Ein eigentümliches Programmtun & lassen

Immo Aktuell

Wohnen im Türkis-Grünen. Das Wohnkapitel des Regierungsprogramms dreht sich vor allem um das gute alte
Eigentum. Für Mieter_innen heißt das wenig Erfreuliches, stellt Christian Bunke fest. Illustration: Much

«Genug geblutet – Wohnen darf kein Luxus sein», plakatierten die Grünen vor gar nicht langer Zeit in Wien. Nun koalieren sie mit der ÖVP, einer Partei, der es traditionell eher um Eigentümer_inneninteressen als Mieter_innenrechte geht. Im Regierungsprogramm haben sich, Überraschung!, die Eigentümer_innen durchgesetzt.
Zwar findet die Arbeiterkammer in ihrer Stellungnahme durchaus nette Worte für die auf den Seiten 41 bis 43 zusammengefasste Wohnprogrammatik: «Allgemein trägt das aktuelle Regierungsprogramm im Bereich des Mietrechts nicht mehr so stark die Handschrift der Immobilienwirtschaft», auch wenn vieles nur «allgemein und schwammig» formuliert sei. «Der ‹Mietadel› wird nicht mehr als fiktives Feindbild verwendet.» Erfreut ist die AK auch darüber, dass bei Maklerprovisionen das «Bestellerprinzip» eingeführt werden soll, diese Kosten also nicht mehr auf Mieter_innen abgewälzt werden können. In der Vergangenheit hat sich vor allem die ÖVP immer gegen eine solche Maßnahme gestellt. Das klingt doch vielversprechend! Aber: Das Programm wird von einem klaren Bekenntnis zum Privateigentum beim Wohnbau dominiert.

Wohnraum-Abverkauf.

Insgesamt acht Abschnitte beschäftigen sich mit dem Überthema «Eigentumsbildung fördern». Hier haben die Koalitionspartner auch den geförderten Wohnbau im Blick. Versprochen wird: «Regelmäßige Überprüfung und Evaluierung der Wohnbaufördersysteme der Länder unter Einbeziehung der systematischen Bedarfsanalyse in Hinblick auf die Schaffung von leistbarem Eigentum.» Gegen regelmäßige Evaluierung hat die AK nichts einzuwenden: «Fördersysteme und gemeinnütziger Wohnbau sollen aber zur Wohnraumversorgung finanziell Schlechtergestellter dienen. Ein Abverkauf geförderten Wohnraumes ist daher strikt abzulehnen.» Genau dies scheint die neue Bundesregierung zu bezwecken. Deren Programm bezeichnet «Mietkauf» als sozial orientierten Start ins Eigentum. An anderer Stelle heißt es: «Mietkauf ist ein wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung.»
Das ist reine ÖVP-Programmatik. Schon im Wahlkampf 2017 behauptete ÖVP-Chef Sebastian Kurz, dass Eigentum der beste Schutz vor Altersarmut sei. Und als im September 2017 die SPÖ kurz bescheidene Ansätze von Aufmüpfigkeit entwickelte und eine Aufhebung der schon 1994 von einer rot-schwarzen Bundesregierung beschlossenen Kaufoption bei Wohnungen im gemeinnützigen Wohnbau forderte, schwoll bei ÖVP-nahen Bauträgern der Kamm. Dort forderte man stattdessen eine Ausweitung der Kaufoptionen. Die könnte nun Realität werden.

Mietkauf schafft Wohnungsnot.

An dieser Stelle ein kleiner Ausflug nach Großbritannien: Dort wurde in den 1950er-Jahren von einer sozialdemokratischen Regierung ein ambitioniertes Programm zum Bau von Gemeindewohnungen gestartet. Über die Jahrzehnte sammelten sich mehrere Millionen Wohnungen in öffentlicher Hand an. Mit der thatcheristischen Wende war 1980 Schluss damit. Gemeineigentum musste Privateigentum werden. Mit einem Wohngesetz wurde Mieter_innen das Recht zum Kauf ihrer Gemeindewohnungen zugestanden. Gab es 1979 noch 6,5 Millionen Gemeindewohnungen in Großbritannien, fiel diese Zahl bis 2017 auf knapp 2 Millionen. Viele nun ehemalige Mieter_innen verkauften ihre Wohnungen im Lauf der Jahre an große Immobilienkonzerne weiter. In Folge kam es zu drastischen Preissteigerungen auf dem britischen Wohnungsmarkt, gefolgt von Gentrifizierung, Verdrängung und Wohnungsnot. Um es in der Sprache der Wiener Grünen zu sagen: Menschen mit kleinem Geldbörserl bluteten, Wohnen wurde zum Luxus.

Leichte Kredite, schneller Kauf.

Die ÖVP strebt diesen Zustand für Österreich an. Noch im April 2019 wurde eine Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes vorgestellt, das den Kauf von gemeinnützig erbauten Mietwohnungen erleichtern beziehungsweise liberalisieren sollte. Dann kam Ibiza, und aus der Sache wurde vorerst nichts.
Schon bald könnte dieses Vorhaben wieder tagesaktuell werden, auch wenn es im Regierungsprogramm freundlicher, man möchte fast sagen grün angemalt daherkommt. So wird eine Überprüfung des Immobilienkredit­gesetzes angekündigt, damit Menschen mit kleineren Einkommen schneller zu Krediten für einen Wohnungskauf kommen. Auch eine Mietrechtsreform wird in Aussicht gestellt. Unter Einbindung «der Zivilgesellschaft, Kammern und Interessensvertretungen» soll auch wieder über eine Reform des Wohnungsgemein­nützigkeitsgesetzes diskutiert werden. Damit soll angeblich «ökologische Effizienz sowie mehr Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit» geschaffen werden. Vor allem letzteres ist der ÖVP und ihren Geldgeber_innen sicher wichtig. Damit die Grünen auch glücklich sind, gibt’s als Trostpreis ein paar Solarzellen aufs Dach. 

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