Ein Reifen mit großem Potenzialvorstadt

Von der Tradition zur Moderne: Hoop Dance

Indigene verschiedenster Stämme Nordamerikas versammeln sich in Phoenix, Arizona, um sich im sogenannten Hoop Dance zu messen. Doch der Tanz mit den Reifen ist auch in Österreich wieder populär. Lucas Jenni (Text und Foto) besuchte beide Szenen.

Wer bei den Worten Hula Hoop noch an billige Plastikreifen um rock-n-rollende Hüften Petticoat tragender 50er-Jahre-Mädchen oder schweißtreibende Turnstunden denkt, hat bis jetzt nur einen kleinen Teil der Erfolgsgeschichte des Schwingreifens entdeckt. Das seinerzeit noch aus Weide, Rattan oder Weinreben geflochtene runde Sport- und Spaßgerät hielt nämlich schon die Kinder der Alten Ägypter_innen fit und sorgte für reichlich Unterhaltung. Für die antiken Griech_innen hatte die geometrische Kreisform neben sportlichen Beweggründen auch eine göttliche Symbolwirkung. So sieht man beispielsweise die mythologische Figur Ganymed, den «Schönsten aller Sterblichen», auf einer 2500 Jahre alten Vase abgebildet, wie er zur körperlichen Ertüchtigung einen Reifen neben sich hertreibt. Eine transzendentale Dimension hat der vielseitige Reifen auch in der Geschichte der Indigenen Nordamerikas, die durch traditionellen Hoop Dance ihre Mythologie erklären, heilende Wirkung entfalten oder einfach für Unterhaltung sorgen.

«Ich tanze, weil dies Teil meines Lebens und meiner Kultur ist», sagt die 15-jährige Nanabah Kadenehii, die mit ihrer schwungvollen Tanzweise das Publikum und die Juror_innen der Hoop-Dance-Meisterschaft im Heard Museum in Phoenix, Arizona, in Staunen versetzt. Im Hintergrund sitzen sechs Männer um eine große mit Fell bespannte Trommel, die sie im Takt zu ihren gregorianisch anmutenden Gesängen schlagen. Gelernt hat Kadenehii die Reifenkunst von niemandem Geringeren als ihrem Opa Jones Benally, der als Hoop-Pionier und Heiler eine wahre Legende ist. «Ich möchte aggressiv, aber dennoch anmutig erscheinen, schließlich bin ich eine Frau», meint Kadenehii. Ihre Lieblingsfigur ist die Blume, die sie mit bis zu neun Ringen gleichzeitig darstellt. Die symbolische Repräsentation von Figuren ist ein wesentlicher Bestandteil des Hoop Dance. So können Wesen aus der Tierwelt nachgestellt werden, die göttliche Bedeutung und heilende Kräfte haben, wie Adler, Coyote, Schlange oder Schmetterling. Am Ende des Tanzes werden alle Ringe zu einer Kugel zusammengesteckt, die die Erde als vereinendes Symbol zeigt.

Auch Tony Duncan nimmt den seit 27 Jahren stattfindenden Wettbewerb sehr ernst. Als ehemaliger Hoop-Dance-Meister ist es dem Profimusiker besonders wichtig, diese Tradition in seiner Familie weiterzugeben. Mit Argusaugen wacht er über die Auftritte seiner Frau und seiner zwei Söhne, deren jüngerer erst vier ist. Der Name Duncan steht für Stärke und Können in der Hoop-Dance-Szene, doch dem Familienvater geht es nicht nur ums Gewinnen. «Dieser Tanz hat eine heilende Wirkung», weiß der zufrieden dreinblickende Apache. «Er verbreitet Freude unter den Menschen.» Seine Lieblingsform ist der Adler, den er bei seinem Auftritt auch beeindruckend mit weiten Schwingen aus einem Dutzend Reifen darstellt.

Ein neuer Hype in Österreich.

Gehoopt wird aber nicht nur unter den Indianern, sondern mittlerweile auch im beschaulichen Österreich. Wieder, müsste man korrekterweise sagen, denn das runde Spielgerät erfreut sich in Europa seit Jahrtausenden immer wieder großer Beliebtheit. Der letzte große Hype war in den späten 50er-Jahren, als die Neuauflage des Spielgeräts in bunter Plastikform und werbewirksam mit dem exotischen anglo-hawaiianischen Namen Hula Hoop über den Atlantik in die Alte Welt schwappte. Doch auch heutzutage ist der farbige Reifen äußerst gefragt. «Unsere Hoop-Community in Österreich wächst ständig», erzählt die 36-jährige Lisa Looping aus Leobendorf bei Klosterneuburg, die als professionelle Multi-Hoop-Artistin die Szene bestens kennt und eigene Kurse und Workshops anbietet. Begonnen hat alles mit einem Reifen, viel Freude und harter Arbeit. Mittlerweile schwingt sie in ihrem Bühnen-Finale sechs Reifen gleichzeitig um ihren Körper. «Multi-Hooping hat es mir angetan. Die Herausforderung, mehrere Reifen gleichzeitig unter Kontrolle zu halten, fand ich besonders faszinierend.»

Neben Reifen mit LED-Beleuchtung arbeitet Lisa auch mit Feuerreifen. Eine Art des Hoopings, das einiges Können voraussetzt. «Die nach außen stehenden Dochte werden in Lampenöl getränkt, dadurch ist der Reifen besonders schwer und verhält sich beim Schwingen etwas anders, woran man sich erst gewöhnen muss», weiß die erfahrene Tänzerin. Wichtig sind auch die richtigen Sicherheitsvorkehrungen wie feuerfeste Kleidung, eine Löschdecke und nasse oder abgedeckte Haare.

Die Hoop-Dance-Meisterschaft in Phoenix ist auch Lisa Looping ein Begriff. Die im Fachjargon als Hoop-Mandalas bezeichneten Reifenformen der Indigenen nennt sie ihre Leidenschaft und Inspiration. Gekonnt studiert sie die einzelnen Tanzschritte der Indigenen, verleiht ihnen ihren eigenen Touch und präsentiert sie schließlich in ihren Bühnen-Shows. Doch auch ihr geht es nicht nur um reine Unterhaltung. Der Tanz mit den Ringen hat auch für Lisa heilende Kräfte. «Hooping bringt Kindheitserinnerungen zurück, verbessert die Durchblutung, strafft das Gewebe, kräftigt die Muskulatur und stärkt den Rücken. Es bringt Wohlbefinden durch inneres und äußeres Gleichgewicht», schwärmt die Reifenkünstlerin über die holistischen Wirkungsweisen dieses oft unterschätzen Geräts. Damit dies nicht so bleiben muss und ein breiteres Publikum davon erfährt, geht die Hoop-Dance-Szene seit geraumer Zeit auch in die Offensive. Lisas Lieblingsprojekt, das sie mit anderen Tänzerinnen aus der Taufe gehoben hat, ist die Austrian Hoop Convention, die heuer bereits zum vierten Mal in Wien stattfindet. Über 80 Teilnehmer_innen aus Österreich und aller Welt treffen sich für ein langes Wochenende voller Hoop-Workshops, einem City-Flashmob und einer Gala-Show.

Dieser Beitrag wurde von der Tiroler Straßenzeitung «20er» freundlicherweise zur Verfügung gestellt!

 

Austrian Hoop Convention

11.–13. August

Der Ticket-Verkauf hat bereits begonnen!

www.hoopconvention.at

Verein «Hula Hoop Austria»

www.hulahoopworkshop.at

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