Eine ganz normale NachkriegseheArtistin

Roman

Aurora und Modesto entscheiden sich sehr plötzlich, ein gemeinsames Leben zu führen. Modesto sieht Aurora zum ersten Mal, als sie am Bahnhof ­ihren Vater verabschiedet, der mit den Partisanen gekämpft hatte. Nach allem, was kaputt gemacht wurde von dem langen Krieg, der an diesem 10. März 1946 hinter ihnen liegt, packt Modesto die Chance auf ein neues Leben am Schopf. Er wird Aurora ­erzählen, dass auch er bei den Partisanen war. Sie werden heiraten. Und sie werden die Normalität einer faden Ehe genießen. Bis Modestos Sicherheit eines Tages ins Wanken gerät. Ein anonymer Brief weist darauf hin, dass jemand weiß, was die Welt doch längst ­vergessen haben sollte.
Mit der dichten Atmosphäre in Jorjolianis Erstling, Du bist in einer Luft mit mir, über die Freunde Dimitri und Viktor, die sich nur über eines im Leben verhängnisvoll uneinig sind – die russische Revolution –, kann der neue Roman nicht mithalten. Dass er in Italien, wie der Klappentext sagt, «für Aufsehen gesorgt» hat, glaubt man aber gern: Aus österreichischer Perspektive ist der Undercover-Ex-Nazi mit nachkriegstauglichem Parteibuch einfach keine Seltenheit, die eines ganzen Romans bedarf. Der ­erinnerungspolitischen Debatte über das Selbstverständnis des italienischen Antifaschismus muss das viel mehr wehtun.

Ruska Jorjoliani: Drei Lebende, drei Tote
Aus dem Italienischen von ­Barbara Sauser
Rotpunktverlag 2021
240 Seiten, 24,50 Euro