Musikarbeiter unterwegs … Graz, Yppenplatz, Deutschland
Dives nennt sich ein junges Wiener Trio. Im November erschien ihr aufregendes, selbstbetiteltes Sechs-Songs-Tonträger-Debüt.Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto)
Dora De Goederen kommt als Erste ins Café am Yppenplatz, mit dabei eine Trommel ihres Drum-Sets. Das Zurückbringen der Ausrüstung nach einem Gig im Grazer Sub ist sich nicht mehr ganz ausgegangen, nach dem Interview geht’s zu einem Proberaumtreffen in der Nachbarschaft. Gitarristin und Sängerin Tamara Leichtfried folgt ihr unmittelbar nach, Bassistin und Sängerin Viktoria Kirner ist noch etwas länger mit der Parkplatzsuche beschäftigt, sitzt dann aber schließlich mit uns am Tisch. Einen solchen weiter fand unlängst ein Gespräch mit der Band Schapka statt, bei denen Dora ebenso spielt, dort (hauptsächlich) den Bass. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass die Entstehungsgeschichte der Dives mit dem Girls Rock Camp verbunden ist, wo Viktoria, Tamara und Dora im Jahr 2015 erstmals miteinander im Geist des Ausprobierens Musik machten.
Band werden.
Nachdem der gestrige Gig kurz reflektiert wird, nicht zuletzt die ermutigende Erfahrung, angekränkelt doch spielen zu können, und gut spielen zu können (Tamara), sprechen die Musikerinnen übers Girls Rock Camp. Tamara, die vorher schon als Gitarristin, als zweite Stimme und am Klavier in einer Band mitgewirkt hat, wollte sich dort eigentlich mit dem Schlagzeug beschäftigen. Der Dives-Song «Roof» ist von den rudimentären Anfängen übrig geblieben, von Dora – live und im Studio – gesungen und an der Gitarre gespielt. Die wertschätzende Atmosphäre, die Ermutigung über die Camps hinaus werden betont. Gleichzeitig war es für die Band, deren Protagonistinnen sich vorher nicht kannten, ein nicht ganz einfacher Prozess, tatsächlich zur solchen zu werden. Im Februar 2016 stand nach einem halben Jahr zu viert im Proberaum die Trio-Besetzung fest, im Juni folgte die Namensgebung. Der monatelanges Auflisten und Austauschen von Optionen vorangingen, erst die Deadline für ein Konzertplakat im Juni 2016 ließ sich das Trio auf Dives festlegen. Für Viktoria aus heutiger Sicht jener Name, gegen den sie am wenigsten Einwände hatte, und der neben Kriterien wie Kürze, Prägnanz oder leicht von der Zunge zu gehen gut dazu passt, worum es nicht nur im Verhältnis der Musikerinnen zu ihrem Material oder den Songs selbst geht. (Sich) Einlassen, Zulassen, Vertrauen, dabei mit einem nicht «zu tiefen meaning» Interpretationsräume und Entwicklungsmöglichkeiten intern und extern offen lassen. Dass Dives dann letztlich nicht am Plakat für ihr Debütkonzert im Rhiz stand, ist eine klassische Rock-’n’-Roll-Geschichte.
Was sind wir für Genre?
«Dives», der mit Wolfgang Möstl realisierte selbstbetitelte Tonträger, klingt ungeheuer lebendig, strotzt dabei vor der unbedingten Vitalität einer Band, die sich nach der künstlerischen Decke streckt (das Cover lenkt den Blick auf Balkone mit Sonnenschirmen und in einen blauen Himmel) und dabei gleichzeitig den Boden, auf dem sie operiert, erforscht und absteckt. Das fließt, dann bewegt es sich, ruckartig und überraschend, was zu einer gewissen Surf-Affinität der Dives passt. Das Trio ist nicht daran interessiert, einen homogenen Bandsound zu finden und diesen dann immer wieder bis zur Perfektion zu reproduzieren. Stattdessen realisieren sie Song für Song, machen den Geist des Ausprobierens, des nicht Repetitiven zum Stilmittel. Dabei gibt es Konstanten, die sich in den Songs von «Shrimp» (Opener des Minialbums und erster Bandsong) bis «Squeeze» wiederfinden, wie die Verzerrung auf Bass und Gitarre oder der zweistimmige Gesang. Während Tamara ihre Texte spielerisch entwickelt, übers Phrasieren und das Singen von Gibberish schließlich zu fertigen Lyrics gelangt, was dann die Frage «Ist die Zeile eh drinnen?» nach sich ziehen kann, schreibt Viktoria ihre Songtexte konzentriert als solche. Sie ist mit deren Nichtabdruck im Artwork okay, weil sie gern den Raum hat und gibt, den ihr und den Zuhörer_innen diese Auslassung lässt. Musikalisch tragen alle drei gleich bei, Songs nehmen die unterschiedlichsten Anfänge, das wunderbare «Tomorrow» etwa mit einem eher zufällig eingesetzten Loop. Als ich jenes tolle Lied als «poppig» bezeichne, für mich ein Synonym für große Anziehungskraft und Zuneigung zu einem Song (vulgo «Hit»), diskutieren wir den Begriff «Pop». Dass Dives mit dem Produktcharakter von High-End-Kapitalismuspop nichts zu tun haben, ist klar. Sie lassen ihren Songs selbst nach deren Vertonträgerung ihr Leben, so wurde «Squeeze» gestern anders gesungen als bislang. Alle Dives verleihen dem Gefühl Ausdruck, manche der Songs erst jetzt richtig gut zu spielen. Mit gar nicht kleinen Umbrüchen im Privatleben parallel zur jungen Bandgeschichte – Viktoria hat ihr Studium beendet, Tamara ist dabei, dies zu tun, Dora hat zwei Studien begonnen – wird es spannend zu sehen, wie und wohin Dives, unmittelbar stehen Konzerte in Deutschland an, sich weiterbewegen.
Dives: «Same»
(Siluh Records)
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