«Ein wesentlicher Beitrag»tun & lassen

20 Jahre Freie Radios

14 Freie Radios senden seit 20 Jahren in Österreich. Auch Radio AUGUSTIN. Mit der Geschäftsführerin des Verbands Freier Radios Österreich, Helga Schwarzwald, sprach Ruth Weismann. Foto: Ian Ehm.

Die Freien Radios feiern heuer ihr 20-jähriges Jubiläum. Was hat sich seither verändert?

Es ist ein schöner Erfolg für uns, dass es nach 20 Jahren legal senden 14 Freie Radios in Österreich gibt. Alle der nicht-kommerziellen Privatradios, die je begonnen haben, on air zu gehen, sind immer noch on air. Es gibt also einen recht nachhaltigen freien Rundfunksektor und auch viele Leute, die nachkommen. Die trotz Internet, wo es ja viele Möglichkeiten gibt, seine Meinung öffentlich kundzutun, das doch sehr restriktive Medium Radio nutzen wollen. Restriktiv deswegen, weil Radio immer eine behördliche Zulassung braucht. Man kann nicht einfach so beginnen, ohne in der Illegalität zu sein, wie früher die Piratensender zu Zeiten des Rundfunkmonopols. Das ist bei Printmedien anders. Was wir uns auf die Fahnen heften, ist, dass die Öffnung des Zugangs zum terrestrischen Rundfunk damals wesentlich von den freien Radios initiiert wurde.

Ein Gewinn für die mediale Vielfalt also?

Ich glaube schon, dass die Freien Radios eine wesentliche Bereicherung für die Meinungsvielfalt sind. Man darf nicht vergessen, dass Österreich im europäischen Vergleich eines der Länder mit der höchsten Medienkonzentration ist. Mehr als 60 Prozent des Medienmarktes sind in der Hand von vier Unternehmen. Printmedien besitzen ja auch Radio- und Fernsehkanäle, und dieser Umstand kann sich auch auf die Berichterstattung auswirken. Die nicht-kommerziellen Lokalradios sind eigenständige Organisationen und wissen, was in ihrem Versorgungsgebiet an Potenzial und Informationsbedarf da ist. Sie bieten eine große Diversität und Programm in vielen Sprachen, wie es am ehesten der Vielfalt der in Österreich lebenden Bevölkerung entspricht.

Wie steht es um die Finanzierung der freien Medien?

Mir ist es ein Anliegen zu betonen: Wir als Freie Radio- und TV-Stationen sind Rundfunkveranstalter_innen. Denn da ist der Regulierungszusammenhang ein anderer, als wenn ich ein Webradio mache. Die Freien Radios machen ein Drittel der Privatradios in Österreich aus. Förderung ist nicht nur finanziell zu verstehen, sondern bezieht sich auch auf Regulierungsgeschichten. Wir brauchen von der Politik eine Anerkennung unserer Arbeits- und Funktionsweise und der Differenzierung der zwei Bereiche – kommerziell und nicht-kommerziell – und dementsprechend eine Optimierung der Rahmenbedingungen. Da geht es etwa darum, Frequenzen zu sichern oder Übertragungstechnologien zugänglich und leistbar zu machen. Auf der finanziellen Seite gibt es seit einigen Jahren den Fonds zur Förderung des nicht-kommerziellen Rundfunks, das ist eine große Errungenschaft, für die wir hart gearbeitet haben. Davor gab es praktisch keine Förderung von Bundesseite, wir mussten sehr prekär arbeiten. Der Fonds hat zur Professionalisierung beigetragen und die Arbeitsbedingungen verbessert. Aber er ist seit Jahren gleich, es gibt keine Inflationsanpassung. Der Fonds muss angepasst werden, wir sind da am Plafond angelangt.

Bezüglich des ORF läuft ja auch gerade die Debatte, wie er finanziert werden soll. Was ist Ihre Position dazu?

Zum einen ist es so, dass wir zwar formal-rechtlich den Privatradios zugerechnet sind, aber von unserer Arbeit her Medienproduktion im Dienste der Öffentlichkeit machen. Insofern gibt es da inhaltlich eine gewisse Nähe zum Öffentlich-Rechtlichen, weil wir glauben, dass das Bestehen demokratischer Öffentlichkeit nicht nur kommerziell gelöst werden kann. Darum sind wir grundsätzlich sehr dafür, dass es einen von politischen Parteien unabhängigen, starken ORF gibt. Das ist leider in der derzeitigen Form nicht realisiert. Momentan wird er auch mehr denn je angegriffen, und damit die demokratische Öffentlichkeit in ihrer Kraft geschwächt. Wir sind aber auch der Meinung, dass es Reformen geben müsste. Zum Beispiel scheint die Organisation der Beteiligung der Bevölkerung in Form des Publikumsrats doch recht überholt. Da sind sicher andere Modelle wünschenswert. Es sollte dazu eine Diskussion unter Einbindung der Höhrer_innen und Seher_innen stattfinden. Der ORF sollte auch breitere Bevölkerungsschichten miteinbeziehen und schauen, dass er diversere Redaktionen bekommt, denn wenn ich nur die Mehrheitsbevölkerung zu mir sprechen höre, dann entspricht das einfach nicht der gesellschaftlichen Realität, und man braucht sich nicht wundern, wenn die Menschen dann das Programm nicht hören oder sehen wollen.

Das Symposium Ende Mai beschäftigt sich unter anderem mit dem Herstellen einer medialen demokratischen Öffentlichkeit. Was genau bedeutet das?

Die österreichische Rundfunkgesetzgebung ist immer noch darauf aufgebaut, dass man davon ausgeht, es gibt so etwas wie eine repräsentative Demokratie. Das Volk geht wählen und delegiert an die Parteien. Die Medien bilden das dann in Proportion zu den gewählten Akteur_innen ab. Aber viele wissenschaftliche Belege weisen darauf hin, dass sich die Bevölkerung immer mehr zu einer partizipativen Demokratie entwickelt. Das hat unter anderem mit dem medien- und kommunikationstechnologischen Wandel zu tun, aber auch mit einem Wertewandel. Die Leute vertrauen nicht mehr so auf die Parteien. Darauf muss reagiert werden. Im Sinne einer demokratischen Öffentlichkeit ist es notwendig mediale Räumen zu schaffen, die nicht hauptsächlich Geld abwerfen sollen, sondern einen Diskursfreiraum eröffnen. Die konstruktive Berichterstattung über die Welt bieten und nicht nur Ausschnitte eines sehr kleinen Blickwinkels. Natürlich gibt es im ORF auch eine breitere Perspektive, aber vieles, was weltpolitisch und gesamtgesellschaftlich relevant ist, kommt dort nicht zum Tragen. Das öffentlich geförderte Medienangebot muss so gestaltet werden, dass nicht nur hegemoniale Positionen Platz haben, sondern dass es egalitärere Möglichkeiten der Partizipation gibt.

Spüren auch Sie bei den freien Radios einen Druck durch den Rechtsruck?

Noch nicht, aber die Bundesförderung für die Freien Radios wurde schon einmal von einer schwarz-blauen Regierung auf null gekürzt. Das könnte natürlich wieder passieren.

Was halten Sie von der von Medienminister Gernot Blümel geplanten Medien-Enquete?

Ich finde die Initiative durchaus positiv. Natürlich bin ich nicht so naiv, um nicht zu wissen, dass auch hier politische und wirtschaftliche Faktoren eine enorme Rolle spielen. Aber ich schätze es, dass jemand sagt, wir müssen mal grundsätzlicher die Verhältnisse und den Medienwandel diskutieren. Was dann am Ende aufgrund der politischen Verhältnisse rausschaut, ist eine andere Frage, aber die Initiative an sich finde ich gut, und dass wir dazu eingeladen sind, finde ich ein positives Signal.

Seit einiger Zeit kursiert die Idee einer gemeinsamen Plattform des öffentlichen und privaten Rundfunks. Wie stehen sie dazu?

Es kommt darauf an, was das Ziel dieser Plattform ist. Ich vertrete ja mit dem Verband Freier Radios Österreich auch die Radiothek der Freien Radios, das Cultural Broadcasting Archive – eine der größten österreichsichen On-Demand- und Austauschplattformen. Wir haben uns immer stark im Bereich gemeinnütziger Medienarchive, Zugang zu Wissen, Sicherung von kulturellem Erbe, von zeitgeschichtlicher Dokumentation engagiert. Insoferne sind wir dafür, dass Inhalte, die mit öffentlichem Geld produziert werden, möglichst breit den interessierten Nutzer_innen zugänglich sind. Bei der Plattform-Idee, die jetzt immer wieder auftaucht, sehe ich die Gefahr, dass sie letztlich zu stark aus einer Marktlogik heraus getrieben ist. Aus unserer Sicht wäre nicht erstrebenswert, dass der ORF seine Inhalte zur Weiterverwertung primär kommerziellen Privatsendern zur Verfügung stellt, sondern wir wünschen uns zum Beispiel, dass das ORF-Archiv tiefer und breiter zugänglich wird; die Beschränkungen auf der Mediathek etwa noch mal unter die Lupe genommen werden; und man auch schaut, dass die Produktionen der Freien Sender ihrem Zielpublikum mehr ins Blickfeld geraten. Was gibt es an gemeinnützigem Wissensangebot für die Bevölkerung? Es ist natürlich schon so, dass privat-kommerzielle Sender durchaus auch sehr gute Dinge in den Mediendiskurs hineinbringen. Aber ich würde über diese Plattform unbedingt den Public-Service-Gedanken stellen und ernst nehmen.

 

• Die Tagung Media Democracy under Pressure –Community Medien in Europa findet am 22. Mai in Wien statt, es sprechen u. a. Helga Schwarzwald, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbandes Österreichichscher Privatsender.

Ort: Institut für Publizistik, Uni Wien

Zeit: 12–19 Uhr

Infos: freie-radios.at

fb-Veranstaltung

Eintritt frei
 

• 20 Jahre Freie Radios und 20 Jahre Radio AUGUSTIN auf Radio Orange.

Das feiern wir am 8. Juni im Hof des AUGUSTIN-Hauses, Reinprechtsdorfer

Straße 31.

Herzliche Einladung!