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Mit dem geplanten Abriss des Dusika-Stadions verliert Österreich seine einzige Hallenradrennbahn. Stattdessen soll eine «multifunktionelle Sporthalle» Wien in Zukunft konkurrenzfähig machen.
Text: Christian Bunke
Illustration: Much
Großstädte stehen im andauernden Wettbewerb gegeneinander. Jeder Lebensbereich wird davon vereinnahmt. Das gilt auch für die Erholung und somit den Sport. Im sozialdemokratisch verwalteten Wien bedeutet das nun den Abriss einer der größten Leichtathletik- und Radhallen Österreichs, des Dusika-Stadions, zugunsten eines auf Ballsport-Großevents zugeschnittenen Neubaus. Radrennen gelten als nicht lukrativ genug, deshalb wird die Rennbahn ersatzlos zu Kleinholz verarbeitet. Dieser olympische Sport scheint in der selbsternannten «Sportstadt» Wien vorerst keine Zukunft zu haben.
Das in Praternähe gelegene Dusika-Stadion – manche bevorzugen aufgrund der Nazi-Vergangenheit des Namensgebers die Bezeichnung «Radsportstadion» – steht allerdings schon seit einigen Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit begehrlicher Blicke. So erarbeitete von November bis Dezember 2018 eine Expert_innengruppe im Auftrag der Wien Holding GmbH eine Standortanalyse für eine «Multifunktionsarena für Wien» mit dem Ziel, «Wien zum führenden Entertainment-Standort Europas» zu machen. Teil dieser Expert_innengruppe waren unter anderem der Wirtschaftsprüfungskonzern KPMG-Austria und die TU Wien. Zehn Standorte wurden untersucht. Auf der Shortlist standen schließlich Neu Marx, Donaufeld und eben auch das Dusika-Stadion. Letzteres landete auf dem zweiten Platz. Die «Multifunktionsarena» wird nun in Neu Marx gebaut. Laut dem Ergebnisbericht der Expert_innengruppe soll Wien «mit der Realisierung einer neuen state-of-the-art Arena (…) weiter als Kultur-, Kongress- und Tourismusmetropole gestärkt werden».
Kommerz vor Breitensport.
Diesem Kommerz kommt in den Augen der Expert_innengruppe ein großes öffentliches Interesse zu. So fällt das Dusika-Stadion zwar unter das Wiener Sportstättenschutzgesetz, ein Abriss ist jedoch laut § 4, Abs. 3 möglich, «wenn die in Aussicht genommene Verwendung der Liegenschaft in wesentlich höherem öffentlichem Interesse liegt als der weitere Bestand der Sportstätte». Im Fall des Dusika-Stadions konstatieren die Expert_innen: «Unter dem Gesichtspunkt, dass sich der Standort gemäß dem Leitbild besonders gut für eine Multifunktionsarena eignen würde und sich im Nahbereich eine weitere Großveranstaltungsstätte (das Ernst-Happel-Stadion) befindet, ist die Verwendung der Liegenschaft für eine Multifunktionsarena im wesentlich höheren öffentlichen Interesse als der weitere Bestand der Sportstätte, was nach den Bestimmungen des Sportstättenschutzgesetzes eine Auflassung rechtfertigen könnte.» Kommerzielle Interessen übertrumpfen demnach den Breitensport.
Über einen Abriss des Dusika-Stadions wurde also schon 2018 offen diskutiert. Die geplante Arena kam letztendlich vor allem deshalb nicht dorthin, weil ein Umwidmungsverfahren von Sportstätte zu Bauland als zu langwierig erachtet wurde. Auch handle es sich beim Dusika-Stadion um «eine gut ausgelastete Sportstätte für Leichtathletik, Radsport und Turnveranstaltungen», heißt es im Ergebnisbericht. Weil das Stadion von vielen Menschen genutzt wurde, befürchtete die Expert_innengruppe Widerstand und daraus resultierende Verzögerungen.
Im Wettstreit mit Metropolen.
Die hier konstatierte hohe Auslastung wird spätestens seit 2019 vom Büro des Wiener Sportstadtrats bestritten. In dem Jahr wurde mit der Ausarbeitung des inzwischen vorgestellten «Sportstättenentwicklungsplanes 2030» begonnen. In diesem wird prominent der «Planungsstart für die Errichtung einer multifunktionalen Sporthalle» angekündigt. Dort ausgetragene Sportevents sollen 3.000 Zuschauer_innen anlocken.
Im Entwicklungsplan der Stadt Wien wird der Sport klar als «Wirtschafts- und Tourismusfaktor» benannt: «Der Ausbau und die Modernisierung der Wiener Sportstätten ist daher auch mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit Wiens als Gastgeber für Sportevents unabdingbar.» Die Errichtung von Sportinfrastruktur sei demnach eine «Investition in den Standort Wien». Sportevents wie zum Beispiel die Handball-EM seien «weltweite Imageträger», durch welche Wien im Konkurrenzkampf mit Metropolen wie zum Beispiel London bestehen könne. Besondere Rolle spielt aus der Sicht des Sportstadtrats der Ballsport. Gefordert wird eine Anlage, in welcher «rund 10 bis 15 internationale Sportveranstaltungen pro Jahr» durchgeführt werden können.
Als Multifunktionsarena war das Dusika-Stadion widmungstechnisch zu kompliziert. Dem Abriss für eine neue Sporthalle steht scheinbar nichts im Weg. Eine Umwidmung ist hier – im Gegensatz zum Arena-Projekt – nicht nötig. Spannend ist die Begründung für den geplanten Abriss. Moniert wird im Entwicklungsplan eine «vergleichsweise geringe Nutzungs-Intensität des Radstadions», was die Expert_innengruppe im Jahr 2018 noch ganz anders festgehalten hat. Mit den Daten, die dieser Einschätzung zugrunde liegen, will die Sportstättenentwicklung auf Anfrage jedoch nicht herausrücken. Sie seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, es handle sich lediglich «um eine interne Arbeitsunterlage». Wo sind die Whistleblower_innen, wenn man sie braucht?