Eine beneidenswerte EheDichter Innenteil

Nein, ich glaube nicht, dass meine Geschichte etwas Besonderes ist, es gibt leider auch schlimmere. Aber erst jetzt bin ich in der Lage, darüber zu reden. Ein paar Wunden werden nie heilen und bleiben mir für immer erhalten. Allerdings muss ich zu meiner Geschichte erwähnen, dass ich heuer den Sechziger feierte.

Geboren bin ich in Bratislava und seit einundvierzig Jahren lebe ich in Wien. Um meine Kindheit zu verarbeiten auch damit kämpfe ich noch bis heute.

Meine Mutter war achtzehn, als sie mit mir schwanger wurde. Damals musste man heiraten und das hält sie uns Kindern, nach mir bekam sie noch drei Söhne, immer vor, als ob wir schuld daran wären, dass ihr Leben verdorben war. Das einzige Schöne, was wir Kinder von unseren Eltern bekamen, waren unseren Vornamen, sonst nichts. Ich bin überzeugt, dass unsere Eltern ihren gegenseitigen Hass auf uns übertrugen, weil sie jede/r aus ihrer/seiner Sicht nicht den Mut hatten, sich zu trennen.

Anzeigen gegen Eltern, die ihre Kinder misshandeln, waren damals nicht üblich, Schläge gehörten sozusagen zum täglichen Leben. Einmal nach einer ärztlichen Schuluntersuchung, wo wir alle vier Geschwister mit blauen Flecken übersäht waren, schaltete sich die Behörde doch ein. Ich und meine Brüder baten die Zuständigen, dass sie uns ins Kinderheim stecken. Sie sprachen mit den Eltern und das wars. Hörigkeit und Schuldgefühle, das war die Folge meiner Erziehung. Zuhause mussten ich und meine Brüder, von Kochen angefangen, alles machen, obwohl die Mutter zu Hause war. Die Anerkennung dafür waren Watschen und Schläge mit Kochlöffel, Ledergürtel etc.

Von Beruf bin ich Friseurin, schon als Lehrling musste ich mein Lehrgeld samt Trinkgeld zuhause abliefern. Bei einem Fest lernte ich meinen Mann kennen, er war ein Österreicher aus Wien, fünfzehn Jahre älter als ich, gerade frisch geschieden, keine Kinder. Kurz gesagt, er kam dann an jedem Wochenende, und nach fast einem Jahr haben wir geheiratet. Ob ich wirklich verliebt war? Schwer zu sagen, schlimmer als bei meinen Eltern kann es doch nicht sein, dachte ich. Und so kam ich nach Wien.

Ich als Opfer meiner Naivität

Die Eltern meines Mannes hatten ein Textil- und Elektrogeschäft. Sie waren Jahrgang 1909, also ungefähr so alt wie meine Großeltern. Sie hielten sich für etwas Besseres, ich durfte nicht mit allen Menschen reden, nur mit denen, die für sie auch gut genug waren, und das waren verdammt wenige. Mein Schwiegervater hat in Wirklichkeit nie gearbeitet, alles hatte die Schwiegermutter in der Hand. Mein Mann war ein Einzelkind und Kaufmann von Beruf. Nach Wien gekommen, musste ich sofort im Geschäft fleißig helfen, was ich auch gerne tat, weil Arbeit egal welcher Art machte mir Spaß. Nicht dass jemand denkt, dass ich mir im goldenen Westen Wohlstand ohne Arbeit erwartet habe. Aber es war so, dass mein Mann von seiner Mutter für meine Arbeit vor meinen Augen Geld kassierte. Komisch, es hat mich insoweit nicht gestört, als ich dachte: Was solls, es ist für uns. Gekleidet wurde ich von der Schwiegermutter, wie erwähnt hatte sie auch ein Textilgeschäft. So ging es vielleicht ein Jahr lang, dann hat sich mein Mann wegen Geld mit seinen Eltern zerstritten und er kaufte einen Obst-Gemüsestand. Den hatten wir nur drei Jahre, es war viel Arbeit.

In der Zeit war ich nur krankenversichert, weil es zu teuer gewesen wäre, wenn er auch für meine Pension Geld hätte einzahlen müssen. Danach war mein Mann ein Taxiunternehmer, ich ging arbeiten in meinem Beruf, also als Frisöse. Freiwillig lieferte ich mit Stolz mein ganzes verdientes Geld ab, in meiner Naivität dachte ich, dass es für uns sei und wenn man eine Kuh melken will, muss man sie zuerst füttern! Dass meine Kuh ein Ochse war, kapierte ich erst später.

Mit meiner Hilfe war er mein Tyrann

Sommer- und Winterurlaub machte mein Mann alleine, weil es zu zweit zu teuer sein würde und weil er über mehr Freizeit als ich verfügte. Aktiv widmete er sich auch seinen Hobbys Segeln, Jagen und Fliegen. Mit mir ins Theater, Konzert oder Kino zu gehen, das war nicht drin. Zum Heurigen ging er mit mir und er bestimmte, was ich da trinken und eventuell sogar essen darf. In meiner Ehe hatte ich keinerlei Mitsprachrecht, meine Aufgaben waren: folgen, brav sein und kuschen. Mein Mann hat mich nie geschlagen, es war seelische Grausamkeit, die er auf mich all die Jahre hindurch ausübte, er entwickelte sich eigentlich mit meiner Hilfe zum Tyrannen.

Am Abend zu Hause, als ich mit der Arbeit fertig war, löste ich lieber Kreuzworträtsel als mit ihm fernzusehen. Dann habe ich angefangen zu stricken. Als er entdeckte, dass ich für meine dreijährige Nichte stricke, kam es zu einem Streit, er empfand es als vorwurfsvolle Anspielung darauf, dass wir keine Kinder haben.

Apropos Kinder, unsere vier Kinder hatten keine Chance, auf die Welt zu kommen, ich war gezwungen, alle abzutreiben. Ein Kind, meinte er jedes Mal, passt jetzt nicht in das Programm seiner Pläne und Träume. Verhütung oder Antibabypillen lehnte er ab, weil ihm der Sex dadurch keinen Spaß machen würde und es unnötig viel Geld kostete, außerdem, wie er dazu noch meinte, könne er eh aufpassen. So habe ich mein Kinderwunsch verdrängt, ich habe trotzdem eine beneidenswerte vorbildliche Ehe geführt, man hat uns beneidet.

In Wirklichkeit war ich eine Null, er brüstete sich auch vor unseren Bekannten damit, dass alles, was wir hatten und was wir uns leisten konnten, nur sein Verdienst war, schließlich hätte ich in die Ehe nichts eingebracht. Mein Kinderwunsch war gestrichen, meine Wünsche, so klein sie auch finanziell waren, blieben unerfüllt. Ich fühlte mich in jeder Hinsicht immer mehr bevormundet. Aus reiner Neugier, ohne Hintergedanken, habe ich angefangen, das Geld, welches ich tagtäglich in den Ehetopf gab, schriftlich festzuhalten, es kam eine schöne Summe zusammen. Irgendwann kriegte es mein Mann mit. Er machte mir eine fürchterliche Szene und warf mir vor, dass ich ihn kontrolliere. Das war der Anlass, über die Ehe nachzudenken. Da ging mir der Knopf auf.

Happy End mit Einschränkungen

Der Auslöser für meine Scheidung war ein Schmalzbrot! Es war so: An einem Sonntag kamen wir zum Heurigen, ich sah da Schmalzbrote und sagte meinem Mann, dass ich Hunger habe und zum Wein ein Schmalzbrot essen möchte. Nein, antwortete er, wir haben zu Hause gekocht, ich dürfe essen, wenn wir daheim sind. Obwohl ich die ganzen Jahre arbeitete, nie arbeitslos was, mein ganzes verdientes Geld in die so genannte gemeinsame Kassa warf, durfte ich mir nicht mal ein Schmalzbrot für zehn Schilling kaufen. In dem Moment war mir klar: Jetzt ist es so weit, ich bin endgültig entmündigt und ich muss etwas für mich tun.

Dann kam eine Gruppe von Bekannten und der Tisch war voll mit Essen. Eine Frau gab meinen Mann die Schwarte von ihrem Schweinsbraten, er teilte sie, ich dachte, er würde mir die Hälfte davon geben, aber er gab sie einer anderen Frau. Einer unserer Freunde meinte im Gespräch, dass wir eine vorbildliche Ehe führten und dass ich sehr brav sei. In dem Zustand, in dem ich in diesem Moment war, nahm ich das Wort brav als Trottel auf. Niemand mehr dürfe zu mir Trottel sagen, regte ich mich auf. Der Betroffene und alle wollten mich überzeugen, dass das Wort Trottel nie gefallen sei. Ich schrie: Mein ganzes Eheleben hörte ich: Du bist so brav also ein Trottel, das reicht jetzt! Da haben sie alle geschaut. Zum ersten Mal handelte ich selbständig.

Gleich am nächsten Tag setzte ich mich zum Telefon und informierte mich, was für eine einvernehmliche Scheidung zu tun sei, weil einen Anwalt konnte ich mir nicht leisten. Nachdem ich über alles aufgeklärt wurde, suchte ich eine Wohnung, Glück gehabt. Es kam zu einer Aussprache mit meinem Mann, der Inhalt war nur, was er mir nach achtzehn Jahren Ehe zu geben bereit sei. Die ganzen Finanzen hatte ja er in der Hand. Die Summe, die er mir zu geben bereit war, war lächerlich klein, weil wie er betonte ich noch jung genug sei und noch genug Geld verdienen könne. Der Anteil von ihm reichte für die Wohnungsablöse, was er zu meinem Glück damals nicht wusste. Deswegen war meine Antwort: Der Trottel nimmt und geht!

Ich wusste, dass er mir den kleinen Betrag in der Hoffnung angeboten hat, dass es mir zu wenig sein und es deshalb nicht zur Scheidung kommen würde.

Er täuschte sich. Heute bin ich glücklich, weil ich weiter gearbeitet habe und nach und nach alles, was ich brauche, geschafft habe. Seit Anfang des Jahres bin ich in Pension, die Jahre, in denen ich nicht angemeldet war, haben mir gefehlt, meine Pension ist klein, aber trotzdem bin ich zufrieden. Nächstes Jahr werde ich groß meinen glücklichen silbernen Scheidungstag feiern. Eine neue Partnerschaft kommt für mich nicht in Frage, weil ich fürchte, dass mich meine Kinder- und Ehezeit so geschädigt haben, dass ich sozusagen den besten Mann verderben würde.

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