Was ist ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank?
Als wir uns darauf eingelassen haben, diese Serie über den Moloch Raiffeisen zu starten, rechneten wir naiv, wie wir sind, auf Feedback aus der Konzernzentrale in der Hollandstraße. Da sich als wirkungsvollstes Mittel in der Öffentlichkeitsarbeit das Totschweigen erwiesen hat, ist es jedoch weiter kein Wunder, dass die Serie des Augustin über die ganz normale Vorherrschaft des Konzerns mit dem Giebelkreuz über die österreichische Wirtschaft niemanden aus dem Häuschen gebracht hat.
Freilich können wir uns über mangelnde Zustimmung und Aufforderungen zur Fortsetzung unserer Bemühungen nicht beklagen. Allen Ernstes zeigen Leserinnen und Leser sich immer wieder erstaunt darüber, dass wir noch nicht umgenietet wurden, weil wir im Fall Raiffeisen der Wahrheit die Ehre geben. Tatsächlich ist die Geschichte eines Selbsthilfevereins von aufgrund der Aufhebung der Leibeigenschaft mittellosen, in die Selbständigkeit entlassenen Bauern, der es zum mächtigsten Wirtschaftskonzern des Landes (4 Millionen Kunden, 2,1 Millionen Mitglieder) gebracht hat, eine spannende Geschichte.
Die Weichen für diese sensationelle Entwicklung hat Engelbert Dollfuß als Sekretär der Landwirtschaftskammer Niederösterreich in den 1920er Jahren gelegt, indem er eine enge Kooperation von Landeswirtschaftkammer, Bauernbund und Raiffeisengenossenschaft vorgeschlagen hat. Im Vergleich zu Christian Konrad, Generalanwalt von Raiffeisen und als Chef des Revisionsverbands Herr über die gesamte Gliederung des Konzerns, war der wegen seiner geringen Größe als Millimeter-Metternich verunglimpfte Bundeskanzler ein Leichtgewicht. 14 Aufsichtsratsmandate übt Konrad neben seinem Job als Generalanwalt vorwiegend als Vorsitzender aus. Damit spielt er in sämtlichen relevanten Raiffeisen-Gliederungen (Bankengruppe, Lagerhausgruppe, Molkereigruppe und sonstige Genossenschaften von der Viehverwertung bis zur Bienenzucht) und strategischen Beteiligungen (Agrana, Leipnik Ludendorfer, Kurier Verlag, Strabag usw.) eine führende Rolle.
Neben ihm gehören vor allem die Chefs der größeren Landesbanken bzw. deren Holdings zu den großen Nummern des Konzerns. Zu nennen sind:
Ludwig Scharinger in Oberösterreich, der in die VÖEST investiert hat und unter anderem zusammen mit Hannes Androsch als heimischer «Oligarch» die Saline Austria, ehemals das Schatzkästlein der Habsburger, übernommen hat.
Erwin Hameseder als Chef der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien, die allein nach Eigendarstellung an 680 Unternehmen «in den Segmenten Allfinanz, Industrie, erneuerbare Energien, Medien, Dienstleistungen und Immobilien beteiligt ist».
Walter Rothensteiner als Chef der Raiffeisen Zentralbank, die heuer im ersten Halbjahr mit 488 Millionen Euro den Konzernüberschuss um 21,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert hat.
Herbert Stepic als Chef der Raiffeisen Bank International, die Ost- und Südosteuropa als Heimmarkt betrachtet.
Einsame Beschlüsse
Mit Ausnahme von Scharinger, der in Linz eine Extrawurst brät, gehören die genannten Herrn zum inneren Kreis der informellen Konzernführung, deren einsame Beschlüsse zwar nicht immer nachvollziehbar sind, aber in der Regel ohne Widerrede exekutiert werden. Jüngstes Musterbeispiel ist die radikale Veränderung der Geschäftsführung der Raiffeisen Leasing. Das seit 2001 von Peter Engert als Sprecher zusammen mit Michael Ohner und Karlheinz Sandler geleitete Unternehmen verzeichnete einen kontinuierlichen Aufschwung.
Vor diesem Hintergrund überraschte die Meldung, dass die Raiffeisen Leasing neben einer neuen Struktur auch ein neues Führungsteam erhält. Ab ersten Oktober leiten Alexander Schmiedecker (bisher Chef der Bawag PSK Leasing) sowie die aus der Raiffeisen Bankengruppe stammenden Christoph Hayden und Michael Hackl die Geschäfte der als Holding neu aufgestellten Gesellschaft.
Kuriosum am Rande: In der Branche wird gemunkelt, Engert sei abgelöst worden, weil er sich in puncto E-Mobilität und Alternativenergie zu weit aus dem Fenster gelehnt hätte. Um in dem Bereich weiter einen Fuß in der Tür zu haben, soll der Ex-Chef von Raiffeisen Leasing allerdings ermutigt werden, sich mit Finanzhilfe des Konzerns in dieser Sparte selbständig zu machen. Rücksichtl und Vorsichtl gehören offensichtlich zum Geschäftsmodell von Raiffeisen.
Am meisten fällt allerdings ins Gewicht, dass es speziell der Bankengruppe des Konzerns immer wieder gelingt, die Steuerquote niedrig zu halten. Für die Gewinne werden Unternehmen dieser Art per Körperschaftssteuer in der Nennhöhe von 25 Prozent zur Kasse gebeten. Nach Berechnungen der Arbeitkammer machte die tatsächliche Steuerbelastung der Kreditbranche jedoch lediglich 7 Prozent aus.
Dass es Raiffeisen noch wesentlich besser kann, hat Hans Weiss im «Schwarzbuch Landwirtschaft Die Machenschaften der Agrarpolitik» belegt. Dort heißt es: «In den Jahren 2006 bis 2008 verbuchten alle österreichischen Raiffeisen Landesbanken (ohne RZB und RBI) zusammen Gewinne in der Höhe von rund 19 Milliarden Euro. Dafür bezahlten sie Steuern von rund 19 Millionen Euro. Das ergibt einen Steuersatz von exakt einem Prozent.»
Den Vogel schoss dabei die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien ab: Trotz eines Gewinns von 739 Millionen Euro erhielt sie eine Steuergutschrift über 21,6 Millionen Euro. Was zwangsläufig an Bertolt Brechts «Dreigroschenroman» erinnert: Was ist ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank!