Augustinverkäufer Henry
Ohne den Augustin hätte ich viele Jahre keine Arbeit gehabt. Er hat mir und meiner Familie geholfen, ein Leben in Wien aufzubauen und negative Gedanken und Gefühle zu reduzieren. Mein Asylprozess war sehr mühsam und langwierig. Ich habe mein Visum erst nach zwölf Jahren bekommen und musste mit dem Geld, das ich mit dem Augustin verdient habe, Anwälte bezahlen.
Als ich mit dem Verkaufen angefangen habe, wurde ich stark verurteilt. Manche Leute sehen mich als jemanden, der ungebildet und faul ist, und nicht als Menschen. Aber ich will nicht klassifiziert werden. Wenn jemand die Zeitung verkauft, heißt das, dass er sich aufgrund seiner Situation dazu entscheidet. Wenn das Erwünschte nicht erreichbar ist, wird das Erreichbare zum Erwünschten.
Du musst dir deinen Platz aufbauen, an dem du die Zeitung verkaufst. Ich habe in Nigeria Banking und Finanzen studiert, also habe ich gelernt, wie man Beziehungen zu Kund_innen aufbaut. An meinem Verkaufsplatz war meine Intention nicht nur, die Zeitung zu verkaufen, sondern ich wollte auch Menschen helfen. Ich habe einige Menschen zusammengebracht – getrennte Paare, Kinder, die von zuhause abgehauen sind, Familien. Dadurch ist viel Vertrauen entstanden, was mir den Weg geebnet hat.
Jetzt habe ich eine erweiterte Familie um mich. Sie sind eine sehr starke Stütze für mich, ebenso wie meine Kinder. Sie kennen meine Probleme und finden Lösungen. Während Corona haben sie mir geholfen, die Miete zu zahlen, und meine Kinder in der Schule unterstützt. Ich bin eine Berühmtheit an meinem Platz. Auf dem Weg vom Bahnhof winken mir schon viele zu. Auch die lokalen Politiker_innen und die Mitarbeiter_innen vom Supermarkt bei meinem Verkaufsplatz kennen mich und sind hilfsbereit. Wenn du deinen Platz zu einem guten Platz machen willst, brauchst du Disziplin und musst freundlich und offen für Diskussionen sein.
Es ist nicht so, dass wir keine Arbeit bekommen könnten. Manchmal disqualifizieren dich der Ort, wo du herkommst, oder die Farbe deiner Haut. Der Anerkennungsprozess für meinen Studienabschluss ist zu schwierig, deswegen möchte ich gerne eine Ausbildung zum Koch machen, auch wenn das nicht meinem akademischen Hintergrund entspricht. Ich wünsche mir, dass ich etwas lernen kann, durch das ich etwas zur österreichischen Gesellschaft beitragen kann, denn sie hat mir geholfen.
Protokoll: Sylvia Galosi
Foto: Mario Lang