eingSCHENKt: Privatkonkurs – Neuanfang möglichtun & lassen

Arbeitslosigkeit und Einkommensverminderung war der mit Abstand häufigste Überschuldungsgrund bei den Menschen, die letztes Jahr zur Schuldenberatung gekommen sind.Viele Menschen mit geringem Einkommen hatten bisher keine Chance, die Mindestquote von zehn Prozent aller Schulden für den Privatkonkurs zu schaffen. Seit der Reform letzten Jahres dürfen auch sie hoffen und neu durchstarten. Das erhöht die Zukunftschancen für ganze Familien. Denn je länger Menschen in Armut leben, umso langfristiger sind die Auswirkungen – für die Gesundheit und für die Chancen der Kinder. Die gesundheitlichen Folgen von Überschuldung werden oft nicht beachtet. Sie sind massiv.

Ein Viertel der Menschen, die bei der Schuldenberatung waren, hatte weniger Einkommen als das Existenzminimum zur Verfügung, bei jungen Leuten war es sogar ein Drittel. Für eine alleinstehende Person liegt das Existenzminimum bei 889 Euro. Bis zu diesem Betrag wird bei einer Lohnexekution gepfändet und bei Privatkonkurs alles bis dahin zur Rückzahlung der Schulden verwendet. Die zehn Prozent Mindestrückzahlung hat ganze Gruppen von Menschen bisher aus dem Privatkonkurs ausgeschlossen. Das betraf sowohl gescheiterte Selbstständige mit hohen Schulden als auch Menschen mit niedrigem Einkommen, die wenig bis gar nichts zurückzahlen konnten. Ihre Schulden lösten sich aber nicht in Luft auf, sondern wurden wegen der Kosten- und Zinsspirale immer mehr. Es macht wirtschaftlich keinen Sinn, diesem Schuldenberg beim Wachsen zuzusehen. Einen großen Brocken der Schulden machen Mahnspesen, Inkassokosten, Zinsen und Zinseszinsen aus. Der offene Betrag liegt meist nur bei der Hälfte. In fünf Jahren verdoppeln sich die Schulden. Wer also rasch entschuldet, entschuldet nachhaltig.

Vor allem sozialpolitisch betrachtet ist der neue Privatkonkurs eine wirksame Maßnahme zur Armutsbekämpfung. Niemand nützt es, wenn auf Dauer das Geld für das Nötigste im Haushalt fehlt und der/die Exekutor_in regelmäßig an die Tür klopft. Anstatt ganze Familien in Ausweglosigkeit zu stürzen, macht die Reform den Privatkonkurs nun auch Menschen zugänglich, die bisher davon ausgeschlossen waren: Menschen mit niedrigem Einkommen wie Arbeitslose, Mindestpensionist_innen oder Alleinerzieher_innen. Sie wurden bisher Jahre oder Jahrzehnte bis zum Existenzminimum gepfändet. Viele gaben sogar noch davon Geld her, um die Mindestquote zu schaffen.

Ein Privatkonkurs ist weiter eine harte Sache: Bevor der Konkurs überhaupt eröffnet werden kann, wird das gesamte Vermögen verwertet. Haus, Auto, Sparbuch – alles was nicht unbedingt (etwa für die Berufsausübung) gebraucht wird, muss verkauft werden. Außerdem unverändert: Zu Beginn wird ein Zahlungsplan mit den Gläubiger_innen verhandelt, wo weiterhin Teilzahlungen bis zu sieben Jahre lang möglich sind. Die Menschen leben, gerichtlich verordnet, in Armut. Das nehmen sie auf sich, um endlich schuldenfrei zu werden. Der nächste überfällige Schritt zur Armutsbekämpfung und zur Vermeidung all der negativen Folgen für Gesundheit und Kinder wäre: das Existenzminimum zumindest auf die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle anzuheben.