Kämpfe gegen das «Fremdenunrechtspaket»
Wenn Österreich nicht nach Griechenland abschieben darf, nimmt es eben Ungarn. Burschenschaften gedenken am Heldenplatz «ihrer» toten Nazis und Rechtspopulisten machen Stimmung, die die Innenpolitik freudig aufgreift. Michael Genner, Mitbegründer der Wiener Beratungsstelle Asyl in Not, spricht darüber, wie politische Arbeit aussieht, wenn sich eine antirassistische Flüchtlingsberatung permanent um «Wiederherstellung des Rechts» bemühen muss.Im August 2011 hat die Innenministerin Mikl-Leitner ein 7-Punkte-Paket gegen das so genannte «Abtauchen in die Illegalität» vorgestellt. Asyl in Not, SOS Mitmensch und andere Gruppen behaupten jedoch, dass es die Politik und die von ihr verabschiedeten Gesetze sind, die Illegalität erzeugen. Deshalb habt Ihr ein 10-Punkte-Programm entworfen, dessen Einhaltung notwendig wäre, um staatlich erzeugte Illegalität zu verhindern. Was ist seither passiert?
Na, wie immer in Österreich nichts. Die Mikl-Leitner macht jetzt weiter, was sie sich vorgenommen hat, und wir kämpfen dagegen an. Es ist wirklich skandalös, dass Österreich die Genfer Flüchtlingskonvention immer wieder von Neuem bricht. Es werden Menschen durch verschärfte rassistische Apartheidsgesetze in die Illegalität gedrängt. Viele werden völlig rechtswidrig in Schubhaft genommen und abgeschoben.
Hat es die von der Frau Mikl- Leitner angekündigte Jagd auf Menschen, welche Illegalisierten Schutz gewähren, tatsächlich gegeben?
Auf Menschen, die Leute verstecken und ihnen Unterschlupf gewähren, soweit ich weiß nicht. Das würde ich auch niemandem empfehlen. Aber die Leute selber, die Flüchtlinge, werden gejagt und abgeschoben.
Auf der Homepage von Asyl in Not wird der Verein Menschenrechte von Günter Ecker erwähnt, der Ihrer Meinung nach keine unabhängige Rechtsberatung anbietet. Dieser Verein wird ja mit EU-Geldern finanziert.
Das ist ja in Wirklichkeit die Spitze dessen, was man so die «Asylindustrie» nennt. Dem werden öffentliche Gelder hineingeschoben noch und nöcher, und wofür werden sie ausgegeben? Um Leute einzuschüchtern und zu demütigen und ihnen zu erklären, dass sie ohnedies keine Chance haben und «heimgehen» sollen.
Die von Fekter und Mikl-Leitner beschlossenen Gesetze bezeichnet Asyl in Not als rassistisches «Unrechtspaket».
Das Gesetzespaket insgesamt, das jetzt gilt, ist das Prokopsche «Fremdenunrechtspaket» 2005, in Kraft getreten am 1. Jänner 2006. Es war eine Neukodifikation des Asyl- und Fremdenrechts. Errungenschaften der Jahre vorher sind zerstört worden. Das Dublin-Verfahren ist zur Quintessenz des Asylverfahrens in Österreich verkommen, mit 1. Jänner 2006 wurde die vorher geltende Schutzklausel für Traumatisierte und Folteropfer abgeschafft, auch sie wurden seither gnadenlos in Schubhaft genommen und deportiert. Die Schubhaft am Beginn des Verfahrens wurde zur Regel gemacht und zugleich Familien auseinandergerissen, es wurden Menschen, weil sie binationalen Ehen angehörten, von ihren Partnern getrennt. Es waren katastrophale und skandalöse Zustände. Dieses Gesetzespaket gilt generell noch immer. Es ist uns aber gelungen, es durch Widerstand, politische Proteste und Rechtsmittel teilweise zu entschärfen. Die Schubhaft am Beginn des Verfahrens, die unter Prokop damals flächendeckend angewendet wurde, wurde im Jahr 2007 vom Verwaltungsgerichtshof für rechtswidrig erklärt. Aber die folgenden Innenministerinnen haben sich bemüht, durchs Hintertürl das alte Unrecht wieder herzustellen. Fekter war ja genial darin, jeden Monat eine neue Novelle zu konstruieren, wirklich durchgebracht hat sie aber nichts von all dem, was sie wollte. Das letzte was sie uns beschert hatte, war die Anwesenheitspflicht in den Erstaufnahmestellen, also in Traiskirchen und Thalham am Beginn des Verfahrens. Ursprünglich wollte sie das monatelang ausdehnen, heraus gekommen sind dann fünf Tage. Das war ihr Abschiedsgeschenk. Ich freue mich aber sagen zu können, dass wir mit der großen Demonstration von April 2011 dieses neuerliche Unrecht zu totem Unrecht machen konnten. Es wird nicht angewendet.
Es gibt im Asylverfahren oftmals Verfahrensfehler, die man kaum glauben kann. Etwa das Beispiel Mike, der in Dominica aufwuchs, und im Protokoll des Bundesasylamtes wurde daraus die Dominikanische Republik mangels Kenntnis der Existenz dieser Insel. Wie ging das weiter?
Dominica liegt halt auch in der Karibik, man spricht dort eine ganz andere Sprache (Englisch, Antillenkreolisch, Anm.) als in der Dominikanischen Republik (Spanisch, haitianisches Kreolisch, Französisch), und das war weder den Beamten noch den Dolmetschern bekannt: «Domenica kennen wir nicht und außerdem bist du Schwarz, deshalb kommst du aus Nigeria.» Das Verfahren ist anhängig, das Bundesasylamt hat wieder einen negativen Bescheid gemacht wieder nach Nigeria ausgewiesen, obwohl die nigerianische Botschaft klar gesagt hat: «Der gehört uns nicht, den nehmen wir nicht zurück». Na gut, wir gehen weiter durch die Instanzen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR hat Abschiebungen nach Griechenland für menschenrechtswidrig erklärt. Österreich hat sich zu einem solchen Stopp bis heute nicht durchgerungen. Finden weiterhin Abschiebungen nach Griechenland statt?
Nein, die finden nicht statt, aber sie sind auch nicht ausgesetzt, das ist eine österreichische Lösung. Man könnte es tun, man will es tun, man traut es sich momentan nicht. Aber man hat einen anderen Weg gefunden: Man schiebt die Leute nach Ungarn ab, weil man sagt, von Griechenland müssen sie ja irgendwie hierhergekommen sein. Was liegt da dazwischen? Ungarn liegt dazwischen. Das ist aber wiederum völlig rechtswidrig und steht im Widerspruch zur Dublin-Verordnung. Nach der Dublin-Verordnung ist das erste Land zuständig, in dem man die EU betreten hat, und wenn nicht das, dann das Land wo man den Antrag jetzt stellt und nicht irgendein drittes, das die Behörden sich aussuchen! Denen fällt immer wieder was Neues ein, wie sie versuchen können, die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs auszutricksen uns fällt auch immer wieder was Neues ein, wie wir den rechtmäßigen Zustand herstellen können.
Strache bezeichnet sich und seine Gefolgsleute als die «neuen Juden». Sie sagen, das sei eine Verhöhnung der Opfer der Shoa, bzw. eine Verharmlosung des Holocaust und bereits ein Akt der Widerbetätigung im Sinne des NS-Verbotsgesetz.
Ja, es ist eine unglaubliche Verhöhnung der Opfer. Meine Familie hat Opfer gebracht in der Nazizeit, Teile der Familie waren im Widerstand, andere aus rassistischen Gründen verfolgt, und dann muss man sich von diesem Lausbuben gefallen lassen, dass er sich als neuen Juden bezeichnet, weil man ihm ein bisschen auf die Finger haut?
Sie sagen, die Burschenschaften gehörten schon einmal zu den Totengräbern der Demokratie; sie haben auch die Einrichtungen der zweiten Republik schamlos unterwandert. Ihre Seilschaften besetzen führende Positionen in der Wirtschaft, der Beamtenschaft und der Politik.
Ich erinnere mich noch sehr gut, als ich noch ins Gymnasium gegangen bin, siebzehn Jahre alt, da war die Borodajkewicz-Demonstration. Borodajkewicz war ein Naziprofessor an der Hochschule für Welthandel, der jetzigen Universität für Wirtschaft, der in seinen Vorlesungen unter johlendem Beifall der Studentenschaften antisemitische Propaganda und Hetze betrieben hat. Es gab dann eine Demonstration von ehemaligen Widerstandskämpfern, alte Menschen, junge Menschen, die überfallen worden ist von diesen Burschenschaften. Und ein alter Mann, ein ehemaliger Widerstandskämpfer und KZ-Häftling, Ernst Kirchweger, ist von einem solchen Nazibuben totgeschlagen worden. Das war 1965, die Nazi haben allerdings in der weiteren Folge ordentliche Schläge bekommen. Ihre Niederlage in der damaligen Straßenschlacht war der Anfang von ihrem Ende an der Universität.
Aber es gibt diese Burschenschaften immer noch.
Ja die haben erst kürzlich am Heldenplatz der Toten des Weltkriegs gedacht, aber ihrer Toten. In voller Montur mit Säbel und in Uniform gedenken sie der Nazisoldaten, und das ist einfach Gang und Gebe. Dafür wird der Großteil vom Heldenplatz für sie gesperrt eine Frechheit der österreichischen Polizei, die dort quasi den Notstand ausgerufen hat mit der Begründung, es könnte womöglich gar nicht seitens der Nazis, sondern seitens der Antifaschisten zu Ausschreitungen kommen, es könnte Gefahr für Vermögenswerte oder gar für Gesundheit und Leben bestehen, oder so ähnlich ist es in der Verordnung von irgend so einem Polizeischakel gestanden.
Ministerin Mikl-Leitner und ihr Stab unterstützen systematisch die Anti-Asyl Agitation der Rechtspopulisten. Sie bezeichnen Jugendliche, die in Österreich Asyl suchen als «Ankerkinder»die auf Geheiß von Schleppern vorgeschickt würden, um den Asylweg für ihre Eltern zu bahnen.
SOS Mitmensch hat ja darauf sehr gut geantwortet und ein ehemaliges «Ankerkind» zu Wort kommen lassen, also jemanden, der 1938 gerade noch aus Österreich flüchten konnte aber die Eltern sind dann leider nicht nachgekommen.
Der Leiter der Asylstelle Traiskirchen Franz Schabhüttel behauptet, Fluchtgründe hätten kaum etwas mit Krisen zu tun, sondern wären großteils von. Schleppersyndikaten gesteuert. Ist da was Wahres dran oder wie kann man das verstehen?
Schabhüttel ist ein alter Bekannter von uns, er gehört ja auch zu diesem «Asylapparat». Er lebt seit Jahren oder Jahrzehnten ganz gut als Leiter der Asylaußenstelle Traiskirchen, wo die Leute unter widrigsten Bedingungen untergebracht sind und beschimpft sie dann noch. Wir wissen sehr gut, warum Menschen nach Österreich und Europa fliehen. Sie flüchten aus Tschetschenien, weil dort ein furchtbares Unterdrückungs- und Terrorregime herrscht, sie flüchten aus Afghanistan vor dem Terror der Taliban, das sind die zwei Hauptherkunftsländer unserer Klienten. Sie flüchten nicht, weil es im Lager des Herrn Schabhüttel so schön und super ist.
All diese Diffamierungen, wie kann man sich dagegen wehren?
Man kann sich dagegen wehren durch politischen Kampf, und diesen Kampf führen wir. Wir wissen sehr gut, dass Rechtsmittel alleine nicht ausreichen, die müssen zwar eingebracht werden, sie müssen perfekt sein und wir sind eine der besten Rechtsberatungsstellen in Österreich, aber wir kennen die Grenzen unserer rechtlichen Möglichkeiten. Wirklich anders werden kann es nur durch politischen Kampf. Seit ich in diesem Bereich tätig bin, seit 1989, habe ich viele InnenministerInnen kommen und gehen gesehen, es hat viele Gesetzesänderungen gegeben, manche zum Guten, manche zum Schlechten. Die InnenministerInnen kommen und gehen, Asyl in Not bleibt bestehen.
Interview: Elisabeth Doderer