Eine Trutzburgtun & lassen

Augustiner Philipp Sonderegger

Die erste Begegnung mit dem AUGUSTIN war, als wir MO – Magazin für Menschenrechte, die Zeitschrift von SOS Mitmensch, gemacht haben. Wir sind auf Besuch gekommen und haben uns beraten und abgeklärt, auf was wir achten müssen. Ich habe den AUGUSTIN natürlich vorher schon gekannt, über die Verkäufer_innen und die Zeitung.
Im Vorjahr hat mich Christina Steinle von AUGUSTIN TV kontaktiert und gefragt, ob ich eine Teamsitzung moderieren möchte, wo es um die finanzielle Situation des AUGUSTIN geht. Ich habe zugesagt, und mir ist dann klar geworden, dass es da um mehr geht. Daher habe ich angeboten, dass wir länger miteinander arbeiten könnten, weil ich das Gefühl hatte, dass ich in der herausfordernden Situation für den AUGUSTIN etwas beitragen könnte und weil ich es auch interessant finde. Wir haben über ein halbes Jahr gemeinsam zu Organisationsentwicklung gearbeitet und auch die AUGUSTIN Supporters-Konferenz organisiert. Der AUGUSTIN ist so eine Trutzburg irgendwie. Das macht es auch schwierig, wenn man Veränderungen herbeiführen möchte. Als Außenstehender kann man bestenfalls eine Irritation reinkriegen, ein bisschen helfen, sich auf wenige Fragen zu konzentrieren, Aufmerksamkeit und Ressourcen darauf zu bündeln. Wie bei den meisten Gruppen waren das in eurem Fall die Themen Arbeitsteilung und Kommunikation mit außen. Das ist, glaube ich, gelungen.
Ich lebe davon, dass ich Organisationsberatung mache, Klausuren moderiere, Kampagnen mit NGOs gemeinsam plane. Außerdem bin ich Menschenrechtler. Ich bin von der Volksanwaltschaft in den Menschenrechtsbeirat berufen worden und bin im zivilgesellschaftlichen Dialoggremium des Innenministeriums. Dann mach ich noch Polizeimonitoring für Versammlungsfreiheit.
Geboren wurde ich 1974 in Vorarlberg. Ich würde sagen, ich bin als Mittelschichtskind aufgewachsen, aber das Leben meiner Eltern war sehr geprägt von ihrem sozialen Aufstieg. Mein Vater ist der uneheliche Sohn einer Fabriksarbeiterin, er hat als höchste Ausbildung eine Volksschulausbildung und eine Lehre. Mein Opa ertrank im Inn, als er beim Diebstahl eines Huhnes erwischt und verfolgt wurde. Meine Mutter ist das Kind einer Bergbauernfamilie. Sie ist Handarbeitslehrerin geworden. Mutter und Vater haben sich in der Jugendarbeit kennen gelernt. Die Mama ist dann Supervisorin und Psychotherapeutin geworden, und der Papa hat in der Gemeinwesensarbeit für das Land Vorarlberg gearbeitet. Mir hat es an überhaupt nichts gefehlt, ich bin ins Gymnasium gegangen, meine Eltern haben mich sehr unterstützt. Ich bin in einem sehr liebevollen Haushalt aufgewachsen, aber ich habe doch einen Blick dafür, wie es ist, wenn man nicht alles hat.
Mit 20 bin ich nach Wien gekommen und habe Politikwissenschaft und Soziologie studiert. Damals bin ich oft ins Parlament gegangen, das war die Zeit, als Haider stark geworden ist. Ich habe einen Ferialjob bei SOS Mitmensch begonnen. 2001 bin ich dort zum Sprecher gewählt worden. Das ist eine politische Funktion, mit Programmarbeit, aber auch die Vertretung nach außen. Das war ein Traumjob, weil ich viel Handhabe hatte, die ich auch nutzte. Es war aber auch auf alle erdenklichen Arten anstrengend. Ich war 15 Jahre bei SOS Mitmensch, davon 10 Jahre als Sprecher. Als öffentliche Person ist man exponiert, und ich war dann körperlich, mental und intellektuell ausgelaugt, also ich war einfach leer. Ich habe eine Bildungskarenz gemacht und mich entschlossen, mich selbstständig zu machen. Und zwar mit derselben Arbeit, nur auf der Trainerbank und mit unterschiedlichen Auftraggebern, verschiedenen NGOs. Das mache ich jetzt seit rund 8 Jahren, und es ist mir nicht langweilig geworden.
Ich habe eine dreijährige Tochter. Es stimmt, dass Kinder das Leben total verändern und dass es ansteckend ist, wie offen und unbeschwert sie die Welt anschauen und wie klar sie sagen können, was ihnen passt und nicht passt. Da kann ich viel lernen.

Protokoll: Jenny Legenstein

Philipp Sondereggers Blog auf phsblog.at

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