Einweg ist kein Wegtun & lassen

Seit dem 1. Jänner  kommen auch Kunststoff und sonstige leichte Verpackungen in die Gelbe Tonne zu Metall und Plastikflaschen. Recycling ist gut, mit Pfandsystem besser. Österreich prokrastiniert.

TEXT: MATTHIAS JAROLIM
FOTOS: ALESSANDRO ALBRECHT

Bei einem Kaffee erzählte mir mein Vater von seinem Urlaub im Prag der 1980er-Jahre. Damals belächelten die Tourist:innen aus den westlicheren Ländern den Mangel an Plastik. Plastiksackerl wurden in Schaufenstern ausgestellt und beworben. Die Geschäftsbesitzer:innen waren stolz darauf.
Heute ist die Gefühlslage eine andere. Die meisten Menschen scheinen sich des Plastikproblems bewusst zu sein. Weshalb also fällt es uns so schwer, uns von dem in allen Farben erhältlichen Laster zu lösen? Plastik ist robust, formbar und rein. Dazu kommt wie immer die Kosten­frage. Der niedrige Preis, vor allem für neu produziertes Plastik, führt zu hoher ­Zugänglichkeit. Am Ende der linearen Kette angelangt, verliert es aber bald all seine positiven Eigenschaften.

Aufstieg ohne Fall.

Von Ötzis Pfeilspitze hin zum Elfenbeinersatz für Billardkugeln. Die Geschichte des Kunststoffs geht weit in die Vergangenheit zurück. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Erfin­dung vom thermoplastischen Kunststoff Poly-Vinyl-Chlorid (PVC), erkannte man das endlose Potenzial, und ein rasan­ter Aufstieg folgte. Neue Bindungen wurden entwickelt, und nach und nach ersetzten diese die herkömmlichen, langlebigen Produkte. Verkaufszahlen stiegen, Innovation konnte in kürzeren Intervallen stattfinden. Lange dauerte es aber nicht, bis man die Schattenseiten erkannte.
Heute reicht Plastik vom Mount Everest bis tief in den Marianengraben. Mit jeder Minute landet das Äquivalent einer LKW-Ladung in unseren Meeren. Durch die Einwirkung von Sonnenstrahlen und tiefen Gewässern zersetzt sich das Plastik in kleinere Stücke: das Mikroplastik. Dieses wiederum gerät über verstrickte Wege in unseren Nahrungskreislauf. Mit Schadstoffen, Hormonen und Medikamenten auf dem Buckel. Ganz zu schweigen von den indirekten, kaum messbaren Auswirkungen auf unsere Ökosysteme. Laut Schätzungen wird sich der Verbrauch trotz alledem bis 2050 vervierfachen. Eine Prognose, die eher Unmut auslöst.

Ewiger Kreislauf.

Die Welt des Plastiks ist kaum lichtdurchlässig. Müllexporte verwischen die Grenzen der Verantwortung. Die Definitionen in der Abfallwirtschaft sind fließend. Verschiedene Formeln hüllen genaue Zahlen in Nebel. Anhand der Plastikflasche lässt sich hier ein klareres Bild abzeichnen. Weltweit ­beläuft sich ihr Verbrauch jährlich auf 500 Milliarden, in Österreich kommen wir auf 2,5 Milliarden Flaschen und Dosen – trotz des herrlichen Trinkwassers. Im EU-Vergleich liegt ­unser Pro-Kopf-Verbrauch von Plastikflaschen weit über dem Durchschnitt – 50 Prozent, um genau zu sein. Doch scheinen uns die Mengen nicht auszureichen, denn Österreich ist laut der Organisation Greenpeace, der viertgrößte Importeur von Plastikmüll im Schengenraum (um ihn zu recyceln oder verbrennen). Auf den grünen Landstrichen neben der Autobahn müsste sich der Müll türmen. Was also passiert mit all den Waschmittelflaschen und Fleisch- bzw. Fleisch­ersatzverpackungen? Die Antwort hierauf lautet Recycling – die Wiederverwertung von Rohstoffen. Aber wie viel davon findet tatsächlich wieder zu neuem ­Anfang, und wird nicht zu Dreck oder zu Rauch aus Schornsteinen der Zementwerköfen?

Zu viel Rauch.

Recycling ist nichts Neues. Von der Kreislaufwirtschaft, wie sie im Buche steht, sind wir aber noch weit entfernt. Derzeit ­erreicht Österreich bei Getränkeverpackungen eine Sammelquote – das ist der Anteil an wieder eingesammelten Material – von ca. 73 Prozent, wovon allmählich die Hälfte verbrannt wird. Nur ein Drittel wird tatsächlich wieder zur Flasche oder Lebensmittelverpackung. Der Rest wird als sogenannter «Sekundärrohstoff» genutzt, ein anderes Wort für minderwertiges Plastik, das andere Wege in die Industrie findet.
Laut Harald Hauke, dem derzeitigen Vorstandssprecher der ARA Altstoff Recycling Austria, das österreichische Sammel- und Verwertungsunternehmen für Verpackungen, «­haben wir bei Papier und Glas die Ziele für 2030 schon heute weit übertroffen, auch bei Metall haben wir eine Sammelquote von über 80 Prozent». Will man aber beim Plastik die von der EU festgelegte Sammelquote von 90 Prozent bis 2029 erfüllen, liegt noch ein langer Weg vor uns. Seit dem EU-Beschluss aus dem Jahr 2019 ist ein Einweg-Pfandsystem in zunehmend mehr Ländern eine Selbstverständlichkeit geworden. Allein im vergangenen Jahr haben sechs Länder in Europa mit der Umsetzung begonnen.

Leer und gut.

In Österreich geht man zögerlich an die Sache ran.Dabei ist das Konzept simpel und effektiv. Meist wird dafür ein unabhängiger Systembetreiber gegründet. Eine Non-­Profit-Organisation, die die Stoffströme und ­Geldflüsse zwischen den Produzenten, dem Handel und den Kund:innen an der Kassa reguliert. Macht man es richtig, ist ein Pfandsystem ein Nullsummenspiel. Das Material wird, nachdem es vom Handel gesammelt und vom Systembetreiber abgeholt wird, verarbeitet und wieder an die Produzent:innen verkauft. Zurzeit noch mit erheblichem Qualitätsverlust. Ein sortenreines Sammeln würde die Reinheit des Rezyklats deutlich verbessern. Das Konzept ist in Österreich nicht fremd. Wofür sonst zerrt man die Bier-und Mineralwasserflaschen zurück ins Geschäft. Doch auf Eistee-Flaschen aus Plastik etwa wird bis heute immer noch kein Pfand ­erhoben. Das soll sich im Jahr 2025 ändern.
Die geforderte EU-Quote von 90 Prozent wird praktisch nur in Ländern mit einem flächendeckenden Pflichtpfand erreicht. «Hierzu braucht es endlich einen klaren Rechtsrahmen. Wir müssen bis 2025 das Recycling aller Kunststoffverpackungen verdoppeln. Dazu wollen wir jede Verpackung zurück, denn das Ziel geht weit über Getränkeflaschen hinaus», ­sagte der ehemalige Vorstand der ARA, ­Christoph Scharff. Der Beschluss, diesen Rahmen in Öster­reich zu schaffen, wurde 2021 mit einer Novelle im Abfallwirtschaftsgesetz gefasst. Bis dato ist es beim Beschluss geblieben. Die Details werden zurzeit ausgearbeitet, Zweifel hängen noch in der Luft. Bekannt ist bereits, dass dem Handel bis 2025 Zeit bleibt für Umbauarbeiten und um sich um Rücknahmeautomaten zu kümmern. Während die großen Handelsketten die Kosten dafür vorerst selbst übernehmen müssen, stellt man für kleinere Geschäfte einen Fördertopf der EU bereit. Ab diesem Jahr werden auch unter anderem Betriebe zum sortenreinen Sammeln verpflichtet und es wird die einheitliche ­Gelbe Tonne eingeführt. Neben den Handelsketten warten Organisationen wie Global 2000, die vor Jahren die Kampagne «Pfand drauf» initiiert ­haben, gespannt auf das Ergebnis. ­Kritikpunkte sind die langen ­Fristen für die Einführung ­sowie die ­schüchternen Mehrwegquoten. Denn in ­Zukunft soll es wieder erweitert die Option des Mehrwegs geben, welche über die vergangenen Jahrzehnte fast verschwunden ist. Das Ziel ­einer Mehrwegquote von 30 Prozent bis 2030 ist aber zurückhaltend. Im Vergleich liegt Deutschland heute schon bei 42 Prozent. Supermarktketten und die ­Industrie wollen mitreden. Hoffentlich sind sie nicht zu streng bei der Revision.
Der Traum von Recycling alleine kann aber aus ökologischer Sicht nicht die endgültige ­Lösung sein. Abfallvermeidung auf allen Ebenen ist und bleibt hier das oberste Prinzip.