eine fortsetzung der geographie eines gewissen monsieur max ichuDichter Innenteil

drei geschichten aus dem erzählzyklus von thomas fürth

seit tagen regnete es fische. manchmal auch kühe. es kam auf das gleiche heraus. man wunderte sich zunächst, fragte sich, wie es dazu gekommen war. und gewöhnte sich dann flugs daran.

monsieur max ichu trug seinen schwarzen anzug wie einen leuchturm vor sich her. bescheiden ging er dreieinhalb schritte hinter ihm. so bewegten sich die beiden durch die breite straße auf das einsame haus zu.

doch nur mühsam gelangten sie zu dem haus. denn manchmal versteckte sich das haus in einer augenkuhle. und einmal lief es monsieur max ichu und seinem schwarzen anzug sogar davon. so weit lief es voraus, dass monsieur max ichu es nicht mehr riechen konnte.

dann standen sie endlich vor dem haus. eigentlich war es nur eine frei stehende hausfassade. doch das hatten der schwarze anzug und monsieur max ichu aus der ferne nicht sehen können.

immer diese plötzlichen und ständig sich wiederholenden veränderungen der gegenstände und ihrer geographie, dachte sich monsieur max ichu. damit kam er nun wirklich nur sehr schwer zurecht.

monsieur max ichu getraute sich daraufhin eine zeit lang nicht, sich zu bewegen. er musste sich der neuen begebenheit erst anpassen. gerade regnete es fische und kühe.

erst viel später entnahm monsieur max ichu seiner rechten hosentasche ein kleines tintenfass, öffnete es mit einer rohrzange, die er unter seinem hut hervorholte, und bespritzte die mauer des hauses mit der tinte.

auf der hausmauer zeigte sich sogleich ein farbklecks. er hatte die form einer ratte. der kopf der ratte war federlos. sein restlicher körper war gelb.

nun war es am schwarzen anzug, sein werk zu vollrichten. der schwarze anzug zog eine säge unter seinem anzugsjackett hervor und begann die ratte aus der hauswand herauszusägen. er beeilte sich sehr, denn er wollte wieder ins trockene kommen. die ratte machte während der operation keinen pieps.

sobald die ratte aus der hausmauer herausgesägt worden war, streichelte monsieur max ichu ihr sogleich über ihren kopf. auch wollte er ihr noch sagen, dass sie keine angst zu haben brauchte, dass sie ohnehin nur im kochtopf landen werde. doch monsieur max ichu kam nicht mehr dazu. unverzüglich nahm die ratte nämlich reißaus und flog zwischen den herabregneten fischen und kühen davon.

 

monsieur max ichu trat an das wasserbecken heran und betrachtete die ente, die in dem wasserbecken gemächlich im kreis schwamm.

er dachte darüber nach.

so dachte er darüber nach, dass er an das wasserbecken herantrat und die ente betrachtete, die in dem wasserbecken gemächlich im kreis schwamm.

monsieur max ichu sah sich die schwimmende ente betrachten. er sah sich darüber nachdenken.

das verwirrte ihn doch etwas.

deshalb wollte er aufhören, darüber nachzudenken, dass er darüber nachdachte, dass er an ein wasserbecken herangetreten war, um einer ente zuzuschauen, die im kreis schwamm.

da ihm auf die schnelle nichts besseres als mögliches heilungsmedikament als die farbe rot einfiel, dachte monsieur max ichu an die farbe rot, um nicht mehr an das wasserbecken und die im kreis schwimmende ente denken zu müssen. doch sogleich wurde die ente in dem wasserbecken eine rote ente, obgleich sie eigentlich eine gelbe ente war. damit hatte monsieur max ichu nicht gerechnet.

monsieur max ichu dachte daraufhin an ein auto. ein befreundeter arzt hatte ihm einmal diesen medizinischen rat für solche kniffligen situationen gegeben. doch sogleich schwamm die rote ente nicht mehr in einem wasserbecken, sondern in einem auto ihre kreise.

woraufhin monsieur max ichu an ein quadrat zu denken begann, da er es fürwahr nicht aushielt, dass die rote ente in einem auto kreise schwamm. doch da hatte er sich schwer verrechnet. denn die rote ente begann nun im auto in quadraten zu schwimmen. das sah recht seltsam aus.

und es verwirrte monsieur max ichu noch viel mehr.

monsieur max ichu wurde deswegen immer verzweifelter. er sah keinen ausweg mehr. denn er dachte jetzt darüber nach, dass er darüber nachdachte, dass eine rote ente in einem auto quadrate schwamm. und er sah sich darüber nachdenken, dass er darüber nachdachte, dass er darüber nachdachte.

ihm graute davor, weiterhin diese gedanken denken zu müssen. er verfluchte seinen befreundeten arzt, dass keiner dessen ratschläge ihm half. er begann zu taumeln.

da fragte ihn plötzlich die rote ente, ob er nicht mit ihr eine spritztour mit dem auto machen wolle. in seiner verzweiflung nahm er die einladung an. er stieg zu der gelben ente in das wasserbecken und friedlich begannen die beiden im kreis zu schwimmen.

das denken von monsieur max ichu hörte sogleich auf zu denken.

ein haus ohne augenscheinliche fenster und verstand trat an das wasserbecken heran und betrachtete die ente und monsieur max ichu, die in dem wasserbecken gemeinsam gemächlich im kreis schwammen.

das haus begann darüber nachzudenken. es fing sofort feuer und flamme.

und brannte zur gänze nieder.

 

——

einmal schenkte monsieur max ichu seiner frau eine sehr lange papierschere. er wollte ihr damit eine freude bereiten. er wollte ihr damit die zeit verkürzen. und er dachte bei sich, dass eine schere der richtige und vor allem ein vernünftiger zeitvertreib sei.

die papierschere war ein deutsches fabrikat mit einer soliden schneidefläche. monsieur max ichu wollte nicht bescheiden sein. für meine frau nur das beste, sagte er immer.

doch monsieur max ichu wusste in diesem moment der persönlichen hingabe nicht, was sein geschenk in seiner frau auslösen würde.

zwei tage schaute seine frau das geschenk nicht an. zwei tage schaute sie auch ihren mann nicht an. im grunde tat sie zwei tage rein gar nichts. monsieur max ichu sah sich sogar gezwungen in ein speiselokal essen zu gehen.

monsieur max ichu begann sich über seine frau gedanken zu machen. es waren wie immer milde gedanken.

am dritten tage geschah dann das unerwartete.

die frau von monsieur max ichu nahm die schere zur hand. sie lachte kurz ihr fröhlichstes lachen, das monsieur max ichu so sehr mochte. dann eilte sie ins wohnzimmer davon. monsieur max ichu folgte ihr.

dort sah er seine frau zwischen der couch und dem einen fenster, zwischen dem sekretär und dem anderen fenster, zwischen dem vertrockneten ölgemälde ihrer mutter und der hirschgeweihstehlampe hin und her eilen. sie machte jagd auf die fliegen und versuchte sie mit der langen papierschere in zwei teile zu schneiden.

habe ich euch, kommentierte sie altklug. geschieht euch recht, riefen ihre augen jauchzend. damit ihr es nur wisst, schnippte die papierschere durch das wohnzimmer, dessen luft mit einem mal den atem angehalten zu haben schien.

monsieur max ichus mund fügte jedes mal ein sanftes «ja doc» hinzu. er verhielt sich seiner frau gegenüber wie immer empfindsam und gutmütig.

die zeit flog nur so dahin. wie auch die frau von monsieur max ichu nur so dahinflog. und auch alle fliegen flogen auf der flucht vor der langen papierschere so dahin.

nur monsieur max ichu flog nicht dahin. er hatte sich auf einem der beiden fauteuils niedergelassen. er fühlte sich ein wenig erschöpft.

 

 

drei monsieur max ichu-texte erschienen bereits im AUGUSTIN 476

 

thomas fürth. geboren in holland. seit über 50 jahren ein dasein in wien. bibliothekar.

er könnte monsieur max ichu sein, ist es aber nicht. oder womöglich doch?