Dass Teile der Flüchtlingsbetreuung in Österreich von gewinnorientierten Privatunternehmen organisiert werden, geht auf die Zeit von Innenminister Ernst Strasser zurück. Anfang 2003 entschied die deutsche Organisation European Homecare die Ausschreibung über die Ausgliederung der Erstaufnahmestelle Traiskirchen für sich. Gemeinnützige Vereine hatten sich vergeblich beworben.Als Zuschlagskriterien für die Profit-Anbieter wurden zu 65 % der Preis, zu 20 % die Übernahme des Personals und zu 15 % (!) die Qualität berücksichtigt. Freilich lief es dann auch mit European Homecare nicht immer reibungslos. Die Deutschen kündigten ihre Verträge, da die Umsätze sich angesichts geringer Flüchtlingszahlen nicht nach ihren Vorstellungen entwickelt hatten.
Bei der Neuausschreibung im Jahr 2011 setzte sich letztlich ORS durch. Die ORS Service GmbH gehört der Schweizer Ox Group, die im Sommer 2013 von der britischen Equistone Partners Europe (EPE) gekauft worden ist. Diese wiederum gehört laut Homepage rund 30 institutionellen Anlegern und der Barclays Bank.
Betriebswirtschaftlich weist die ORS für das Jahr 2014 bei einer Bilanzsumme von 12,1 Millionen einen Bilanzgewinn von einer Million aus. 500.000 Euro davon werden an die Gesellschafter_innen ausgeschüttet. Öffentlicher Gelder werden hier nicht in die Flüchtlingsarbeit reinvestiert, sondern in den privaten Finanzsektor umverteilt. Diese Tendenz, dass sozial gewidmete Steuergelder über kommerzielle Profitunternehmen an private Fondsbesitzer_innen fließen, findet sich mittlerweile auch in anderen Feldern sozialer Dienstleistungen. In der Pflege beispielsweise hat Senecura ihre 2008 erworbene Tochter Senevita, die in der Schweiz etwa 1200 Betten in Alten- und Pflegeheimen führt, vor kurzem an die international tätige ORPEA Aktiengesellschaft verkauft. ORPEA ist in Westeuropa mit etwa 52.000 Betten vertreten, und hat mit dem Zukauf der Senevita ihren Expansionskurs weiter verstärkt. Ebenfalls wurde die Silver Care Group aus Deutschland mit etwa 6000 Betten geschluckt. In der Presseaussendung von ORPEA hört sich das so an: «Nach den Übernahmen von Senevita in der Schweiz und Silver Care in Deutschland im Jahr 2014 beginnt ORPEA das Jahr 2015 erneut mit einer strategischen Operation mit hohem Entwicklungspotenzial. Diese Übernahme eines Vermögenswertes, der über eine in Österreich und der Tschechischen Republik einzigartige Wettbewerbsposition verfügt, bietet ORPEA eine neue Wachstums- und Rentabilitätsquelle sowie wertsteigernde Entwicklungschancen.» Was das an der Pariser Börse notierte Unternehmen optimistisch macht, ist der erhoffte Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge. In Österreich gebe es ein «massive Dominanz der öffentlichen Akteure … und das vor dem Hintergrund sinkender öffentlicher Ausgaben.» Heißt übersetzt, wenn Qualität & Zugang durch Kürzung bei solidarisch finanzierter Pflege sinkt, steigen die Chancen für kommerzielle Anbieter_innen. Mit der Pflege für alte Menschen in einkommensschwachen Gebieten will man sich nicht aufhalten: Chancen gebe es für «Entwicklung in den Gebieten mit hoher Kaufkraft». Auch hier: Öffentliche Steuergelder werden nicht in die Pflege reinvestiert, sondern in den privaten Finanzsektor nach oben umverteilt. Ein Ausverkauf zu Lasten einer leistbaren Pflege für alle.