Eine morgendliche Stärkungvorstadt

Weder Armenausspeisung noch Sozialprojekt: die Privatinitiative Frühstück im Park

Obdachlose und Anrainer_innen des Esterházyparks treffen sich seit diesem Herbst einmal in der Woche auf ein gemeinsames Open-Air-Frühstück. Christof Mackinger (Text) und Lisbeth Kovačič (Fotos) warfen sich auch in die Kälte.

Die Ästchen der blattlosen Sträucher sind mit Reif überzogen, matt weiß. Bei einer der Sitzecken im Park warten zwei Frauen und ein Mann. Auf den niedrigen Mauern in der Nähe hängen bunte Stoffdecken zum Auslüften. Zwei von ihnen dampfen leicht in der Morgenkälte. Es kann nur wenige Minuten her sein, dass sie noch jemanden der Anwesenden gewärmt haben. Sobald zwei junge Frauen mit Transportrodel, Taschen und Kisten den Park betreten, setzen sich die drei Wartenden in Bewegung und helfen ihnen beim Tragen. Bei den Bänken angekommen, beginnen sie gemeinsam die Kisten und Taschen auszuräumen.

Jeden Mittwoch, ab halb acht Uhr morgens, frühstücken Wohnungslose und Anwohner_innen gemeinsam in Mariahilf, im Esterházypark, neben dem Flakturm. «Ich glaube, es ist jedem ein Bedürfnis, nach dem Aufstehen am Morgen, einen heißen Kaffee oder ein warmes Frühstück zu bekommen.» Fiona wohnt in Mariahilf und wollte die offensichtliche Armut mancher in ihrer Nachbarschaft nicht weiter ignorieren. Beim Spazierengehen mit ihren Hunden sah sie immer wieder Menschen, die wohl im Park genächtigt hatten. «Ich fragte manchmal diese Leute, ob ich sie auf einen Kaffee einladen darf.»

Doch das sei noch ausbaufähig gewesen, erzählt die Künstlerin. Am Morgen unseres Lokalaugenscheins findet das Frühstück im Park bereits zum sechsten Mal statt, organisiert von einer kleinen Gruppe von Leuten aus der Umgebung.

Ordentliches Frühstück.

Während sich die ersten zwei Gäste aus einer Thermoskanne heißen Tee in Tassen schenken, bedeckt Maylin und eine weitere Helferin die über Nacht vereisten Sitzbänke mit Decken, um darauf das Sitzen zu ermöglich. Maylin ist heute zum zweiten Mal hier und meint: «Solange ich meine Ausbildung mache, kann ich mithelfen.» Gleich wird sie zwei Kisten mit verpackten Nusskipferln und Mohnstrudeln umschlichten. Eine ältere Frau packt derweilen einen Gaskocher aus und montiert daran eine Gaskartusche. Andere räumen gespendete Joghurts und Obst aus den mitgebrachten Kisten. Es wird mit allem aufgewartet, was zu einem ordentlichen Frühstück gehört.

Zwei Männer nähern sich zögerlich den reich gedeckten Tischen. Beide sind warm angezogen, mit Hauben und Kapuzen, frieren tun sie aber trotzdem. In gebrochenem Deutsch fragt einer der beiden, ob auch sie einen Kaffee haben dürften. Sie dürfen natürlich.

Mit vorweihnachtlicher Mildtätigkeit will man hier nichts zu tun haben, auch «keine weitere Armenausspeisung sein», so Fiona, die die Initiative gestartet hat, vielmehr sei ihr der persönliche Kontakt am wichtigsten. Während sie erzählt, versucht sich daneben eine ältere Frau mit Händereiben und Fussstampfen aufzuwärmen. «Mein Schlafsack ist nicht sehr gut, aber ich habe viele Decken.» Violetta ist eine der regelmäßigen Besucher_innen beim Frühstück. Seit 20 Jahren lebt sie auf der Straße. Ihr Nachtquartier befindet sich unweit vom Park. Seitdem es das Frühstück gibt, kommt sie mittwochs immer und nimmt sich auch vom nicht Verspeisten etwas mit.

Aus der Entfernung kündigt sich ein neuer Gast an: «Was – hier gibt’s wirklich ein Spiegelei?» Der junge, langhaarige Mann kann es kaum glauben, doch der Gaskocher nimmt schön langsam Fahrt auf und die erste Portion wird bald aufgeteilt. Marquis, wie er sich vorstellt, mag nicht nur ein warmes Frühstück, er plaudert auch gerne, wie über Angebote für Arme in Wien: «Besonders zu Weihnachten entdecken viele, sonst weniger karitative Organisationen, ihre soziale Ader.»

Noch kein richtiger Winter.

Trotz der mittlerweile lebhaften Stimmung wird es im Park noch immer nicht so richtig gemütlich. Bei Temperaturen wenig über dem Nullgrad kaum verwunderlich. Erst gegen halb zehn, wenn die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen, am Flakturm vorbei, den Frühstücksplatz erreichen, erwärmt sich die Luft langsam. Dann sind schon manche der Frühstücksgäste weitergezogen. Andere aber bleiben länger und erzählen von ihrer Situation und ihren Wünschen. Johann etwa. Er will, wenn er wieder ein geregelteres Leben hat, Aufklapphäuser für Obdachlose konzipieren. Die könnte man tagsüber verstauen und Abends aufklappen, um sich darin zurückzuziehen. Bis das aber so weit ist, nächtigt der charmante Mann mit bayrischem Akzent in einem provisorischen Zelt am Stadtrand. Mit seinem Schlafsack und warmer Kleidung geht das auch bei den aktuellen Temperaturen noch relativ gut. «Das ist noch nichts im Vergleich zum letzten Winter!»

Unterhaltungen dieser Art machen das Frühstück im Park so besonders. Es ist ein sehr persönliches Zusammentreffen von Menschen aus dem Grätzel und darüber hinaus – egal ob mit oder ohne Wohnung. «Das hier ist kein Sozialprojekt», betont die Initiatorin, während sie weiter am Gaskocher hantiert. «Ich sehe das gemeinsame Frühstücken vielmehr als ein Teilen, das organisiert werden muss.» Und auch auf die Qualität wird geschaut: «Bei uns gibt es stärkendes Essen, weil die Leute das brauchen, um durch den Tag zu kommen», erklärt Fiona.

Und was wünscht sich eine Frühstück-Initiatorin, die explizit «nicht alles dem Staat oder Institutionen überlassen möchte»? Sie wünsche sich mehrere Frühstücke im Park an unterschiedlichen Orten in Wien. Bedarf gibt es mit Sicherheit.

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