eingSCHENKt: Seelisch verletzte Kindertun & lassen

Die Eltern sind auf die vierzigste Woche eingestellt, alle denken, dass das Kind im Juli zur Welt kommt, und plötzlich findet die Geburt im Februar statt.Oft müssen die Kleinen im Krankenhaus bleiben, um überwacht zu werden. Die frisch gebackenen Eltern kommen ohne Kind heim, Familie und Freund_innen trauen sich nicht nachzufragen, es gibt keine Glückwünsche. Kommt ein Baby zu früh auf die Welt, ist es vielen Reizen brutal ausgesetzt. Es ist, als ob man auf einen 5000er geschickt wird – ohne Kondition, ohne Kompass, ohne Schuhe, ohne Kleidung, überhaupt nicht gesichert. Meist werden die Frühgeborenen in den ersten Wochen intensivmedizinisch versorgt. In der Intensivstation sind Hoffnung und Angst ständige Begleiter. Dieser an sich lebensrettende Ort erzeugt aber auch Stress im Nervensystem des Neugeborenen – die Trennung von der Mutter, das Piepsen des Inkubators, das grelle Licht. Ein Rucksack, den viele Kinder ins Leben mitnehmen. Auch später kann es immer wieder vorkommen, dass Veränderungen im Leben wie Kindergartenstart oder Schulwechsel ein hohes Maß an Stress erzeugen. Bei Frühchen muss später gar nichts sein – aber es kann: Die Verletzlichkeit des Handvoll Lebens mit 600 Gramm war einfach sehr hoch.

Viele Verwundungen aber, besonders die seelischen, kommen auch ganz anderswo her. Die aktuelle Studie zur psychischen Gesundheit von Teenagern teilt die Risikofaktoren in drei Kategorien: erstens die soziale Dimension. Das betrifft Kinder und Jugendliche, die ohne erwachsene Bezugsperson aufwachsen oder in Familien mit finanzieller Not leben müssen. Zweitens gesundheitsbezogene Risikofaktoren: zum Beispiel diagnostizierte psychische Erkrankungen in den Familien, traumatisierende Ereignisse wie Missbrauch und Gewalt, Tod einer nahestehenden Bezugsperson oder chronische physische Erkrankungen. Drittens geht es um persönliche Unsicherheit wie eine instabile, verwirrende Elternbeziehung oder arge Erlebnisse mit Mobbing. Traumatische Erfahrungen und prekäre Bindungen sind oft Ursachen für seelischen Verletzungen.

Am häufigsten treten Angstzustände auf, gefolgt von depressiven Leiden. Bei Burschen gibt es mehr Selbstverletzungen und Probleme mit Impulskontrolle, Mädchen sind von Angst häufiger betroffen, besonders gefährdet mit Essstörungen. 14 Prozent der Kinder in Österreich brauchen therapeutische Hilfe bei Depression, Angstzuständen, Trauer oder traumatischen Erlebnissen. Die meisten von ihnen konnten keine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen – aus dem Grund, dass ihre Eltern sich diese nicht leisten können. Die Hälfte der Kinder war nicht in therapeutischer Behandlung, 20 Prozent der unbehandelten Kinder wünschen sich aber eine fachgerechte Hilfe.

Kinder brauchen Unterstützung, wenn sie mit ihrem Alltag und mit sich selbst nicht mehr zurechtkommen. Die Wunden seelischer Verletzungen zu heilen, verlangt Zeit und gute Begleitung. Es gibt hierzulande zu wenige kostenfreie Therapieplätze oder elendslange Wartezeiten. Besonders schwierig ist das nochmal außerhalb der Ballungszentren am Land. Kinder brauchen jemanden, auf den sie sich verlassen und an dem sie sich orientieren können. Seelisch verletzte Kinder brauchen heilsame Beziehungen.