fitnessprogramm».

Fixleiberl.

Seine Blau-Weißen beenden heute Abend die erfolgreichste Saison in ihrer Vereinsgeschichte, als Zweite in der zweithöchsten Liga des Landes. Auf die Frage, was für ihn den besonderen Charme des FAC ausmacht, sagt Reinhard Döltl: «Es wurde hier immer schon Fußball mit Herzblut gespielt, selbst als es nicht so gut lief. Mir taugt, dass wir in puncto Finanzen ein Dorfverein sind. Und dass hier noch Sport in einer gepflegten Naturarena geboten wird.»
Bald nach dem Schlusspfiff endet der Dienst des Ordners. Bei einem Bier blickt er zum Himmel. Schon in wenigen Tagen startet die neue Saison. Wer in der ersten Runde in der Start­aufstellung des FAC stehen wird, steht noch in den Sternen. Ein (gelbes) Fixleiberl hat aber ­erneut einer: der Döltl-Reini.