«Eine von euch»vorstadt

Lokalmatadorin

Danijela Feichtinger muss als Sozialarbeiterin im Romano Centro viele Vorurteile entkräften. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).

Ihre blonden Haare, ihre höflichen Umgangsformen, ihr Lächeln: Es kommt öfters vor, dass ihre Klient_innen nicht auf den ersten Blick erkennen, wer ihnen da gegenübersitzt. Doch spätestens, wenn sie eine Entschuldigung mit dem Satz «Aber wissen Sie, bei uns ist das …» beginnen, erklärt ihnen Danijela Feichtinger: «Hey, ich bin eine von euch.»

Die diplomierte Sozialarbeiterin arbeitet im Romano Centro, an der Grenze des dritten Bezirks zu Simmering. Das Centro ist eine Anlaufstelle für Roma, die in Österreich den Status einer staatlich anerkannten Volksgruppe besitzen. Es wurde im Jahr 1991 ins Leben gerufen.

Die Sozialarbeiterin, die hier seit dem Jahr 2013 tätig ist, kennt die Probleme der Roma in Wien aus ihrer täglichen Arbeit: «Die meisten, die zu mir kommen, leben an oder unterhalb der Armutsgrenze.» Das heißt aber nicht, dass alle um Geld betteln. Im Gegenteil: «Ja, es stimmt, dass viele prekär leben. Betteln gehen sie jedoch nicht.»

Danijela Feichtinger spricht mit den meisten Menschen, die sich mit ihren Problemen an sie wenden, in der Sprache ihrer Kindheit und Jugend: Serbisch. Sie ist in Šabac, einer kleinen Stadt an der Save, westlich der serbischen Hauptstadt Belgrad, aufgewachsen. «Mein Vater und meine Mutter haben dort ein Spielwarengeschäft geführt, und ich habe deshalb viel Zeit bei den Eltern meiner Mutter verbracht.»

In ihrer Erinnerung waren ihre Großeltern kluge, weltoffene Menschen, die nicht in das Klischee der abfällig als «cigani» (Zigeuner_innen) bezeichneten Roma passten. «Ich habe schon als Kind nicht die Vorurteile verstanden, die man auch meiner Familie entgegenbrachte.» Schlimm war für sie, dass auch die Eltern ihres Vaters in den Roar der Ausgrenzenden einstimmten. Sie erinnert sich noch sehr genau: «Meine Mutter war eine sehr schöne Frau. Dennoch hat man sie oft beschimpft.»

Ihr selbst wurde spätestens nach der Matura das Leben im Nachfolgestaat Jugoslawiens zu eng. Das reale Ende von Titos Vielvölkeridee und ein blutiger Bürgerkrieg hatte an allen Ecken und Enden der zerfallenen Union jene nach oben gespült, die bis heute ultra­stolz auf die eigene Herkunft sind und deren Lebenswerk sich darauf beschränkt, sich auf Kosten anderer schamlos zu bereichern.

Die Enkeltochter vom «cigo» Budimir war Anfang zwanzig, als für sie feststand: «Für mich ist hier kein Platz, ich muss von hier weg.»

In einer anderen Zeit, in einer anderen Welt wäre aus ihr vielleicht eine gute Chemikerin geworden. Den Abschluss einer Fachschule in Šabac hat sie jedenfalls in der Tasche. So darf Wien – wie so oft – bequem ernten, was in der Nachbarschaft mühsam gesät wurde: die Arbeit der leidenschaftlich agierenden Sozialarbeiterin ist jedenfalls eine Bereicherung für eine Stadt, in der die Vorurteile ebenso akribisch gepflegt werden.

Danijela Feichtinger folgt in Wien einer Berufung, auch als informelle Roma-Botschafterin. Bei einer Podiumsdiskussion schildert sie präzise den Status der Roma in Wien. Die Fakten, die sie präsentiert, lassen wenig Raum für Spekulation.

Am Ende bleiben nur zwei Fragen offen: Wie kann ein erwachsener Mensch binnen weniger Jahre derart gut Deutsch lernen? Und: Wie definiert sie ihre eigene Identität? Auf die zweite Frage antwortet Danijela Feichtinger so: «Dass ich auch eine Romni bin, wurde mir erst in Wien bewusst, nach dem Tod meiner Mutter.»

Es sind bis zum heutigen Tag Äußerlichkeiten, die den Menschen das Leben erleichtern oder zur Hölle machen. Die gut Integrierte weiß das natürlich, sie spricht daher von einer moralischen «Verpflichtung, die ich für meine Volksgruppe empfinde».

Mit Hilfsarbeiten hat sie sich ihr Studium zur diplomierten Sozialarbeiterin finanziert. Der Weg zum Romano Centro, in dem sie schon als Studentin ein Praktikum absolvierte, schien vorgezeichnet. Danijela Feichtinger lächelt: «Die Geschäftsführerin hat mich bis zum Ende des Studiums immer wieder gefragt, wann ich anfangen möchte.»

Anders als der Roma-Kulturverein, der sich für die Anliegen der «Autochthonen» einsetzt, steht das Romano Centro allen Roma offen, auch den zugewanderten. Finanziert wird der Verein aus Mitteln der Republik, die alle anerkannten ethnischen Minderheiten im Land (einigermaßen bescheiden) fördert.

Im Schnitt sitzen der Sozialarbeiterin 15 Hilfesuchende pro Woche gegenüber, mehr Frauen als Männer. Die Leute kommen von selbst, das Angebot hat sich in der Community schnell herumgesprochen. Die Helferin über die konkreten Sorgen: «Viele können ihre Miete, Gas, Strom, die täglichen Lebensmittel nicht bezahlen. Sie haben Schulden, oft droht eine Delogierung.» Armutsmigrant_innen innerhalb der Europäischen Union: «Sie kamen nach Wien, weil sie zu Hause keinen Job finden konnten.»

Nicht wenigen dient Danijela Feichtinger als Vorbild: Weil sie es in Wien geschafft hat! Allen Klient_innen versucht sie zu vermitteln, «dass sie nicht weniger wert sind». Und den Roma-Mädchen erklärt sie explizit, «dass sie genauso viel wert sind wie die Roma-Burschen».

Mehr unter:

www.romano-centro.org