«Eine Art Normalität»tun & lassen

In Kontakt bleiben. Mit Freund_innen kommunizieren. Gemeinsam Spaß haben. Für Jugendliche ist das seit jeher wichtig. Über Sicherheit im Netz und was es bedeuten würde, auf diese Medium zu verzichten, erzählen zwei Expert_innen.

Text & Interviews: Ruth Weismann

Schimpften die Eltern früher über die Fernsehsucht ihres Nachwuchses, ist das heute die Internetabhängigkeit. Die (ehemals fernsehsüchtige) Generation, die ohne Smartphone aufwuchs, wirft ihren Kindern regelmäßig vor, zu viel mit gebeugten Schultern überm Handyscreen zu hängen. Dabei vergisst sie oft, dass die heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht umsonst «digital natives» genannt werden. Sie haben den Umgang mit dem einstmals «neuen Medium» Internet mit dem Flascherl aufgesogen. Was nicht heißt, dass es keine Gefahren gibt. Rund ein Drittel aller 11- bis 18-Jährigen haben bereits Erfahrungen mit Gewalt und sexueller Belästigung im Internet gemacht, wie eine Studie herausgefunden hat (s. S. 6–7). Darüber reden, was wer wie im Netz machen sollte und was nicht, muss also Teil von Alltag und Schule sein. Aber nach Gesprächen mit Teenagern zeigte sich dem AUGUSTIN ein Bild von Kids, die kompetenter in digitalen Sphären sind, als manch älteres Semester vielleicht glauben mag.

Nina, 13 Jahre

Seit wann verwendest du das Internet?
Ungefähr seit ich zehn bin. Seit dem Gymnasium habe ich ein Handy.
Wofür nutzt du dein Handy?
Ich verwende das Handy hauptsächlich in meiner Freizeit, zum Nachrichtenschreiben mit meinen Freunden. Ich habe Instagram, WhatsApp und TikTok. Auf TikTok schaue ich mir aber nur Videos an, ich poste selbst nichts.
Und auf Instagram?
Da poste ich schon, aber mein Account ist privat. Nur meine Freunde können sehen, was ich poste. Ich mag es nicht, wenn fremde Leute meine Sachen anschauen.
Was postest du am liebsten?
Fotos von Reisen oder von meinen Freunden, eher so etwas.
Bekommst du auch Anfragen von Leuten, die du nicht kennst?
Ja, sehr oft eigentlich. Mir wollten mal innerhalb von ungefähr drei Wochen 60 Leute folgen. Ich weiß gar nicht, warum. Aber die habe ich alle weggedrückt.
Hast du schon mal ungute Erfahrungen im Netz gemacht? Zum Beispiel, dass dich jemand belästigt oder unangenehme Nachrichten geschickt hat?
Nein, eigentlich nicht. Einmal hat mir jemand Fremder eine direkte Nachricht geschrieben: ‹Check meine Seite aus.› Aber den habe ich weggedrückt. Und einmal wurde ich auf Instagram auf einer Sexwebsite verlinkt, obwohl ich nichts damit zu tun hatte. Aber das ist schon einigen meiner Freunde passiert. Ich habe das gleich bei Instagram gemeldet.
Sprecht ihr in der Schule darüber, was im und durch das Internet alles passieren kann und wie man sich am besten schützt?
Ja, jedes Jahr kommt ein Typ von Saferinternet.at und erzählt uns etwas. Aber er sagt eigentlich immer das Gleiche, seit der ersten Klasse.
Was erzählt er euch?
Er zeigt uns Videos, er fragt uns, was unsere liebste Social-Media-Plattform ist, erzählt, was man darf und was nicht und so weiter. Ein bisschen wie dieses Interview jetzt. Und er hat uns Nummern gegeben, die wir anrufen können, wenn Mobbing im Netz oder Ähnliches passiert.
Kennst du Mobbing-Fälle im Netz aus deinem näheren Umfeld?
Erstaunlicherweise nicht. Also, meinen Freunden und mir ist noch nichts passiert. Ich fühle mich eigentlich sicher.
Kannst du dir ein Leben ohne Internet vorstellen?
Nicht wirklich. Also, ich kann es mir schon vorstellen, aber mir würde die Einfachheit fehlen. Zum Beispiel, wenn ich etwas wissen möchte für die Schule, dann kann ich schnell googeln. Sonst müsste ich zur Bibliothek gehen und stundenlang nach einem Buch suchen, wo dann vielleicht nur ein Satz drinnen steht, der das beschreibt. Mir würde auch abgehen, meine Freunde im Videotelefonat anzurufen, wenn ich sie lange nicht gesehen habe.

Amelie, 16 Jahre

Seit wann nutzt du Internet?
Ich habe mit zehn Jahren mein erstes Handy bekommen, meinen ersten Instagram ­Account mit elf. Dann sind immer mehr Apps dazugekommen.
Was machst du alles am Handy?
Jetzt während der Quarantäne bin ich viel auf Houseparty. Das ist eine App, auf der man mit seinen Freunden kommunizieren kann, das ist mir gerade das Wichtigste. Man kann mit bis zu acht Personen in einem Raum sein, via Video, und den Raum auch schließen. Aber man kann auch irgendwelche Leute joinen. Manchmal mache ich das zum Spaß. Es ist aber nicht so, dass man fremde Leute kennenlernt, man sieht nur Leute, die mit einem Kontakt von dir in einem Raum sind, man lernt also Bekannte von Bekannten kennen. Und sonst bin ich gerne auf Instagram.
Wofür nutzt du Instagram?
Ich schaue mir gerne Kochvideos an, auch DIY-Sachen, und – ich bin ja selber Tänzerin – auch viele Tanzvideos. Einfach zum Inspirieren.
Postest du auch Selfies?
Ja doch, auch von mir selber poste ich solche Sachen.
Hast du dich im Netz je unsicher gefühlt, oder bist in unangenehme Situationen geraten?
Ich selber nicht wirklich, aber ich kenne eine Geschichte von einer Freundin, wo ich dabei war. Es gibt ja immer diese Leute, die einen anschreiben. Da war so ein 19-jähriger Junge bei ihr. Es hat sich dann herausgestellt, dass das kein 19-jähriger Junge war. Ihre Eltern kamen drauf, dass sie ihm schreibt, und haben sein Profil im Internet eingegeben und bei der Polizei gemeldet. Dann hat sich herausgestellt, dass er über 40 ist. Die Sache war vor Gericht, aber ich weiß nicht, wie er verurteilt wurde. Er hat Fotos von ihr verlangt und so was. Das war damals auf der Plattform Kik.
Aber dir ist sowas noch nie passiert?
Nein. Also natürlich, man kriegt immer wieder unseriöse Angebote auf Instagram, und auch Fotos, die man nicht haben will. Ich habe ja knapp 1000 Abonnenten, und schaue nicht genau, wer mich abonniert. Ich kriege halt manchmal komische Nachrichten. Aber ich habe keine Angst, weil ich nicht so viel preisgebe von mir. Man hat das ja früh genug gelernt, dass man das nicht soll.
Was gibst du von dir preis?
Ich würde nicht sagen, dass ich mich wirklich einschränke, ich poste Tanzen, ich poste Singen, und auch wenn ich essen bin mit Freunden. Ich sehe keine Gefahr darin, solange man nicht Kontakt aufbaut mit einer fremden Person und dieser sagt: ‹Ok, ich bin grad da und da›, oder vielleicht etwas postet, wo ganz klar ist, wo man sich gerade befindet. Ich habe auch meinen Nachnamen nicht drin, nur meinen Vornamen.
Du sagtest, du hast früh genug über Verhalten im Netz gelernt. Wo hast du das gelernt?
Wir hatten immer wieder Workshops in der Schule. Da haben Leute erzählt, was ihnen passiert ist. Und ich habe viele Erfahrungen bei Freunden beobachtet, und dadurch gelernt, wie vorsichtig man sein muss. Ich habe auch mit meinen Eltern schon früh viel darüber geredet. Darum habe ich, als ich mein erstes Handy bekam, nicht gleich Instagram bekommen, da musste sich erst Vertrauen aufbauen. Als meine Eltern gemerkt haben, dass ich voll aufpasse, wem ich schreibe, wem ich antworte und wen ich annehme, war das kein Thema mehr. Am Anfang hatte ich mein Profil privat, aber dadurch, dass ich Tänzerin bin und ich mehr Leuten Zugriff auf mein Profil verschaffen wollte – man kann ja immer entdeckt werden –, habe ich es öffentlich gestellt. Es wurden schon so viele Leute auf Instagram entdeckt, man weiß nie, was kommt. Und es ist auch nett, wenn man Freunde von Freunden kennenlernt, die geben deinen Namen dann auf Instagram ein und finden dich sofort. Ich habe schon ganz oft Leute gefunden. Zum Beispiel, wenn ich auf einer Geburtstagsfeier war und Leute kennengelernt habe, die ich nett gefunden habe, dann habe ich auf Instagram die Namen eingegeben. Mit denen bin ich jetzt gut befreundet.
Kennst du Leute, die mit Cyber-Mobbing oder Erpressung konfrontiert waren?
Als wir 13 Jahre alt waren hatten wir so eine Phase, in der wir einen YouTube-Kanal bespielt haben, da hatten alle Videos oben. Und da gab´s dann Leute in den Nebenklassen, die extra Hater-Pages erstellt haben. Aber das wurde auch nicht so ernst genommen. Es war kindisch, und die Seiten waren eh nicht wirklich aktiv. So richtig Cyber-Mobbing habe ich noch nicht mitbekommen. Ich kenne natürlich solche Geschichten, die viel zu weit gingen, aber in meinem Freundeskreis hatten wir das noch nie. Man erfährt ja auch immer wieder von Geschichten, wo das dann ins reale Leben übergegangen ist.
Also du hast das Gefühl, dass du gut darüber informiert bist, wie man sich schützt?
Ja, das würde ich schon sagen. Mittlerweile sind wir ja auch in einem Alter, wo jeder seit ein paar Jahren Instagram und andere Apps hat, jeder hat schon komische Nachrichten bekommen, man weiß inzwischen, wie man sich verhalten muss und was man von sich preisgeben kann.
Kannst du dir ein Leben ohne Internet vorstellen?
Nein, eigentlich nicht. Aber nicht, weil es mir so wichtig ist, etwas von mir selber zu posten oder mir etwas anzuschauen, sondern weil Internet einfach ein wichtiger Kontakt zu Freunden ist. Man sieht, was sie gerade machen. Vor allem jetzt während der Quarantäne ist es so erfrischend zu sehen, was die Freunde tun oder wo sie sind. Und eben Houseparty. Dadurch hat man eine Art Normalität. Man hört ja immer wieder: ‹Jugendliche sind so süchtig nach Internet›, aber das empfinde ich nicht so. Ich finde, man lernt viel Neues und man lernt auch im Internet, wie man sich im Internet zu verhalten hat. Es gibt viele wichtige Informationen, ich erfahre viel Spannendes, was ich davor nicht wusste.

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