Ein sicherer Job?tun & lassen

Schikanen. Willkürliche Wegweisungen durch Security-Personal vor Supermärkten sowie Polizeikontrollen und hohe Geldstrafen. AUGUSTIN-Verkäufer_innen mussten in der Coronakrise einiges einstecken. Ein Bericht.

Text und Foto: Ruth Weismann

Krisenzeiten treffen Menschen in prekären Situationen besonders hart. Es betrifft alle, die jetzt arbeitslos wurden, und jene, die durch den Härtefonds fallen. Es betrifft Angehörige von Minderheiten, wovon nicht nur der zu Beginn der Coronakrise an die Oberfläche schwappende Rassismus gegen Menschen mit asiatischem Aussehen zeugte. Es betrifft chronisch Kranke, die zur Risikogruppe gehören, wovon etwa viele Mindestsicherungsbezieher_innen betroffen sind, wie die Armutskonferenz in einer Studie erhob. Die 12. Armutskonferenz, die kurz vorm allgemeinen «Lockdown» Mitte März in Salzburg stattfand, warnte demnach auch: «Corona trifft die Ärmsten.»
Zu diesen Ärmsten gehören auch Verkäufer_innen von Straßenzeitungen, die auf ihr ohnehin geringes Einkommen angewiesen sind. Neben sehr viel Solidarität, die es in den letzten Wochen gegenüber Augustin-Verkäufer_innen gab, mussten einige von ihnen aber auch Schikanen erleben: Willkürliche Wegweisungen durch Security-Personal vor Supermärkten sowie Polizeikontrollen und hohe Geldstrafen.

Sicherheit für wen?

«CoV: Security-Firmen suchen Personal», titelte orf.at am 18. April und berichtete, dass Securitys nun ­Super- und Baumärkte bewachen. In der Tat, in mehreren Supermärkten sieht man sie, seit Abstandsregel und Maskenpflicht gelten, im Eingangsbereich stehen. Sie kontrollieren Zutritte, manchmal desinfizieren sie Einkaufswägen und geben Schutzmasken aus. Im Artikel wird Branchensprecher Peter Krammer mit folgenden Worten zitiert: «Der Vorteil für die Geschäfte liegt darin, dass angemietetes Personal entsprechend geschult ist, Situationen verbal und nonverbal zu deeskalieren.»
Ein paar Augustin-Verkäufer_innen, die die Zeitung vor Supermärkten anbieten, haben allerdings gegenteilige Erfahrungen gemacht, wie eine Sozialarbeiterin, die beim Augustin arbeitet, erzählt: «Wir wissen von ungefähr fünf oder sechs Fällen. Da haben Securitys bei Supermärkten nicht nur auf die Einhaltung von Maskenpflicht und sicherem Verhalten geschaut, sondern gemeint, dass die Verkäufer_innen da überhaupt nichts verloren hätten während der Coronazeit. Sie haben die Leute einfach weggeschickt oder genötigt, dass sie gehen. Teilweise sogar mit der Androhung, die Polizei zu holen.»
Es half auch nichts, wenn Verkäufer_innen betonten, dass sie hier seit langem verkauften, und das Papier vorwiesen, das belegte, dass das Gesundheitsministerium den Verkauf der Straßenzeitung ausdrücklich billigt. Sie sollten dennoch gehen, so die Sozialarbeiterin. «Die Mitarbeiter_innen von Supermärkten kriegen das oft gar nicht mit, wie die Securitys agieren. Das passiert vor der Tür. Wir haben Filialeiterinnen angerufen, die davon nichts wussten.»

Rassistischer Übergriff.

Das bestätigt ein zweiter Augustin-Sozialarbeiter. Die Security-Mitarbeiter_innen würden über die Supermarkt-Zentralen engagiert. Die Leiterin einer Markt-Filiale, mit der er wegen eines groben Übergriffs auf einen Kolporteur gesprochen hatte, habe nicht einmal gewusst, wie der Security-Mitarbeiter vor der Tür heißt und welche Firma ihn beschäftigt. Dieser Vorfall Mitte April war noch dazu nicht «nur» ein Wegweisen, sondern ein rassistischer Übergriff an einem Kolporteur, der aus einem afrikanischen Land stammt. «Als ich den Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst zum ersten Mal getroffen habe, habe ich ihm erklärt, dass ich seit mehreren Jahren hier verkaufe», erzählt der betroffene Augustin-Verkäufer, der anonym bleiben möchte. «Er sagte, ich soll in mein Land zurückgehen. ‹Gemma heim, gemma heim›, sagte er. Und er hat mir sehr beleidigende Ausdrücke an den Kopf geworfen. Ich habe im Augustin-Büro davon erzählt, und sie haben die Filialleiterin angerufen. Danach hat er das nicht mehr gemacht, seit kurzem ist er nicht mehr da. Ich verkaufe weiter dort und habe keine Probleme.» Laut dem Sozialarbeiter ging der Security in Krankenstand, nachdem die Filialeitung zugesichert hatte, sich darum zu kümmern.

Die Angemessenheit von Strafen.

Das eigenmächtige Handeln der Securitys ging insofern noch glimpflich aus, als es nicht den Verlust des Verkaufsplatzes oder andere Konsequenzen bedeutete. Wenn aber die Polizei ins Spiel kommt, kann das schlimmer enden. Ein paar Verkäufer_innen sahen sich – unabhängig von den Vorfällen mit dem Sicherheitsdienst – mit empfindlich hohen Geldstrafen konfrontiert.
Mehr als 16.000 Anzeigen aufgrund von Verstößen gegen die Covid19-Verordnung gab es in Österreich bereits Anfang April. Laut Innenminister Nehammer betrafen die meisten Fälle die Nichteinhaltung des Mindestabstandes. Jener «Tatbestand», der auch bei den betroffenen Kolporteur_innen zu Strafen führte. In einem Fall 360, in zwei Fällen 500 Euro. Summen, die schon für manche Normalverdienende schwer zu bezahlen sind. Für jemanden, der sich täglich hinstellt, um eine Straßenzeitung um 2,50 Euro feilzubieten, erst recht.

Angstmache?

Dass es offenbar keine an Lebensrealitäten orientierte Angemessenheit des Strafrahmens gibt, ist das eine, große Problem. Wie der Tatbestand bewertet wird, das andere. Gehören zum Mindestabstand nicht zumindest zwei Personen? Wie leicht ist festzustellen, wer Schuld hat? «Die Polizei lügt, ich habe den Abstand eingehalten», sagt einer der Betroffenen, der ebenfalls anonym bleiben möchte. Der Polizist, der ihn beim Nichteinhalten des Mindestabstandes während des Zeitungsverkaufs beobachtet haben will, war ihm schon letztes Jahr auf den Fersen. «Er hat mich öfters kontrolliert. Es ging ums Aufenthaltsrecht.» Damals hatte er schon einmal eine Strafe bekommen, die er bezahlte. Eine Weile sei dann Ruhe gewesen. Doch mit Corona kam auch der Polizist wieder. Und anscheinend ein neuer Grund, eine Geldstrafe zu verhängen.
Aus Angst vor der Krankheit, aber auch aus Angst vor Strafen und Polizeikontrollen hatten sich einige Augustin-Verkäufer_innen aus afrikanischen Ländern mit Eintreten der Covid19-Verordnung dazu entschieden, vorerst nicht zu verkaufen. Wer Rassismus- und Armutserfahrung hat und zusätzlich Abschiebungen fürchten muss, den trifft diese Krise besonders hart. 

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