Augustinverkäufer Emmanuel
Ich habe 2003 angefangen, den Augustin zu verkaufen, das war mein erstes Jahr in Österreich. Am Anfang war es nicht leicht. Plötzlich findest du dich in einem laufenden System wieder, das du nicht mal verstehst. Du fällst hin, stehst wieder auf. Ich habe Deutschkurse besucht, den Hauptschulabschluss und meinen Führerschein gemacht. Als ich mir ein Auto besorgen konnte, habe ich angefangen zu arbeiten. Manche glauben nicht, dass man mit einer Straßenzeitung überleben kann. Aber mir hat das Verkaufen geholfen, mich selbst zu versorgen und in die österreichische Gesellschaft zu integrieren.
Aber es ist nicht nur der Zeitungsverkauf – auf meinem Weg habe ich viele Freund_innen kennengelernt, die die Reise leichter machen. Die Leute, die wir zu Anfang kennen lernen, haben einen großen Einfluss. Ich hatte das Glück, in ein gutes Umfeld zu kommen. Ich habe gesehen, dass auch andere Leute hier neu sind und ich nicht alleine bin. Also ermutigt man sich gegenseitig und stellt sich der Zukunft.
Ich glaube, es gibt überall auf der Welt rassistische Menschen, sogar in meinem eigenen Land. Aber deshalb vergesse ich nicht, dass es auch Menschen gibt, die helfen und deine Situation verstehen. Die Liebe, die gute Menschen mir gezeigt haben, hilft mir, über den Hass hinwegzusehen. Nicht jede_r Österreicher_in ist rassistisch, und nicht jede_r Nigerianer_in ist Drogenhändler_in. Man sollte jedem eine Chance geben. Vielleicht hat die Person etwas, was sie zur Gesellschaft beitragen kann. Wir müssen einander eine Chance geben. Eine Chance, sich auszudrücken, eine Chance, zu leben.
Diese Pandemie und was in letzter Zeit passiert, ist nicht normal. Die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte. Die Welt braucht Frieden. Und Frieden kann es nur geben, wenn wir lieben. Und Liebe wird voll ausgedrückt, wenn wir einander Freiheit geben, uns gegenseitig tolerieren. Aber zuerst müssen wir Frieden in uns selbst finden. Wir müssen vergeben, auch wenn wir verletzt werden. Das Leben ist voller Höhen und Tiefen, und das braucht Flexibilität. Wenn ich Probleme habe, bete ich zuerst. Und dann schaue ich mich um: Was sind meine Möglichkeiten? Zuerst schaue ich in mich und ermutige mich selbst, und dann gehe ich raus und versuche, meine Situation zu ändern.
Ich bin dankbar, denn ich wüsste nicht, wie ich und so viele andere ohne den Augustin hier überlebt hätten. Das werde ich nicht vergessen. Ein großes Dankeschön an alle, die hier arbeiten, und die coolen Augustin-Verkäufer_innen!
Protokoll: Sylvia Galosi
Foto: Mario Lang
Ein Porträt von Emmanuel sendet Radio Augustin auf Orange 94.0 am 21. Mai um 15 Uhr (danach auf www.cba.fro.at abrufbar).
Auch im Augustin TV wird Emmanuel zu sehen sein. Der Termin wird bekanntgegeben. www.okto.tv