eingSCHENKt: Wie viel brennst du fürs Wohnen?tun & lassen

In München, Hamburg und Berlin steigen die Mietpreise kräftig, ebenso in anderen Großstädten. Auch in Wien – aber nicht so stark wie in anderen Millionenstädten. Dresden verkaufte 2006 alle kommunalen Wohnungen; Berlin kauft gerade für viel Geld Wohnungen zurück, nachdem es vor Jahren große Bestände verschleudert hat. Die Stadt Wien hingegen besitzt heute 220.000 Wohnungen in 1749 Gemeindebauten – ein Viertel aller Wiener Wohnungen. Gut jede siebente Gemeindewohnung liegt in den beliebten Innenstadtbezirken, selbst im noblen ersten Bezirk gehört jede 23. Wohnung der Stadt.Die eine Position geht nun so: Wenn die Stadt billige Wohnungen fördert, dann sollen sie in erster Linie den Ärmsten zugutekommen. Die zweite Position lautet: Indem man Gemeindewohnungen nicht nur an die Ärmsten, sondern auch an die Mittelschicht vergibt, fördert man die soziale Durchmischung. Viele Expert_innen neigen zu Letzterem. Wer nur die Ärmsten in kommunalen Anlagen einquartiere, erzeuge dort eine Abwärtsspirale, sagt Kathleen Scanlon, Forscherin an der London School of Economics und Mitautorin eines Buchs über sozialen Wohnbau in Europa. «Dann gibst du 40 Jahre später viel Geld aus, um das zu korrigieren.» Der gemeinnützige Wohnbau bringt uns allen eine durchschnittliche Miet­ersparnis pro Haushalt von 74 Euro.

Bereits zu Beginn des sozialen Wohnbaus, als Folge des sozialen Elends nach der industriellen Revolution und nach der Massenarmut des Ersten Weltkriegs, ging es darum, Bevölkerungsgruppen mit kleinem Einkommen ein gesundes Wohnumfeld zu bieten. Gemeindebauten wurden in Hofform angelegt, mit Grünflächen, Begegnungsräumen und Kindergärten. Die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky erfand mit der sogenannten «Frankfurter Küche» den Urtyp der modernen Einbauküche mit dem Ziel das Kochen zu erleichtern und damit auch der (unteren) Mittelschicht ein gutes und gesundes Wohnen zu ermöglichen. Oft werden genau diese Wurzeln und Ziele heute vergessen.

Was dann passiert, zeigte sich im Sommer in London: Im Westen der britischen Hauptstadt ist ein 24-stöckiges Wohnhaus ausgebrannt. Anwohner_innen hatten sich bereits vor Jahren über unzureichenden Feuerschutz beschwert. «Die Premierministerin bietet uns Grütze und sagt uns dann, sie schmeckt wie Kaviar», erzählt mir Jugendarbeiter Sameer aus London. Die Jugendzentren wurden geschlossen, die Unterstützung für günstige Wohnungen um 60 Prozent gekürzt, die Schulen verfallen, prekäre Jobs breiten sich aus, sozialer Wohnbau wird ausgehungert oder die Mittel dafür gekürzt, was im Fall des Grenfell Tower dazu führte, dass das Gebäude unzureichend saniert worden war. Die Folge: Ein Brand in einer Wohnung breitete sich auf das gesamte Gebäude aus, 76 Menschen kamen ums Leben. Parallel wurden die Gelder in den Finanzdistrikten der City of London verspekuliert oder in den Sicherheits- und Kontrollapparat verschoben. So viele Kameras auf öffentlichen Plätzen gibt es nirgendwo in Europa, dem Gefängnis- und Sicherheitsbusiness geht es prächtig. Zumindest eines ist sicher: So werden die Wohnprobleme nicht kleiner.