Ein roter FadenAugustiner:in

Foto: © Mario Lang

Augustinerin Oksana Maslova

Für die Innsbrucker Straßenzeitung 20er schrieb ich Essays. Sónia Melo vom ­Augustin gefielen die und sie schlug vor, dass ich ein Essay für den Augustin schreibe. Ich schrieb über meine Heimatstadt Odesa und die Zerstörung durch den Krieg (Augustin Nr. 587). Das war mein Beginn mit dem ­Augustin. Ich schätze es sehr, dass ihr Platz für meine Texte über die Ukraine und mein Theaterstück (Wie den Frühling beschwören?, Augustin Nr. 593) gefunden habt.
Geboren wurde ich in ­Odesa, mein ganzes Leben hat sich in ­Odesa abgespielt. Ich liebe meine Stadt. Sie ist nicht so alt wie manch andere europäische Städte, aber wir haben auch Geschichte – berühmte Literatur, Kino, Kunst, und du kennst sicher die Treppe aus dem Film Panzerkreuzer Potemkin. Als Kind habe ich dort oft gespielt. Eine Zeit lang lebte ich in einem Haus, in dem Isaak Babel gewohnt hat.
In Biologie habe ich einen Mastertitel. Seit frühester Kindheit war ich interessiert an der Frage: Warum benehmen sich Menschen auf diese oder jene Weise? Diese Frage ist ein roter Faden durch mein Leben. Im Journalismus fragte ich: Warum ­machen Sie das? Und im Kommunikationsmanagement fing ich von der anderen Seite her an – wie schaffe ich einen Text, der eine Reaktion beim Leser hervorruft. Dann fand ich, das hat zu wenig Form, und fing an, literarische Texte zu schreiben.
Als Russland den Krieg begann, sollten wir die Stadt verlassen. Dann bekam ich eine Einladung für eine Art Residency in Wien. Dadurch konnten ich und meine Tochter hierherkommen. Derzeit arbeite ich an einer Performance über ukrainische Frauen und ihre inneren Veränderungen. Der Titel lautet Who am I becoming. Anfang September ist eine Performance im Volkskundemuseum geplant.
Meine Tochter ist sehr glücklich hier. Jeden Morgen sagt sie: Ich will in die Schule gehen. In meiner sowjetischen Erziehung hatte ich keine guten Schulerfahrungen. In vielen Museen in Wien gibt es auch pädagogisches Material, das ist wichtig für meine Tochter. Im Naturhistorischen Museum arbeitete sie z. B. mit dem menschlichen Körper. Und jetzt kennt sie alle deutschen Ausdrücke für die verschiedenen Körperteile.
Vor ein paar Tagen hatte ich ein Gespräch mit einer sehr netten Frau. Wir sprachen über Kultur und sie sagte: «Ukrainer:innen schauen immer so traurig.» Ich sagte: «Wir lächeln Personen nur an, wenn wir Freunde werden wollen.» Das sind kulturelle Differenzen, denke ich. Ich würde die Leute auffordern, andere einfach anzusprechen, auch wenn sie nicht lächeln. So beginnt gute Kommunikation.