eingSCHENKt: Trotz Fleiß kein Preistun & lassen

Monika hat mir das Flugblatt gezeigt. Darauf steht etwas von «Fleißigen» und «Faulen». Die Faulen sind die mit der Mindestsicherung. Monika und ihre drei Kinder haben sechs Monate Mindestsicherung bezogen. «Ich hätte nicht gewusst, wie wir tun», erzählt sie.Auf dem Flugblatt ist zu lesen, dass die Volkspartei Niederösterreich eine Kampagne «für die Leistungswilligen im Land» gestartet hat. Gut, Monika braucht sich vom Herrn Klubobmann nichts über denstressigen Alltag als Alleinerzieherin mit prekärem Job, fordernden Kindern und knappem Haushalt ausrichten lassen. Bei genauerer Betrachtung geht es aber gar nicht darum, das auch in Niederösterreich drängende Problem der «Armut trotz Arbeit» aufzugreifen, oder Vorschläge für mehr und bessere Jobs zu machen, oder für Anerkennung von Erziehungs- oder Pflegearbeit zu werben. Die «Kampagne für die Fleißigen» ist in Wirklichkeit eine Anti-Mindestsicherungs-Kampagne. Die berechtigte Wut derer, denen trotz Fleiß kein Preis winkt und die trotz Erwerbsarbeit Probleme haben, über die Runden zu kommen, soll gegen jene gerichtet werden, die auf Mindestsicherung angewiesen sind und sie auch in Anspruch nehmen.

Dafür müssen die Armen reich gerechnet werden. Und Leute im untersten Einkommensbereich gegeneinander ausgespielt werden. Ein Tischler wird als «Fleißiger» gegen die «Faulen» in Stellung gebracht. Die Rechnung ist diffamierend und falsch. Die Kampagne unterschlägt fast 1000 Euro im Monat. Das heißt: Entgegen der Darstellung der NÖ. Volkspartei hat nicht die mindestsicherungbeziehende Familie, sondern die Familie des Tischler-Gesellen aufs Monat umgerechnet um 770 Euro mehr zur Verfügung. Und hat ebenso wie die Familie mit Mindestsicherung Anspruch auf Rezeptgebühren-Befreiung. Hinzu kommen zusätzliche Ansprüche in Arbeitslosen- und Pensionsversicherung, sowie die steuerliche Absetzbarkeit von außerhäuslicher Kinderbetreuung oder Pendlerhilfe wie Wohnzuschuss. Interessantes Detail am Rande: Die Familie des Tischler-Gesellen hätte, sofern sie in einer Mietwohnung lebt, selbst Anspruch auf Mindestsicherung – und gleichzeitig jede Menge Gründe, diese nicht in Anspruch zu nehmen: Sparbuch auflösen, Auto, Lebensversicherung, Bausparvertrag, Haus und Grund veräußern.

Man muss also einiges verschweigen, damit die Kampagne gegen Mindestsicherungsbezieher_innen «funktioniert»: Es gibt kein Gegensatzpaar «Arbeiter» gegen «Mindestsicherungsbezieher». Das sind dieselben Menschen. Sie pendeln zwischen Job und Mindestsicherung hin und her. Oder haben einen schlecht bezahlten Job, zu dem sie fürs Überleben eine Aufstockung aus der Mindestsicherung bekommen. Es sind Leute wie du und ich. Junge und Alte, Mütter und Väter, Familien – mehr als ein Viertel aller sind Kinder. Weitere 30 Prozent sind Beschäftigte mit niedrigem Einkommen. Oder Personen, die ihre Arbeitskraft nicht einsetzen können, weil sie zum Beispiel Angehörige pflegen oder Kleinkinder betreuen müssen.

«Ich habe die diffamierende Rede von diesen Politikern wirklich satt», sagt Monika. Einen eigentlich «bescheidenen, aber dringlichen» Wunsch hätte sie noch: dass die «abwertende und falsche Rede über uns ein Ende nimmt».