Reparieren spart Müll, Geld und Material. Und wenn man es selber kann, hat man auch noch ein Erfolgserlebnis. Beim zweiten Wiener re:pair Festival dreht sich alles ums Heilemachen.
Letztens kam schon wieder der Waschmaschinentechniker zu uns nach Hause. Es hatte damit begonnen, dass die Waschmaschine nicht mehr abpumpte. Eine Weile ignorierten wir das. Zogen alles an, was wir hatten, und zwar solange es ging, ohne unangenehm aufzufallen. Aber dann begann das stehende Wasser in der Maschine zu stinken, und der Schmutzwäscheberg blockierte die Dusche. Einen halben Tag, ausgestattet mit dem (nützlichen, wenn auch oft sehr unangenehm vermittelten) Wissen von Youtube und Reparierblogs schraubte ich selbst an der Maschine herum. Und fand nichts. Kam also zwei Wochen später der Reparateur und tauschte noch zwei Wochen später die Pumpe aus. Das schien uns plausibel. Die Waschmaschine wusch wieder. Einmal, zweimal, Schluss. Diesmal riefen wir sofort an: Die neue Pumpe pumpt nicht! Nach nur vier Tagen kam der freundliche Mann ein weiteres Mal. Er prüfte ein verstecktes Stück Schlauch und fand darin: zwei rostige BH-Bügel, einen Babysocken aus längst vergangenen Tagen, Münzen, die auf verschiedene Urlaube der letzten Jahre hinwiesen, und dann natürlich die üblichen Gummiringerl, Büroklammern, Wachsmalkreiden, ein Feuerzeug und was man sonst so in den Hosentaschen hat. «Können Sie mir mal zeigen, wie Sie das gemacht haben?», fragte ich, «denn dann könnte ich es nächstes Mal ja selbst machen.» «Nein», sagte er bestimmt, «das können Sie nicht. Da brauchen sie eine Zange dazu und es muss dicht sein und überhaupt.» Gnadenhalber machte er mir einen guten Preis. Und ab Ende September, sagte er, gebe es ja auch wieder den Reparaturbonus. So als wäre mir zuzutrauen, dass ich bis Ende September schon wieder einen Haufen Büroklammern und Feuerzeuge in unsere Waschmaschine gestopft hätte.
Selber reparieren ist super, aber man muss es lernen dürfen. Und wo kann man das besser als auf einem Festival, das ganz dem Reparieren gewidmet ist? Na also, dann kommen Sie mal mit.
Im Mondscheinstüberl
In der Zollergasse, Ecke Mondscheingasse war bis 2007 eine Gastwirtschaft, die hölzerne Schank und die Wandverkleidungen erzählen noch davon. Danach kam die Naturkost St. Josef, die nebenan ihren Laden betreibt, und bot vegane Küche vom Feinsten. Heute wird im Mondscheinstüberl geschneidert, gestickt und gestopft. «Im Sommer 2022haben wir das Lokal übernommen», erzählt Serafina Spatt, «zwei Monate lang sollte hier unser Pop-up-store sein.» Mittlerweile wurde bis Anfang 2024 verlängert, «weil es so gut läuft.» Serafina Spatt hat Kultur- und Sozialanthropologie studiert und sich nachhaltigen Konsum zum Thema gemacht; Alina Saavedra Santis ist Schneiderin und Schnittzeichnerin. Gemeinsam betreiben die beiden den «Resi Pop Up Shop». Sie lehren in Workshops Stopf- und Sticktechniken zum künstlerischen Reparieren von Textilien: visible mending, sichtbares Ausbessern, wird das genannt.
Heute ist die Resi voll. Die Einladung zum «Aufwärmabend» des re:pair Festivals ist offensichtlich angekommen. Immer mehr Menschen kommen rein und fragen, ob es noch Platz für sie gibt. Stehtische werden freigeräumt, alle rücken zusammen. Eine Frau aus dem Grätzel hat einen Kimono mitgebracht, der ihr «immer an den Schultern reißt». Sie lernt, den Stoff von innen zu verstärken, außen möchte sie ihn mit Stoffschmetterlingen verzieren. Eine andere Frau probiert «visible mending» am roten Pullover ihrer Tochter aus. Sie habe, erzählt sie, gemeinsam mit der Tochter schon im letzten Jahr das re:pair-Festival besucht und dort Kleidung repariert. Einer kommt rein und will Löcher in seiner Lieblingshose stopfen, aber bitte so wenig sichtbar wie möglich. Er wird an einer Nähmaschine eingewiesen. Fotokollegin Carolina Frank und ich haben auch zerrissene Hosen mitgebracht. Wir lernen die Reiskorn-Sticktechnik und schwimmen im Glück darüber, wie schnell das geht und wie schön es wird. «Reparieren ist simpel, man macht es mit den eigenen Händen und kann sofort damit beginnen», sagt Tina Zickler, die Kuratorin des Festivals, «Man muss dazu nicht erst die gesamte Theorie über den Klimawandel lesen und verstehen.» Auch ihr ist die Lieblingshose an den Knien aufgerissen, zum Flicken hat sie glänzend gemusterten Stoff dabei: «Glanz und Glitzer muss sein.»
Reparieren und Feiern
Das re:pair Festival findet heuer zum zweiten Mal in Wien statt. Tina Zickler, die vor etwa zehn Jahren von Berlin nach Wien übersiedelt ist, hat hier auch schon ein Festival zu Tod und Trauer oder eine Ausstellung zur Geschichtspolitik der Wiener Baukeramik der Brüder Schwadron kuratiert. «Ich lebe halt in unserer Welt, und man kann sich dem Klimawandel nicht entziehen», begründet sie ihre Idee, aus der für sie ein (durchaus unterbezahlter) Fulltime-Job entstanden ist. «Reparieren ist für mich ein Beitrag, den ich leisten kann. Es schont Ressourcen und macht etwas wieder heil, ist zumeist Handarbeit und bringt in einer überschaubaren Zeitspanne ein Ergebnis. Dadurch ist es etwas zutiefst Befriedigendes.»
Das re:pair-Festival besteht aus Ausstellungen, Vorträgen, Konzerten, Workshops und Ambulanzen. In letztere kann man kaputte (und reparierbare!) Gegenstände vom Hemd über die Geige bis zum Radio bringen und darf – ganz wie in der medizinischen Ambulanz – nacheinander zu Diagnose und Reparatur vortreten. Das Festival findet heuer im Volkskundemuseum im 8. Bezirk, in der Brotfabrik im 10. und in den SOHO Studios im 16. statt. In der Arbeiterkammer gibt’s eine Kleidertauschparty, in Ottakring wird auf Spaziergängen die Reparierfähigkeit der Natur untersucht, und in der Ausstellung Upcycling Fashion werden selbst reparierte und umgestaltete Kleidungsstücke gezeigt – wer mitmachen möchte, bringt sein kreativ geflicktes Leiberl am 29. September oder am 4. Oktober in die SOHO Studios.
Nachhaltige Nachbarschaft
Die Nähmaschinen rattern, die Köpfe sind über die Kleidungsstücke gebeugt. Der Resi Pop Up Shop ist ein Vorzeigebetrieb fürs re:pair Festival. Hier wird im Alltagsbetrieb getan, was das Festival propagiert: reparieren statt neu kaufen. In Kooperation mit Unternehmen aus der Nachbarschaft wird darauf geachtet, dass Wirtschaftskreisläufe in der nahen Umgebung bleiben. Ein Drechsler aus der Josefstadt liefert die Stopfpilze, ein Second-Hand-Geschäft ums Eck gibt Kleiderspenden, die kleine Löcher haben, in die Hände von Spatt und Saveedra, die daraus mit Garn und Wolle wiederverkaufbare Einzelstücke machen. Aber Zwischennutzungen sind keine nachhaltigen Lösungen für die Klima- und die Nahversorgungskrise. Zu einer klimafreundlichen und die Community stärkenden Stadtwirtschaft gehört, dass aus dem «Pop Up Shop» einfach nur «Resi» und der Standort gesichert wird.
re:pair FESTIVAL
13. Oktober –5. November
Kulturhaus Brotfabrik, Volkskundemuseum Wien, SOHO STUDIOS
https://repair-festival.wien
Resi Pop Up Shop
www.resislowfashion.at