eingSCHENKt: Stimmen gegen Armuttun & lassen

Mindestsicherungsgesetze werden durchgeboxt, ohne die betroffenen Frauen, Männer und Kinder zu hören. Arbeitsmarktreformen werden erlassen, ohne den Alltag der Betroffenen zu kennen. Soziale Rechte bei Menschen werden abgebaut, nur weil sie weniger Geld und weniger Macht haben.Bei Gesetzen dürfen diejenigen aber nicht vergessen werden, die eine gute Verwaltung und gleichen Zugang zum Recht – egal ob arm oder reich – am meisten brauchen. Ein bürgerfreundliches und grundrechtsorientiertes unteres soziales Netz verbessert den Schutz vor Armut. Barrieren auf den Ämtern aber verlängern die Notsituation. Besonders auf den Sozialämtern wird in zahlreichen Studien ein willkürlicher und bürgerunfreundlicher Vollzug festgestellt. In anderen Feldern des Wohlfahrtstaates haben sich Beschwerde- beziehungsweise Kontrollstrukturen etabliert: zum Beispiel im Gesundheitssektor die Patientenanwaltschaft oder bei Heimen die Bewohnervertretung oder für geschlossene Einrichtungen die Kommissionen der Volksanwaltschaft. Am Arbeitsamt und am Sozialamt aber gibt es bis jetzt keine unabhängigen Kontrollinstanzen für Betroffene. Eine Möglichkeit wäre hier gegenüber dem AMS eine Arbeitslosenanwaltschaft einzusetzen, die die Rechte von Erwerbslosen wahrt und Missständen nachgeht. Was es jedenfalls braucht, sind unabhängige Stellen, die über eine beraterische Funktion hinaus den Charakter von «Rechtsdurchsetzungsagenturen» haben. Sie müssen der Ort sein, wo sich potenziell Anspruchsberechtigte vor einer Antragstellung über ihre Rechte informieren können, und wo sie später auch die Rechtmäßigkeit ihres Bescheids überprüfen lassen können. Diese Beratungs- und Rechtsdurchsetzungsagenturen müssen mit der Kompetenz ausgestattet sein, im Auftrag ihrer Klient_innen gegen Bescheide zu berufen.

Für eine bessere Bürger_innenbeteiligung müssen mit neuen Partizipationsprojekten besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen eingebunden werden. Da braucht es Instrumente und Verfahren, um diese Expertise auch in die politischen Entscheidungsstrukturen einfließen zu lassen: im Verwaltungsrat des AMS oder in Beratungsgremien für Minister_innen oder in Strategieforen der Gesundheitsbehörden oder in Programmen der Gemeinden. Sie können Einblicke und Lösungen erbringen, an die vorher nicht gedacht wurde. Sie beteiligen Bürgerinnen und Bürger aller Schichten, Einkommen und Herkunft an entscheidenden Fragen des Gemeinwesens.

Je ärmer jemand ist, desto seltener beteiligt er oder sie sich an Wahlen. In Bezug auf politische Mitbestimmung und Wahlen haben wir sehr eindeutige Ergebnisse. Vor 15 Jahren war der Unterschied zwischen der Wahlbeteiligung der oberen zehn und der unteren zehn Prozent zwischen 85 und 95 Prozent. Heute wählen die oberen zehn Prozent immer noch zu 90 Prozent, die unteren zehn Prozent sind auf unter 50 Prozent zurückgefallen. Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto geringer ist die Wahlbeteiligung. Die Studie Prekäre Wahlen untersuchte die sozial gespaltene Wahlbeteiligung zur Bundestagswahl in Deutschland. Dort heißt es: «Je prekärer die soziale Situation, d. h. je höher der Anteil von Haushalten aus den sozial prekären Milieus, je höher die Arbeitslosigkeit, je schlechter die Wohnverhältnisse und je geringer die durchschnittliche Kaufkraft der Haushalte in einem Stadtviertel oder Stimmbezirk, umso geringer ist die Wahlbeteiligung.» Die oberen zwei Drittel der Gesellschaft haben erheblich größeren Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments genommen als das untere Drittel.

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