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Peter Dworak, Menschmaler zwischen Nasch- und Flohmarkt

PeterDworak.jpgEinst hatte der Aufzug, der in Peter Dworaks Himmelsatelier hinaufführte, eine gepolsterte Sitzbank aus Mahagoniholz. Heute ist er ersetzt durch einen Lift der üblichen Art, in genormter Ausführung, steril, funktionell, glatt. Da oben, im letzten Stock eines bürgerlichen Hauses in der Kettenbrückengasse im 5. Wiener Gemeindebezirk wohnt er, der ernsthaft arbeitende Zeichner und Maler Peter Dworak. Man kennt ihn im Grätzel. Er ist tatsächlich eine auffallende Erscheinung.

Mein Vater hatte eine Mannequinfigur. Ich beneide ihn darum. Bei mir stimmt es hinten und vorne nicht. Es ist nicht nur der Bierbauch. Von Kopf bis Fuß bin ich verbaut: Kopf zu groß, Füße nicht einzuordnen, Beine zu gedrungen. Es bleibt mir nur mehr der Leidensweg eines Komikers. Schön war ich nie und werde es nie sein, so beschreibt er sich selbst. Aber die Welt soll wissen, dass wir Molligen nicht nur essen und trinken und fressen und saufen. Dadurch, dass die Haut gedehnt wird und zwar von innen her , können wir Dicken keine Dickhäuter sein, sondern allenfalls sensible Dünnhäuter. Und das trifft wohl tatsächlich auf ihn zu.

Was zeichnet und malt er? Sich selbst? Die Bilder meine Bilderkinder sehen immer wieder einen unsicheren, trinkenden, leidvollen, selbstmitleidigen, todesahnenden, aber auch zum sinnlichen Leben aufgerufenen Wiener Maler. Und Menschen, Menschlein, wie er sie oft nennt, sind Themen seiner Werke. Mit ironisch-kritischem Blick strichelt er sie auf die weißen Blätter, malt mit Ölkreiden und Buntstiften. Oft zeigt er Schmerzendes, Schwärendes, dringt sein Zeichenstift unter die Haut, schaut tief hinein in Unwägbares, Verdecktes.

Man ist diesem Maler ausgeliefert wie ein Patient dem Operateur. Er malt in die Menschen hinein, bleibt vor ihnen und durchdringt sie doch, ihre Augen, ihren Mund, überschreitet das Äußere, den Schutz, die Grenze, wie es ein Chirurg mit dem Skalpell tut, schreibt Peter Turrini in seinem Vorwort zu einem der kleinen Text-Bild-Bändchen des Peter Dworak mit dem Titel net weinen.

In jeder Verkleidung armselig: der Mensch

In unserem Gespräch gehen wir in der Zeit zurück: zu seinen Eltern, die ein kleines Geschäft für Beleuchtungskörper im 6. Bezirk führten, zu der Kindheit am Rand von Wien. Schon mit 16 Jahren wird er am Schillerplatz aufgenommen, bei Professor Melcher, dem verehrten und geliebten Lehrer, in die Klasse für Malerei und Grafik. Es war eine glückliche Zeit, vielleicht seine glücklichste, denn man hat mich lassen. Und da gab es die Stammlokale der Künstler, wo in alkoholgeschwängerter Atmosphäre ehrliche Gespräche geführt wurden. Den Baron Drawnitschek in der Mondscheingasse, das Café Arc und das Stehbeisel in der Windmühlgasse. Hermann Schürer, Gerhard Jaschke, Joe Berger, manchmal auch Franz Ringel waren Stammgäste. Musik hörten sie bei Uzzi Förster in der Joanelligasse oder in der Jazzspelunke. Schon mit 20 machte Peter Dworak seinen Abschluss an der Akademie. In der Galerie Blutgasse fanden die Kunstbuben eine Heimstätte für erste Ausstellungen.

Gab es Vorbilder für den jungen Pinselschwinger? Ja, Ringel, Pongratz, Frohner oder Hrdlicka hat man schon vorgefunden. Arnulf Rainer und André Heller lenkten seine Aufmerksamkeit auf die Art Brut und die Gugginger Künstler.

Peter Dworak arbeitet intensiv. Fünf Stunden am Tag. Die Werkanzahl seiner Bilder umfasst bis jetzt 4000 bis 5000 Stück. Er sieht sich vor allem als Erzähler in Bildern, als feinnerviger Beobachter der Menschen, dieser Kreaturen, die in jeder Verkleidung armselig sind, und stellt sie auf seine Weise dar. Mit Zuneigung und Ablehnung. Und verweist nachdrücklich darauf, wie enttäuscht er darüber ist, dass das Kulturamt seiner Heimatstadt Wien zu seinem 60.Geburtstag keinen Ankauf eines seiner Bilder getätigt hat.

Peter Dworak ist ein Doppeltalent, denn er ist auch ein begabter Schreiber kleiner literarischer Skizzen, Reflexionen über sich und all dessen, was er in seiner unmittelbaren Umgebung genau und interessiert beobachtet. Oft ist der Wiener Naschmarkt Schauplatz für seine Texte. Der kritische Blick auf die samstägliche Flohmarktszene endet letztlich doch mit einer Liebeserklärung.

Es wird wie immer Nachmittag. Die Gasthäuser sind überfüllt. Die Aussteller nostalgischer Qualitäten geben es bereits billiger. Schließlich soll doch alles verkauft werden. Vom Baby bis zur Großmama. Polizeiautos kreisen aus unerlässlichen Sicherheitsgründen um den Altwaren- und Drogenabsatzmarkt. Die Alkoholleichen werden liegen gelassen. Homosexuelle und andere Sexuelle treffen einander in nahe liegenden Lokalen. Die Bürger schaffen ihre neu erworbene Vergangenheit in ihre Burgen. Gleich wird der Flohmarkt menschenleer sein. Aber die wundervollen Geräusche der Stadt sind noch nicht verstummt. Bevor es dunkel und leiser wird an unserem Sammelplatz kleinerer und größerer Existenzen, sage ich, dass ich hier bin und lebe als Maler und Mensch als Menschmaler nahe der U-Bahn-Station Kettenbrückengasse.

Feigheit vor unerkannten Feinden

Und immer wieder sind diese Gasse und sein Atelier Thema in dem Textbuch mit Bildern Schöne Leut aus Wien(1988).

In der Kettenbrückengasse wohne und arbeite ich seit bald zwanzig Jahren, in meinem Atelier nahe dem Himmel, und so wie ich die mir anhaftende Reiseunlust, ja Reisescheu, und meine Angst vor Veränderungen (auch geografischer Natur) kenne, werde ich wohl solange an dieser Kettenbrückengasse hängen, bis eine bescheidene, aber grafisch hervorragend gestaltete Gedenktafel am Haus Nr. 21 an das einst dort herumirrende, mit sich selbst und dem Leben ringende Wesen erinnern soll, das nicht nur zum Leidwesen der Mitmenschen ein so überaus gesellschafts-, zeit- und sozialkritisches Zeichner- und Malerwesen geworden war, weil es nie mit sich selbst zurechtkam. Im Haus Nr. 21/1.Stiege/5.Stock/Himmelstür Nr.15 entstehen Jahr und Tag und bei jeder Witterung die neurotisch-erotischen Bilderkinder.

Parteipolitisch lässt sich Peter Dworak nicht festlegen.

Ich bekenne mich als untauglich (wie damals bei der Einberufung zum Bundesheer), mich links oder rechts hinstellen zu lassen. Mit dem Vorwurf der Feigheit vor unerkannten Feinden muss ich fertig werden.

Und der eher menschenscheue Pinselschwinger vom Naschmarkt meint dennoch, es sei verdammt wichtig, miteinander zu reden, über unser Leben, unsere Lebensangst, aber auch über unsere Empfindungen jenseits der Angst; über unser Frühlingserwachen, über alle unsere lebendigen, sinnlichen Wahrnehmungen.

Und da nehme ich diesen liebenswerten Zeitgenossen beim Wort, und wir reden miteinander noch einen Nachmittag lang.

Info:

Die nächsten Ausstellungen des Künstlers finden am 11. Oktober 2008 in der Galerie am Lieglweg in Neulengbach und am 4. Dezember 2008 im Künstlerhaus unter dem Titel Mixis, die Musen, Menschentiere mit Präsentation des gleichnamigen Buches statt.