Ein queeres Museum für WienArtistin

Ein Kulturhaus von und für die queere Community, aber auch für alle anderen. Das Queer Museum Vienna ist brandneu, und nun für sechs Monate im Volkskundemuseum untergebracht.

Text: Ruth Weismann
Fotos: Jana Madzigon

Was eine richtige Metropole sein will, braucht ein queeres Museum. Nach Berlin, New York und São Paulo hat jetzt auch Wien eines. Zumindest mal temporär. Seit 11. Jänner diesen Jahres bespielt das Queer Museum Vienna zwei Räume im Volkskundemuseum, bis Juni soll es jeden Monat eine Ausstellung plus Veranstaltungen geben. Plakate im Stil von Konzertankündigungen am Straßenrand – grüne Neongroßbuchstaben auf schwarzem Hintergrund –, die im Umkreis des Museums im 8. Wiener Gemeindebezirk angebracht sind, weisen auf die Attitüde hin: «If there is something weird in your neighborhood».

Gute Nachbarschaft.

Wenn da etwas Sonderbares in der Nachbarschaft ist, dann ist das nicht nur ein Zitat aus dem Titelsong des 80er-Jahre-Kultfilms Ghostbusters, sondern auch der Titel der poppig-bunten Auftaktausstellung von Alfred Rottensteiner (bis 6.Februar), der eine Art Bühnenbild aus Malerei, Video, Stoffen und Sammlungsobjekten gestaltete. Und, so kann man sagen, damit auch das über dem gesamten Queer Museum schwebende Motto geliefert hat. Sonderbar und eigenartig und deshalb gefährlich für die gesellschaftliche Ordnung zu sein, wurde schwulen, lesbischen, inter-, bi-, transsexuellen und anderen Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, immer in die Schuhe geschoben. Was als Grundlage für Ausschlussmechanismen – durch Gesetze und Alltagshandlungen – von der «Mehrheitsgesellschaft» geschaffen wurde, haben sich viele queere Menschen als widerständige Haltung wieder angeeignet. Lieber die Nachbarschaft aufwühlen als sich verstecken. Lieber noch eines draufsetzen, «Boo!» rufen und damit die Leute erschrecken, wenn man sie eh schon durch bloße Existenz schockiert – wie es Künstler Alfred Rottensteiner für seine Ausstellung formuliert. Dort hat er ­unter anderem einen Boo!-Schriftzug in spießig-grünen Kunstrasen gefräst.
Das Queer Museum ist einerseits ein Ort für die queere Community, andererseits will man hinausgehen und auch außerhalb der Community wirken, wie der Künstler Florian Aschka vom Verein Queer Museum Vienna im Gespräch mit dem Augustin erklärt: «Das ist ein Spagat, den wir versuchen zu machen. Es gibt viele Gründe, warum in unseren Augen ein Queer Museum wichtig ist. Einerseits, weil queere Geschichte kaum stattfindet. Es gibt vielleicht alle zehn Jahre mal eine Ausstellung, aber dafür ist die Geschichte zu reichhaltig. Es geht um Themen wie queere Opfer im Naziregime und Verfolgung – auch schon davor –, aber abgesehen von der Verfolgungsgeschichte gibt es so unfassbar viele queere Personen, die wahnsinnig viel zum Kulturleben beigetragen haben. Es wäre schade, das nicht unter diesem Aspekt zu sehen.» Zwar sei es wichtig, wenn auch in anderen Institutionen, etwa dem Wien ­Museum, queere Geschichte stattfinde, aber ein eigenes Museum solle – in the long run – zu einer Anlaufstelle für das Thema werden.

Geschichts- und Kulturhaus.

Queere Geschichte zu erzählen, nicht heteronormative Lebensentwürfe früher und heute zu thematisieren und queere Kunstschaffende in den Vordergrund zu rücken, ist die zentrale Idee. Dafür ist auch ein Bildungsprogramm geplant. Damit hat der Verein, der die Idee des Queer Museums in Wien seit rund zwei Jahren verfolgt, schon Erfahrung. «Wir hatten letzten Sommer im Volkskundemuseum schon Workshops mit Schulen. Das ist sehr gut angekommen. Jetzt ist es wegen Corona etwas schwierig, wir werden mit dem Angebot warten, bis es wärmer wird und man die Türen offen halten kann. Aber der Plan ist schon, damit aktiv auf Schulen zuzugehen», so Aschka. Man will auch pädagogisches Material erarbeiten und für Lehrpersonen zur Verfügung stellen.
Eine Konkurrenz zum QWIEN, dem Archiv und Forschungszentrum für queere Geschichte, für das sich die Stadt Wien laut Angaben vom Zentrum eine Erweiterung zum queeren Kulturhaus wünscht, will das Queer Museum Vienna nicht sein, im Gegenteil. «QWIEN sind unsere Hauptkooperationspartner_innen, weil da schon so viel Wissen und Know-how vorhanden ist. Sie sitzen auch in unserem History-Team, das im Juni eine Ausstellung gestalten wird.» Queere Geschichte im Wiener Kultur- und Bildungsleben zu verankern ist Teil des Regierungsprogramms von SPÖ und NEOS in Wien. Das QWIEN sucht nun Räume, um ein queeres Kulturhaus etablieren zu können. Der Verein ist diesbezüglich für Kooperationen weiterhin offen, «es muss ja dann nicht Museum heißen», so Aschka. Das temporäre Queer Museum jetzt könne auch ein Art Vorgeschmack darauf sein, was ausstellungstechnisch möglich sei.

Wohlfühlen und in Frage stellen.

Dass dies nun im Volkskundemuseum stattfinde, sei passend. «Hier sind alle aufgeschlossen und probieren gerne Sachen aus. Auch wie gesammelt wird ist irgendwie schon queer», findet Florian Aschka und bezieht sich damit auf die Vielfalt der Sammlung und das Augenmerk für scheinbar Unbedeutendes. Auf die Sammlung geht auch Alfred Rottensteiner ein. Er hat in die Spielzeugkiste gegriffen und eine häuslich-katholische Szene aufgebaut. Aber der historische Holz-Jesus liegt da mit der Plastikbarbie im Bett, und aus einem alten Bauernstubenbettchen fressen ein Pferd und ein Zebra.
«Hier ist queering the collection passiert», erklärt Kuratorin Daniela Hahn die Spielzeuginstallation. Sie und ihre Partnerin Andrea Lehsiak sind unter dem Namen The Dodo Project als Kuratorinnenduo aktiv und wurden vom Queer Museum eingeladen, den ersten der sechs Ausstellungsslots zu bespielen. Sie wollten mit Rottensteiner, der gerade sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien abgeschlossen hat, arbeiten, weil er eine besondere queere Ästhetik verfolgt, wie Hahn dem ­Augustin erzählt. Die Debatte, was eine queere Ästhetik generell sei oder sein könne, ist komplex. Die Kuratorin sieht in Rottensteiners installativer Schau, dass es «ein Ort ist, wo man sich wohlfühlt und hinein möchte, der einen anzieht. Der aber gleichzeitig manches in Frage stellt.» In Frage stellt Rottensteiner das heteronormative Kleinfamilien­ideal, dem er mit Pailletten, Tüll und dem Schlüpfen in verschiedene Musikvideocharaktere zu Leibe rückt. Und damit, dass nicht alles perfekt sein muss. Man sieht die Klebestellen, erkennt den Prozess des Machens – eine Anlehnung an die Drag-Kultur, so die Kuratorin. «Da scheint Spontaneität durch. Das ist eine Subkultur, die sich vieles aneignet, hinterfragt, Neues erschafft, oft auch wieder eingenommen wird und dann in der Kunst wieder eine Gegenposition erschafft.»

Queere Schwarze Geschichte.

Unter dem Titel my/his/her/queer-story wasn’t taught at school widmet sich die nächste Ausstellung, die am 10. Februar im Queer Museum Vienna eröffnet, queerer Schwarzer Geschichte in Wien. Die Künstlerin Mirabella Paidamwoyo Dziruni kuratiert das Projekt anlässlich des Black History Months und lädt dazu verschiedene Künstler_innen ein, ihre Erfahrungen mit Diskriminierungen an der Schnittstelle von Rassismus und Queer-Feindlichkeit zu teilen, Raum einzunehmen und über ­gemeinsamen Support in der Black Community zu sprechen. 

Queer Museum Vienna im Volkskundemuseum Wien
8., Laudongasse 15-19

www.queermuseumvienna.com
www.volkskundemuseum.at