Von 22. bis 28. Juni wird beim Theaterfestival E Bistarde für die Sichtbarkeit der Rom:nja in der Kunst gefeiert. Wir haben mit Festival-Kuratorin Simonida Selimović über fehlenden Zugang, Klischees über Rom:nja und ihre Demontage gesprochen.
Sie haben Romano Svato mitaufgebaut. Warum und was macht der Verein?
Simonida Selimović: Romano Svato ist der erste und einzige Roma-Theaterverein in Österreich, der Kunst über unsere Community, auch mit der Mehrheitsgesellschaft, produziert, vor allem mit denen, die am Rande stehen. In den letzten Jahren haben wir uns mit Feminismus, Kapitalismus, Migration und Utopien beschäftigt, aber auch mit der Aufarbeitung der Roma-Historie. Die Roma haben keine Standardisierung des Romanes. Es gibt zwar Wörterbücher mit verschiedenen Dialekten. Es wurden sehr wenige Geschichten und Biografien der Roma von ihnen selbst niedergeschrieben. Meist haben Nicht-Roma (Gadje) über sie geschrieben. Romano Svato will das ändern. Ich selbst habe jetzt Stücke über Heldenfiguren in der Roma-Community geschrieben und inszeniert. Diese Helden und Heldinnen sind auch in der Mehrheitsgesellschaft bekannt, aber die meisten wissen nicht, dass sie Roma sind. Oder sie sind im Alltag zu wenig präsent.
Wie ist es, in Österreich Teil der Rom:nja-Community zu sein?
Unsichtbar ist man! In der Community wissen es die meisten, aber wenn ich auf der Straße nicht gerade einen langen Rock und Zöpfe trage oder bettle, wird man mir nicht ansehen, dass ich Romni bin. Ich selber habe erst sehr spät begonnen, in der Öffentlichkeit darüber zu reden. Das ist nicht so normal, wie wenn man in Frankreich im Urlaub ist und sagt: «Ich bin Österreicherin» oder «Ich bin Serbin». Das würde mir leichter fallen. Als Romni muss ich immer erklären: «Ja, Gypsy», vielleicht sogar das Z-Wort umschreiben, und sagen «Ja, wir sind eine Minderheit».
Außerdem muss ich immer erklären, was mich als Romni ausmacht. Ich glaube, diese Frage bekommen nur Minderheiten gestellt. Das nervt manchmal. Wenn du sagst, du bist Österreicherin, wird dich niemand fragen: Was macht einen Österreicher genau aus?
Sie kuratieren das Festival «E Bistarde – Vergiss mein nicht», das Ende Juni im Dschungel Wien zum vierten Mal über die Bühne geht. Was ist da zu erwarten?
Roma sind in der Kunst viel zu unsichtbar, arbeiten oft nur als Einzelpersonen. Mir fehlte in Österreich ein Festival, wo Roma international zusammenkommen und einfach Kunst machen. Die meisten glauben, Kunst von Roma muss Gefiedel mit der Geige am Lagerfeuer sein und Frauen in Röcken tanzen sexy dazu. [lacht] Aber das ist es nicht! Es gibt auch Schauspieler:innen, Rapper:innen, bildende Künstler:innen, Performance-Künstler:innen, Drag Kings & Queens … Es gibt alles Mögliche, was Roma genauso sind. Nicht nur das eine Klischeebild. Ein solches wird durch dieses Festival demontiert.
Welche anderen Bilder sind denkbar?
Es wird auch immer so viel Armut gezeigt. Armut ist natürlich ein großes Problem. Aber sie betrifft vielleicht 10 bis15 Prozent der Roma. Wir sind nicht homogen. Österreich hat auch neun Bundesländer und die Menschen sprechen verschiedene Dialekte. Warum sollten die Roma nicht verschiedene Dialekte sprechen? Und warum müssen Roma alle anderen Roma kennen? Es gibt eh nur über 20 Millionen von uns! Und genauso gibt es gute Menschen, und auch solche, die nicht so gute Sachen machen. Wir sind ein Teil Europas, ohne dass wir gesehen werden. Unsere Sprache stirbt zunehmend aus, weil Roma stigmatisiert werden. Die Menschen schämen sich, unsere Sprache zu sprechen und sie weiterzugeben.
Wie war es, im Jahr 2018 ein Rom:nja-Festival zu starten?
Anfangs sind wir auf viel Widerstand gestoßen. Die Fördergeber haben gefragt: «Wieso muss ein Festival eine Woche lang dauern? Das kann man ja auch an einem Tag machen.» Aber ein Festival heißt so, weil es über einen längeren Zeitraum geht. Warum dauern die Wiener Festwochen einen Monat?
Solche Fragen kommen auf, weil man mir nicht auf Augenhöhe begegnet. Man muss sich immer beweisen, mehr als andere Vereine, dass es eh gut läuft und dass man eh die Abrechnung gut macht.
Anfangs fand «E Bistarde» an für Rom:nja historisch wichtigen Orten statt, wie dem Gasthaus Birner oder der Romawiese. Diesmal im Dschungel Wien. Was hat sich daran verändert?
Wir sind mit dem Festival jetzt das zweite Jahr im Dschungel Wien und wir freuen uns, dort sein zu dürfen. Das ist für Wien schon mal ein Fortschritt!
Anfangs wollten wir dezentrale Orte bespielen: Im Gasthaus Birner wurden früher Roma-Hochzeiten gefeiert. Es war ein wichtiger Treffpunkt, ein Ort, an dem viele Roma gelebt hatten, wo sie ihre Häuser hatten. Die Romawiese war eine Lagerwiese, wo Roma vor dem Zweiten Weltkrieg gelebt haben, bevor sie nach Mauthausen und Auschwitz deportiert worden sind. Daran wollten wir erinnern. 2018 wurde dort ein temporäres Mahnmal errichtet, ein Roma-Wagen, den wir bis heute immer wieder aufstellen.
Die letzten zwei Jahre wollten wir aber einen zentralen Ort bespielen. Das macht es für uns Theatermacherinnen organisatorisch einfacher und wir erlangen so auch mehr Sichtbarkeit.
Was erwartet uns bei dem Festival konkret?
Eröffnet wird das Festival mit der Theater-Performance Roma Slavery. Es handelt von der 500 Jahre andauernden Versklavung der Roma und wie sie Auswege gefunden haben. Dann haben wir Lindy Larsson zu Gast, mit seinem Stück Tschandala. Er nennt das «The shame of Sweden», die jahrzehntelange Diskriminierung der Roma. Es gibt eine Drag-Show von Athene Atlas. Es kommt Emanuel Barica, ein supertoller Künstler, der ein neues Kunstwerk für das temporäre Mahnmal kreiert. Pretty Loud ist eine Rap-Frauengruppe, die richtig tolle Beats mitbringt und super Texte schreibt.
Wir haben Leute aus Schweden, Serbien, Deutschland, Rumänien, Ungarn. Bei E Bistarde wird man zeitgenössische Kunst erleben, keine Klischees. Zum einen geht es darum, Menschen und ihre Kultur kennenzulernen, die vielleicht ihre Nachbarn sind – und so auch Vorurteile abzubauen. Zum anderen wollen wir internationale Kunst zeigen.
Wie niederschwellig ist der Zugang für Rom:nja in die Kunst?
Durch Social Media wie TikTok, haben Leute angefangen, Storys und Reels zu erstellen, die ihre Sprache, Musik und Kultur widerspiegelt. Aber natürlich kann hier nicht alles gemacht werden.
Institutionen sind für Roma immer schwer zugänglich, weil die eher für die weiße Mehrheitsgesellschaft gemacht sind. Und Roma gehen nicht gern in weiße Institutionen rein, weil es einfach zu viel Rassismus gibt. Und warum soll man ins Theater oder Konzert gehen, wenn meine Kultur dort gar nicht widergespiegelt wird? Es gibt kaum positive Rollenbilder für Roma. Netflix produziert mittlerweile ein bisschen auf Türkisch und Kurdisch, auch Schwarze sind sichtbarer geworden. Die Schwarze Community tut sich jetzt auch mit den Roma zusammen.
Nichtsdestotrotz sind wir Roma trotzdem an letzter Stelle. Es ist schwer, Zugang zu kriegen und sich wohlzufühlen, weil Sprache und Role Models fehlen. Auf unserem Festival E Bistarde sind sie aber auf jeden Fall zu finden!
E Bistarde – Vergiss mein nicht
22. – 28. Juni
Dschungel Wien
7., Museumsplatz 1
www.dschungelwien.at/festival-e-bistarde
www.romanosvato.at