eingSCHENKt: Im Geld schwimmentun & lassen

Doris ist verzweifelt. Ihr neunjähriger Sohn Marcel schläft abends schlecht ein und will am nächsten Tag nicht zur Schule gehen. Beim Elternsprechtag letzte Woche hat sie vom Klassenvorstand erfahren, dass er sich auch im Unterricht ziemlich aufführt. Außerdem wirkt er oft unkonzentriert und abwesend. Die besorgte Mutter ruft in der Familienberatungsstelle an, um einen Beratungstermin zu bekommen. Sie braucht Hilfe für sich und ihren Sohn. Doch die Not wird noch größer, als sie dort erfährt, dass derzeit keine Termine vergeben werden können. Der Grund dafür: das Bundesministerium für Frauen, Familie und Jugend hat die Budgetmittel dafür gekürzt.Doris ist kein Einzelfall, denn gekürzt wird österreichweit. Das bedeutet, dass ca. 26.000 Beratungsstunden weniger für Österreichs Familien in Krisen und Problemsituationen zur Verfügung stehen. In der Familienberatung finden Menschen kostenfreie und anonyme Unterstützung in vielfältigen Krisen wie zum Beispiel bei Erziehungsproblemen, Familien- und Paarkonflikten, Trennungen, Kindesmisshandlungen, häuslicher Gewalt, schulischen Problemen, Arbeitslosigkeit, psychischen Problemen, Behinderung, (Cyber-)Mobbing, Diskriminierungen oder Sucht. Ziel ist neben der Hilfestellung in akuten Lebenskrisen eine umfassende Präventionsarbeit, z. B. hinsichtlich Gewalt und Missbrauch. Oft kann die Situation mit nur wenigen Beratungsgesprächen spürbar entlastet und verbessert werden.

Gleichzeitig schwimmt der Finanzminister im Geld. Das ist wichtig, in Rechnung zu stellen, wenn jetzt gekürzt wird bei Familienberatungsstellen, Integrationsmaßnahmen, Arbeitsmarktprojekten und dem sozialen Netz für die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung. Der Finanzminister hat kein Einnahmenproblem. Im Gegenteil. Das Steueraufkommen entwickelt sich so gut wie schon lange nicht mehr. Die Einnahmen sind um knapp fünf Milliarden beziehungsweise rund zehn Prozent höher als im letzten Jahr. Darin kommt die derzeit gute wirtschaftliche Entwicklung zum Ausdruck.

Wohin soll also das Geld gehen, das hier den Ärmsten vorenthalten wird? Gehortet wird das für eine Körperschaftsteuersenkung. Kostenpunkt: 1,5 Milliarden Euro. Wenn man die begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne mitrechnet, bis zu 2 Milliarden Euro. Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer (KöSt) betrugen bislang 5,8 Prozent der gesamten österreichischen Steuereinnahmen. Österreich ist damit eines der Schlusslichter der EU. Der Großteil der Steuern wird von Arbeitnehmer_innen und Konsument_innen bezahlt. Durch die Senkung der Körperschaftsteuer wird diese Schieflage der Steuerstruktur weiter verschärft. Besser wäre es, Maßnahmen gegen den schädlichen Steuerwettbewerb zu setzen, zum Beispiel über einen europaweiten Mindeststeuersatz für Großkonzerne.

Die große Mehrheit der Betriebe in Österreich hat nur wenig von der Senkung der KöSt. Denn die gewinnstärksten fünf Prozent der Betriebe zahlen 80 Prozent der Körperschaftsteuer – diese fünf Prozent sind es auch, denen eine Senkung in erster Linie zugute kommt. Für kleine und mittlere Betriebe bleibt nur ein sehr kleiner Teil der Entlastung, den Beschäftigten und allen anderen drohen dafür Belastungen oder Einschnitte im sozialen Netz – wie im Fall von Doris und ihrem Sohn Marcel, die keine Unterstützung in der Familienberatung mehr bekommen.

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