«Ein wesentlicher Teil von mir»vorstadt

Lokalmatador

Hazem Al Afif hilft Kindern: ehrenamtlich im AKH sowie als hochambitionierter Zahnarzt.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Wie alt bist du? Welche Farbe ist deine Lieblingsfarbe? Was isst du gerne? Hast du eine Lieblingsserie im Fernsehen? Es sind einfache Fragen wie diese, mit denen er das Vertrauen seiner Gegenüber gewinnt. Der junge Mediziner findet aber auch deshalb einen guten Zugang zu den Kindergarten- und Volksschulkindern, weil er in ihrer Sprache mit ihnen reden kann.
Hazem Al Afif ist einer jener gut ausgebildeten Menschen in Wien, die in der Lage sind, sich in mehr als einer Sprache fließend zu unterhalten. Mit seinen 28 Jahren kann er auf ein bewegtes Leben aufbauen: «Ich wurde in der Ukraine geboren, weil mein Vater dort studiert hat, bin im Süden von Syrien aufgewachsen, habe Zahnmedizin in Damaskus studiert, und Chemie in Paderborn.»
Deutsch hat er zuvor in Berlin gelernt. Österreichisch lernt er seit 2017 in Wien. Er lächelt: «Parallel zu meiner Nostrizfizierung.»

Wiener Modell.

Die Kinder, denen er gemeinsam mit der Sprachforscherin Brigitte Eisenwort gegenübersitzt, kommen meist mit einer Zuweisung von schulpädagogischen oder medizinischen Fachleuten in die Ambulanz für Pädiatrische Psychosomatik. Diese ist in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde angesiedelt.
In dem Nebengebäude am Südgarten des AKH soll nun abgeklärt werden, ob die Mankos der Kinder beim Sprechen, Schreiben, Lesen krankheits- oder milieubedingt sind.
«Ihre Eltern haben oft keine Ahnung, wie es um sie bestellt ist», weiß Hazem Al Afif, der aufgrund seiner Muttersprache (Arabisch) auch schnell einen Draht zu den Erwachsenen findet. Deren größtes Problem: «Sie können zu wenig Deutsch.»
Die rechte Hand der Frau Professor ist einer von mehreren Freiwilligen, die in der Klinik aushelfen. Ihre Sprachkenntnisse sind die Basis in dieser speziellen Form der Diagnose, die international als «Wiener Modell» wertgeschätzt wird.
«In den Interviews trage ich große Verantwortung», weiß der Freiwillige. «Ich muss heraushören, was ein Kind in seiner Muttersprache beherrscht und was nicht.» Stolz ist er jedoch auf jemand anderen: «Die Frau Professor macht hier einen so wunderbaren Job. Immer wieder gelingt es ihr, benachteiligte Kinder doch noch für eine Ausbildung zu retten.»

Wiener Traum.

Kinder auf Augenhöhe ansprechen, ihnen genau zuhören, ihnen damit so gut es geht helfen, das ist für Hazem Al Afif auch als Zahnarzt wichtig. Vor wenigen Tagen ist es ihm gelungen, sein Studium, das er schon in Syrien abgeschlossen hatte, nach weiteren fünf Semestern am Wiener AKH für Österreich zu nostrifizieren. Er kann somit den Sprung vom Assistenten zum Zahnarzt vollziehen: «Das war immer mein Traum. Ich liebe diesen Beruf.»
In der Ordination will er die Kinder möglichst nicht für ihr weiteres Leben verschrecken. «Ich weiß, wie unangenehm das ist», sagt der Mediziner. «Ich hatte selbst ein traumatisches Erlebnis mit einem Zahnarzt in meiner Kindheit.»
Ähnlich wie zu Beginn der Sprachdiagnosen holt er die kleinen Patient_innen dort ab, wo sie gerade stehen, beantwortet Fragen, erklärt, zeigt ihnen alles, bevor sie ihren Mund für die Behandlung öffnen.
Sein Vater und seine Mutter arbeiten schon länger in Wien. Das ist ein Grund, warum der junge Mann hier gelandet ist. Geblieben ist er jedoch aus einem anderen Grund: «Ich hatte wirklich eine gute Zeit in Deutschland, aber Wien ist für mich wunderbar.»

Wiener Wunder.

Hazem Al Afif war selbst Kind in der Stadt as-Suwaida im Südwesten von Syrien. «Irgendwie hat der Krieg in meiner Heimat einen Bogen um uns gemacht.» Deshalb ist er nicht als Flüchtling nach Europa gekommen. Er sagt: «Ich bin auch in Wien, weil ich hier meine Ausbildung finalisieren konnte.»
Da er nicht um Asyl angesucht hat, darf er zu Beginn seiner ärztlichen Karriere noch keine eigene Praxis eröffnen. Das Gesetz erlaubt ihm zunächst einmal nur, in einem Zahnambulatorium als dort angestellter Zahnarzt zu arbeiten. Seine große Hoffnung: «Dass ich bald eine Stelle in Wien finde.»
Als Zahnarzt hat er bereits ein Jahr in Syrien gearbeitet. Zuletzt konnte er Erfahrungen in zwei Wiener Ordinationen sammeln. Er sieht sich auch noch nicht am Ende seiner Ausbildung: «Mich interessiert unter anderem die ästhetische Zahnmedizin und die Zahnchirurgie.»
Wird er dann für die Sprachdiagnose am AKH verloren gehen? Mitnichten! Freundlich, aber bestimmt schüttelt Hazem Al Afif seinen Kopf, dann sagt er: «Ich habe mit 16 begonnen, als Sanitäter ehrenamtlich zu arbeiten. Von Anfang an habe ich gewusst, dass anderen Menschen helfen ein wesentlicher Teil von mir ist.»