Einbetonierte LuftArtistin

Das 21er Haus zeigt Arbeiten der Bildhauerin Rachel Whiteread

Damals war es eine fürchterliche Aufregung. Ohne Simon Wiesenthal würde es das Mahnmal von Rachel Whiteread am Wiener Judenplatz wohl gar nicht geben. Der kämpferische Überlebende Simon Wiesenthal hatte 1994 gegen Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Faschismus protestiert, an dem er dessen jüdische Figur als «Fortschreibung der Demütigung» interpretierte.

Foto: Johannes Stoll 

Der Auftrag für ein eigenständiges Mahnmal gegen die Shoah war daher, ein nicht figürliches Mahnmal zu bauen. Die internationale Jury entschied sich 1996 für die britische Künstlerin Rachel Whiteread, die damals noch sehr jung und eher unbekannt war. Doch die ganze Debatte dauerte sehr lange, bis Herbst 2000, denn Teile der jüdischen Gemeinde wollten lieber die alte Synagoge freilegen und von oben her zugänglich machen. Die Lösung, dass die Synagoge nun vom Museum aus zugänglich ist, ist aber auch sehr schön. Die Synagoge wirkt wie aus der Erde herausgeschält und hat etwas Altes, Mystisches, Kompaktes, das am hellen Tageslicht nicht so gut zu erkennen wäre.

Rachel Whiteread hatte ein leerstehendes, verlassenes Haus in London von innen her ausbetoniert (House, 1993). Und so die Menschenspuren sichtbar gemacht, verschwundene Menschen visualisiert – eine beklemmende, atemberaubende Arbeit, die aber auch irgendetwas Tröstliches hat. Es folgten der Raum unter Stühlen und unter Tischen, eine Art Gegenraum zu den realen Gegenständen. Sie meinte, sie hätte sich als Kind im Kleiderschrank versteckt – Luft in einem Schrank, als Beton sichtbar geworden. Auch wenn Wiesenthal selbst Architekt war und seine Ausbildung wegen den Nazis abbrechen musste, bleibt es erstaunlich, dass er sich für so ein modernes, abstraktes Mahnmal einsetzte. Doch es fing für ihn wohl genau die Beklemmung und die Trauer ein, das Nicht-atmen-Können, das Luftanhalten, das Nicht-atmen-Dürfen, das Nicht-leben-Dürfen. «Das Denkmal könne», meinte Wiesenthal damals, «kein jüdisches Denkmal, es müsse ein österreichisches sein. Schließlich haben sich die Juden ja nicht selbst umgebracht.»

Im 21er Haus sind nun legendäre Arbeiten Whitereads zu sehen. Wie die bunten Räume unter Sesseln, Untitled (Twenty Five Spaces), 1995, oder die wunderschöne «Badewanne» ohne Funktion, Untitled (Yellow Bath), 1996. Mit der Geburt ihrer Kinder tauchten Farben in Whitereads Arbeiten auf, ein Umstand, den sie nicht mehr infrage stellen möchte, der sie aber verwunderte. Ihre Arbeiten im öffentlichen Raum und ihr Atelier sind im Katalog zu besichtigen. Statt der ehemaligen freischwebenden Holztreppe im 21er Haus ist nun Whitereads Betonierung der Unterräume einer Treppe, die ins Nichts führt – Untitled (Stairs), 2001, bzw. Untitled (Domestic), 2002 – zu bewundern. Mit einer geisterähnlichen Ausstrahlung. Lauter «Ghosts».


www.belvedere21.at/rachel_whiteread