Einige besonders lustige WortspendenDichter Innenteil

Illustration: Thomas Kriebaum

Gottfrieds Tagebuch im Mai 2023

21. 4.
Kater Karlo geht seiner ­umfangreichen Tätigkeit als Fenstergucker nach. In ­einer kleinen Pause wiederum beschimpft er seinen eigenen Schatten. Mir gehen inzwischen die Möglichkeiten aus, ausreichend Begeisterung zu zeigen und zwar in Bezug auf die Mitglieder-Befragung der SPÖ. Also, es ist bitte Folgendes! Was soll ich mir zum Beispiel dabei denken, wenn ich von Herrn ­Doskozil gebeten werde, ihm meine Stimme zu geben? Außerdem war wiederholt von «Mitgliederinnen» die Rede. Also jetzt einmal ernsthaft, meiner bescheidenen Meinung nach sollte Sprache auch noch irgendwie Sinn ergeben. Einige besonders lustige Wortspenden sprechen ­inzwischen ja auch schon von «Mitgliederaußen». Das finde ich persönlich etwa genauso lustig wie eine Hellseherin, die nach dem Klopfen an ihre Türe «Wer ist da?» ruft. Kater Karlo tangiert diese Problematik relativ peripher.

25. 4.
Heute vor 40 Jahren präsentierte der Stern die angeblichen Hitler-Tagebücher. Eine gigantische Fälschung, die den Rahmen meines Tagebuches sprengen würde. Kater Karlo, der mir beratend zur Seite liegt, bringt mich auf die Idee, in meinen Gedankengängen nach passenden Bemerkungen zu diesem Thema zu forschen. Die umfangreiche Hausdurchsuchung zeitigt eine reiche Ernte und somit stehe ich so ratlos vor einer Auswertung, wie es Kater Karlo schon immer befürchtete. Er erweist sich allerdings als wenig hilfreich und bringt den dösenden Kater äußerst glanzvoll zur Aufführung. Ich scheine ein leichtes Schnarchen von ihm zu hören. Bevor ich ebenfalls in einen Dämmerzustand verfalle, greife ich zur schärfsten Waffe, die mir im Zusammenhang mit der NS-Zeit zur Verfügung steht, nämlich zum Flüsterwitz. «Geht ein Mann umher und erklärt überall: ‹Erst komme ich, dann kommt Hitler!› Er wird zur Polizeiwache gebracht und gefragt, wie er dazu kommt, so etwas zu behaupten. ‹Weil es stimmt und weil ich es beweisen kann!› ‹Wie heißen sie?› ‹Heil.›»

2. 5.
Immer wieder stolpere ich über die Mitgliederbefragung der SPÖ, bei der man letztlich aus 4 Möglichkeiten wählen kann. Also die 3 bekannten Personen und zusätzlich steht auch noch «­Keiner» zur Auswahl. Dieser Kandidat ist uns ­allen sehr gut bekannt und zwar in allen Bereichen des Lebens. Wenn zum Beispiel irgendetwas kaputt geht, war es meistens «Keiner». Wenn die ­Inflation munter vor sich hin galoppiert, war es ebenfalls «Keiner». Wenn immer mehr Kinder von akuter Armut bedroht sind, ist natürlich ebenfalls «Keiner» daran schuld. Andererseits scheint in der derzeitigen Regierung «Keiner» wirklich kompetent zu sein. Hier gilt jedoch auch, dass «Keine» kompetent ist. Kater Karlo hat hierzu allerdings keine Meinung, er döst lieber unschuldig vor sich hin.

10. 5.
KI = künstliche Intelligenz wird zu ­einem immer größeren Thema. Für mich entsteht der Eindruck, dass es hierbei in Richtung «Zauberlehrling» geht. Denn ohne ausreichende natürliche Intelligenz wird das eher übel ­enden. Zumindest für denkentschleunigte Wissensallergiker:innen. Es verhält sich hierbei ähnlich wie mit Dynamit. Ursprünglich war es für etwas Gutes bestimmt, aber die Menschheit an sich ist ja immer gerne bereit, so eine Chance zu missbrauchen. Kater Karlo verlässt sich auf seine natürliche Intelligenz und die führt ihn zu seiner Futterschüssel, während ich nach passender Begleitmusik forsche. Im Du-Rohr (= YouTube) ­werde ich wie üblich fündig und möchte Angel City Chorale mit «Baba Yetu» wärmstens empfehlen.