Besuch beim portugiesischen Straßenmagazin CAIS
Am 26. April, einen Tag nach dem Feiertag, der heuer ein besonderer ist – er erinnert an den Sturz der Salazar-Diktatur mit der Nelkenrevolution in Portugal vor 50 Jahren –, ist in der Upcycling-Werkstatt des Straßenmagazins CAIS (zu Deutsch Kai) in Porto reger Betrieb. Nicht zuletzt ist das dem «Übertourismus» in der Stadt geschuldet. In einem gentrifizierten Stadtteil gelegen, steht in der CAIS-Zentrale die Tür weit offen. «Aus Prinzip», wie Koordinator Alexandre Teixeira sagt. «Unser Haus steht allen offen.» Doch nicht allen steht hier alles zu.
Im Foyer werden verirrte Tourist:innen auf Englisch begrüßt. Geduldig wird erklärt, warum Porto auch an dieser Adresse einen «Kai» hat. Und höflich-bestimmt wird darum gebeten, sich nur im vorderen Bereich aufzuhalten, während liebend gern etwas im Shop eingekauft werden kann: Bleistifte, ummantelt aus übrig gebliebenem Magazinpapier, Notizhefte oder Taschen aus alten Werbeplanen der U-Bahngesellschaft. Im hinteren Bereich die Upcycling-Werkstatt, wo für die Produktion der Verkaufsprodukte möglichst viel Ruhe erwünscht ist.
Überall sind rote Nelken drapiert, passend zum Stadtbild dieser Tage: gesprayt an Hauswände, aus den Brusttaschen von Hemden stehend, hinter dem Ohr (dem linken natürlich) oder einfach ganz bewusst in den Händen derer, die damit verraten, dass sie auf dem Weg in eine der vielen Jubiläumsveranstaltungen sind.
CAIS erscheint monatlich seit 1994, anfangs nur in Lissabon, seit fünf Jahren auch in Porto, wo mit einer Upcycling-Werkstatt arbeitslose Menschen beim Wiedereinstieg in eine geregelte Arbeit unterstützt werden.
«Die Redaktion der CAIS ist in Lissabon. Neben der Magazinausgabe an die Verkäufer:innen und Unterstützung in allen ihren Lebensbereichen ist unser Hauptmetier in Porto die Upcycling-Werkstatt, über die wir viele Kooperationen angehen und dadurch die Mitarbeiter:innen honorieren können», erklärt Teixeira. Zum Beispiel eine Kooperation mit einem 5-Sterne-Hotel: Deren Einweg-Gästebadelatschen aus Kunststoff werden kleingeschnitten und in Sitzsäcke für den Verkauf an Möbelgeschäfte gefüllt.
Das CAIS-Team besteht aus 18 angestellten Mitarbeiter:innen, vier davon in Porto. Neben Teixeira sind hier noch zwei Sozialarbeiterinnen und eine Werkstatt-Leiterin angestellt. Ein kleines Team mit großen Zahlen: 2023 wurden über 11.000 Upcycling-Stücke produziert und verkauft, dabei 50 Menschen wieder in die Arbeitswelt eingegliedert. Der Magazinverkauf auf der Straße – in beiden Städten von 300 Menschen getätigt (70 davon in Porto) – ist in der zweitgrößten Stadt Portugals nur ein kleiner Teil des Projektes. CAIS ist auch Teil eines viel größeren Netzwerks, zu dem auch der Augustin gehört, nämlich des internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen (INSP), das 100 Projekte weltweit vereint und heuer 30-jähriges Bestehen feiert. Eine Ausstellung in der Schweiz erinnert daran: Wie Straßenzeitungen Leben verändern ist bis 3. August in Bern zu sehen.
www.cais.pt
www.kornhausforum.ch/de/ausstellung/strassenmagazine