«Ein Filetstück»vorstadt

Lokalmatador

Roland Romano bevorzugt das Fahrrad in Wien – trotz des ortsüblichen Gegenwinds.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Der Radweg zwischen Parkring und Stadtpark: Sichtlich mit Genuss nimmt er die von gepflegten Bäumen beschattete vier Meter breite und 500 Meter lange Passage in Richtung Urania.
«Für mich ist sie ein Filetstück städtischer Verkehrsplanung», erklärt Roland Romano. Es wundert ihn auch nicht, dass es in Wiener Marketingbroschüren ebenso abgebildet ist wie in dem Fachbuch Cycle Infrastructure.

Erster Kratzer.

Alles gut für hiesige Stadtradler_innen? Folgen wir Romano auf seinem Weg ins Büro der Radlobby Wien, erfährt dieses Hochglanzimage schon nach wenigen Metern erste Kratzer: Weiterhin nicht in der Direttissima und schon gar nicht frei von Konfliktpotenzialen führt der Ring-Radweg durch eine Nebenfahrbahn, vorbei am Museum für Angewandte Kunst, vorbei am ehemaligen Kriegsministerium, vorbei an vielen gefährlich parkenden Autos.
Die Forderung, die Ring-Nebenfahrbahnen als Radwege oder Fahrradstraßen zu öffnen, ist so alt wie der Radweg selbst, älter sogar als der Sprecher der Radlobby Wien: Helmut Zilk war Bürgermeister und Roland Romano noch nicht geboren, als die ersten Fahrrad-Piktogramme auf die Gehsteige des Wiener Prachtboulevards aufgemalt wurden.
Achtsamkeit ist oberstes Gebot. Vor dem Radler kreuzen Fußgänger_innen, die nur ein Auge für die Kulisse oder ihre mobilen Gerätschaften haben, Hunde mit und ohne ihre Halter_innen und vor allem ausreichend motorisierte Fahrzeuge.
«Seit Jahren liegen fertige Konzepte zur Verkehrsberuhigung im Rathaus, doch deren Umsetzung wird politisch blockiert», ist Roland Romano jetzt nicht mehr ganz so begeistert von der Wiener Radverkehrsplanung.

Erster Ausflug.

Seine ersten Meter auf einem Fahrrad hat er übrigens als Kind auf der Donauinsel und als Gymnasiast im dritten Bezirk zurückgelegt: «Mit 16 habe ich mir auf einem Flohmarkt ein altes Rennrad mit Stahlrahmen um 35 Euro gekauft», erzählt er.
Eine gute Investition: «Ab diesem Zeitpunkt war es vorbei mit der Wartezeit an den Haltestellen der Wiener Linien.» Das Fahrrad brachte ihm – wie auch anderen Jugendlichen – sofort mehr Autonomie. Zuvor unerreichbare Räume wurden damit erobert. Roland Romano lächelt zufrieden: «Zehn Jahre später habe ich das Rad wieder verkauft, ebenfalls um 35 Euro.»
Die Steinzeit in der Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Stadtverkehr, kurz ARGUS, kennt der Stadtradler nur aus Erzählungen. Dessen ungeachtet hat er sich früh in seinem Leben, noch als Schüler, aktiv dafür eingesetzt, dass die Radfahrenden in Wien atmosphärisch ebenso wie technisch verbesserte Bedingungen vorfinden: Anno 2010 wird er Aktivist bei der Radlobby, fünf Jahre später findet er hier auch seinen Beruf – als deren Sprecher.
Ein weiteres Rad-Nadelöhr passiert Roland Romano nach der Überquerung des Donaukanals. Ingenieur Glaser lässt grüßen! Den guten Mann hatte der damalige Bürgermeister Zilk zum ersten Radwegekoordinator Wiens erkoren, mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass der Magistratsbeamte leidenschaftlich gerne Personenkraftwagen fortbewegte.
Weiterhin wird Radfahrer_innen, die den zweiten Bezirk passieren möchten, nur wenig öffentlicher Raum zugestanden. Während für Autos gleich mehrere Fahrstreifen vorgesehen sind, sind es für sie hier nur wenige Dezimeter.

Erstes Paradoxon.

Selbstverständlich weiß der Radverkehrsexperte, der Öko-Energietechnik studiert hat, dass sich Wien im internationalen Vergleich nicht verstecken muss. Genau diese Position macht Verbesserungen aber auch so schwierig. Denn das erste Paradoxon in der Verkehrsplanung lautet analog zur Sozialgesetzgebung im Roten Wien: Mag schon sein, dass es noch besser ginge, aber begnügen wir uns doch bitte mit dem, was bisher schon gelungen ist.
Wer konkrete Vorschläge vorlegt, etwa für neue Radwege in der Prater- und in der Lassallestraße, wird schnell als Störenfried markiert, ignoriert, belächelt. Diese eingeübte Abwehr- und Beschwichtigungshaltung in der Stadt- und in der Bezirkspolitik kennt Roland Romano zur Genüge: «Es ist ihnen unangenehm, wenn jemand von außen mitreden möchte. Dabei kommen von dort meist wertvolle Anregungen.»
Auf der Höhe des Hauses Praterstraße Nr. 60 bremst er ab und steigt von seinem Fahrrad, um dieses durch den privaten Hausdurchgang zum Radlobby-Büro in der Lichtenauergasse zu schieben.
Immerhin hat der Lobbyist einen krisensicheren Job: Solange die jährlichen Budgets bei 70 Millionen Euro für Straßenbau, 700 Millionen Euro für den öffentlichen Verkehr und unter zehn Millionen Euro für Radinfrastruktur liegen, ortet er «noch viel Luft nach oben».

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