Ein paar Hektar Mondlandtun & lassen

Immo Aktuell

Unterirdische Zustände sind am terrestrischen Wohnungsmarkt eher Regel als Ausnahme. Aber was spielt sich in der außerirdischen Immobilienbubble ab? Eine Erkundungsfahrt zwischen Mars und Mond.

Text: Lisa Bolyos
Illustration: Much

Als Architektin baut Sandra Häuplik-Meusburger (space-craft Architektur) «ganz normale Dinge auf der Erde». An der TU Wien und im Weltraum-Lehrgang der Science Academy in Niederösterreich forscht und lehrt sie zu Weltraumarchitektur und dem Wohnen in extremen Umgebungen. Ein Immobilienmarkt im irdischen Sinne zeichne sich im All noch überhaupt nicht ab: «Es gibt die internationale und die chinesische Raumstation, in etwa zehn Jahren wird es eine Mondbasis geben und in zwei, drei Jahrzehnten eine Marsbasis.» Das war’s fürs Erste mit fliegenden und verankerten Behausungen außerhalb der Erde – 60 Jahre, nachdem der 27-jährige Juri Gagarin aus Smolensk als erster Mensch in den Weltraum flog. Die Projekte von Elon Musk, Jeff Bezos und einer Reihe weniger berühmter, aber nicht weniger betuchter privater Unternehmer_innen weisen jedoch darauf hin, dass der Run aufs All der Superreichen gerade erst losgegangen ist.

Mondland und Sonnenstrom.

In der Immobiliensuche von willhaben kommt man unter «M» nur bis Malta, Meidling oder Montenegro – vom Mond keine Rede. Unzählige andere Internetplattformen bieten hingegen Mondgrundstücke gleich hektarweise an – zu einem Preis, bei dem selbst Waldviertel und Südburgenland einpacken können. Wie es dazu kommt, ist schnell erzählt: Vor rund 40 Jahren ließ sich ein Mann namens Hope als Besitzer des Mondes in San Francisco ins Grundbuch eintragen. Frei nach der Idee des US-amerikanischen Claims ging er davon aus, es genüge, über eine gewisse Zeitspanne öffentlich und rechtlich unwiderlegt zu behaupten, etwas, in dem Fall also der Mond, gehöre ihm – und schon gehöre es ihm tatsächlich. Er war mit diesem Claim nicht der Erste, aber er war der Erste, der es schaffte, ihn ordentlich zu vermarkten. Über die «Immobilienfirma» Lunar Embassy verkauft er bis heute Mondland.
Weil der Mond niemandem gehört und laut internationalem Weltraumvertrag von 1967 (mit vollem Namen Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper) auch niemandem gehören kann, ist Hope nach Ansicht des rumänischen Weltraumjuristen Virgiliu Pop (Autor von Who owns the Moon?) im besten Fall ein Witzbold, im schlimmsten Fall ein Betrüger, jedenfalls aber kein Mondlandbesitzer. Hope nervt Pop so sehr, dass letzterer sich selbst zum rechtmäßigen Besitzer der Sonne erklärte, um dem Mondmann Hope die Rechnung für Licht und Heizung zu schicken.

Hotel mit Erdblick.

Ob Covid-bedingte Einschränkungen auch für die Hotellerie im Weltall gelten, ist unbekannt und irrelevant – Buchungen sind zwar schon möglich, wann die ersten Hotels ihre Pforten öffnen, steht aber noch in den Sternen. Ein medial gut begleitetes Projekt ist das aufblasbare Luxushotel des Unternehmers Robert Bigelow. Nachdem sich Beam (Bigelow Expandable Activity Module) als aufblasbare Abstellkammer der Internationalen Raumstation (ISS) bewährt hat, kann, wer das nötige Kleingeld hat, bei der Bigelow Aerospace den nächsten Urlaub buchen. Der Weltraumtourismus – der suborbitale, jener zur ISS oder die private Mondlandung – ist ein sich langsam entwickelndes Feld; noch haben die Internetauftritte diverser Anbieter etwas Groteskes an sich, «Pauschalreise für max. 2 Personen» werden angeboten, «inkl. Reisegepäckversicherung». Wenn es aber so weit ist, müssen Initiativen wie Stay Grounded, die bisher nur Passagierflüge als Klimakiller im Visier haben, in ganz neuen Dimensionen denken.
Und tatsächlich sind Klimawandel und Schutz der Erde seit jeher große Themen, wenn es ums Reisen, Wohnen und Arbeiten im All geht. Auch Amazon-Gründer und Blue-Origin-Raumfahrtunternehmer Jeff Bezos ist für seine Träume vom Exit-Szenario bekannt: Er habe, so wird er gern zitiert, sich via Sonden im Weltall umgeschaut, und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Erde doch der beste Planet sei. Darum müsse man sie schützen – nicht mit Hippiehumbug wie zurückgefahrenem Wirtschaftswachstum, sondern mit der Auslagerung der CO2-emittierenden Industrie ins Weltall. «Das kann nur ein Gag sein», kommentiert Häuplik-Meusburger, «aus den Augen, aus dem Sinn, das funktioniert auch im Weltall nicht. Und solange wir es nicht hinkriegen, mit der Erde richtig umzugehen, sollten wir es besser nicht am Mond versuchen.»

Das All als Allmende.

Der Mond, schwärmt die Weltraumarchitektin, sei ein wissenschaftlicher Schatz, den es ganz vorsichtig zu behandeln gelte. Als einer von nur 17 Staaten hat Österreich 1979 das Mondabkommen ratifiziert; die USA, China oder Deutschland hatten scheinbar keine Lust, sich lukrative Geschäfte am Mond selbst zu verbieten, und unterschrieben nicht.
Weltraumjurist_innen wie die Wiener Völkerrechtlerin Irmgard Marboe plädieren bis heute für mehr Rechtssicherheit außerhalb der Erde. Ähnlich wie in der Antarktis, meint Häuplik-Meusburger, könnte man den Zugang für die Forschung sichern, die Ressourcen aber schonen. «Es ist keine gute Idee, einfach mal den Mond abzubauen, weil man Helium-3 gewinnen will.» Wenn die arme kleine Erde schon dem Kapitalismus unterworfen ist, so möge sich wenigstens der Weltraum mit seiner gesamten Unendlichkeit der Einhegung entziehen.