Musikarbeiter unterwegs … mit Klassik, Kreativität und Commons
Roxanne Szankovich spielt ihr Instrument, seit sie fünf Jahre alt ist. Im Mai dieses Jahres hat sie die CD «VioLiebe» veröffentlicht. Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto)
Dem Musikarbeiter begegnet im Lauf der Zeit eine Fülle unterschiedlicher Musik und unterschiedlichster Umgangsformen damit. Booker_innen und Jounalist_innen können wohl Bibliotheken mit Büchern füllen, die von völlig von sich eingenommenen Musiker_innen und deren Vertreter_innen handeln. Dieser Menschenschlag ist von geradezu penetranter und einspruchsresistenter Kommunikationshartnäckigkeit, die mitunter an Nötigung grenzt. Was dann zu oft dazu führt, dass mensch trotz Bedenken die betreffende Musik in question doch für ein Konzert bucht oder mit einem Artikel, einem Review bedenkt, was das Elend und Leid dann noch verstärkt. Von wegen «Musik kann nicht wehtun» … Schöner zu erzählen sind allemal die Geschichten, wo einem die Kommunikationsfähigkeit, die selbstsichere Entschlossenheit eines Gegenübers dabei helfen, sich auf etwas einzulassen, was mensch sonst so nicht wahrgenommen hätte. Roxanne Szankovich operiert mit einer Homepage, die den Begriff «toxic violin» verwendet, und ohne einen damit zu erschlagen, transportiert sie mit den Infos zu ihrem musikalischen Projekt VioLiebe Themen, die über die küstlerische Selbstdarstellung hinausgehen – das Veröffentlichen von Musik unter einer Creative-Commons-Lizenz, die sich der herkömmlichen Copyright-Logik verweigert, und mit einem dezidierten feministischen Anspruch. Das schafft und belohnt Neugier.
My Front Garden
Beim Interview erzählt die 33-jährige, in Niederösterreich geborene Musikerin von den Livekonzerten zu und mit VioLiebe. «Ich habe für jedes Lied ein Requisit dabei, bei ‹My Front Garden› etwa einen Gartenzwerg, bei einem Lied, das von illegaler Abtreibung handelt, ein Kondom und Stricknadeln.»
Schon offenbart sich, dass der Begriff von Liebe, den Szankovich mit ihrem Liveprogramm und der gleichnamigen CD künstlerisch reflektiert, ein weitgefasster ist. «Frauenfeindlichkeit, Gewalt und Geschlechternormierungen verzerren, wie in der Realität, so auch in diesen Liedern, das Antlitz der Liebe. Doch funkeln die Strahlen des Rubins immer wieder hervor:
Da, wo mutige Menschen ihr Herz und ihren Verstand öffnen», schreibt sie begleitend im Artwork des Tonträgers, dessen 9 Lieder sie mit Georg Tkalec im Alternate Audio, Klagenfurt aufgenommen hat. Unter anderem zu hören das Traditional «Matty Groves», auch von den großen Fairport Convention (Sandy Denny, Richard Thompson …) auf dem Album «Liege & Lief» interpretiert. Roxanne singt die lebenspralle Geschichte von Ehebruch und dem Mord am diesen ausgeführt habenden Liebespaar auf Deutsch, was zuerst wie aus der Zeit gefallen klingt, dann die Frage aufwirft, warum eigentlich nicht öfter so existenzielle Geschichten erzählt werden.
Ramble Away
Neben «Matty Groves» finden sich fünf weitere rechtefreie Folk-Traditionals auf dem Album, was der Musikerin gelegen kommt, muss sie dadurch doch für ihre Bearbeitungen weder jemanden um Genehmigung fragen noch bezahlen. Ihre eigenen Lieder «Brombeer Lied» und «My Front Garden» stellt sie durch Nutzung einer Creative-Commons-Lizenz ebenso zur Verfügung. Wer immer die Lieder oder Teile davon nutzen will, kann dies tun, wenn der Name der Urheberin genannt wird und die resultierenden Stücke ihrerseits ebenso frei zur Verfügung stehen. Inspiriert wurde sie zu diesem bewussten Umgang mit ihrem geistigen Eigentum unter anderem von der Lektüre eines Buches von Amanda Palmer, einer outspoken Befürworterin der Idee, dass Musik als Träger_in von Ideen und Gefühlen die materielle Verwertungslogik einer kapitalistischen Welt nicht zu übernehmen braucht. Roxanne: «Ich wünsche mir, dass auch in der Gesellschaft viel mehr geteilt wird.» Sie spricht sich weiter für Gender-Mainstreaming in Zusammenhang mit Musik aus, kann sich eine Quote etwa bei Festivals vorstellen, «als ein vorrübergehendes Mittel, Frauen zu empowern». Die Geige als ihr Instument of choice begegnete ihr bei Spaziergängen mit der in Wien arbeitenden Mutter, sie mochte es so sehr, das Vibrato der geigenden Straßenmusiker_innen zu hören, dass das Klavier im elterlichen Haushalt ungenützt bleibt und sie seit 28 Jahren das Saiteninstrument spielt, mit Ausbildung an Musikschule und Konservatorium. Den vorgezeichneten Weg zur Orchestermusikerin verließ sie durch die Liebe zu 60ies-Rock à la Stones und Doors, der Teilnahme an Jam-Sessions. Die fundierte Ausbildung ermöglicht Szankovich gleichzeitig «je nach Monat» ein «nicht luxuriöses Leben», kann sie doch Workshops (etwa beim Girls Rock Camp) ebenso leiten wie für Theater oder als musikalisches Sidewoman arbeiten/spielen.
«VioLiebe ist total meine Vision. (…) Und dieses Programm mit dem gemeinsamen Nenner ‹Liebe›, ist so entstanden, dass mich persönlich Liebe immer beschäftigt hat» – wir alle lachen – «wie uns alle.»
Roxanne Szankovich:
«VioLiebe»