Empathie purArtistin

Film

Ihr Mann stirbt, die Wirtschaft kriselt, Fern (60) kauft sich vom restlichen Lohn einen Van und begibt sich damit auf die Reise vom Mittleren in den fernen Westen der USA. Ihr Leben auf den Wohnmobilplätzen, ihre Begegnungen mit anderen Wohnungslosen und ihre prekären Jobs unterwegs schildert die Regisseurin Chloé Zhao in ihrem mehrfach preisgekrönten Roadmovie Nomadland. Unterwegs sein, sich keine Wohnung leisten können, prekär leben, sich nicht unterkriegen lassen – das sind alles Elemente, die Nomadland eigentlich zum perfekten Augustin-Film machen. Und ich kann mich an keinen anderen Film erinnern, in dem sämtliche Protagonist_innen ausschließlich freundlich miteinander umgehen. Dass es so viel Empathie auf der Leinwand gibt, ist von geradezu irritierender Schönheit.
Im Mittelpunkt von Zhaos Arbeit, in der es auch um die Erlangung oder Erhaltung der Würde in der Armut geht, steht die unfassbare Schauspielerin Frances McDormand. Sie wird von der Regisseurin von der ersten bis zur letzten Minute ins Bild gerückt – flankiert von den zauberhaften Landschaftsaufnahmen von Zhaos (Kamera-)Mann Joshua James Richards. Bezeichnend für die Qualität von Nomadland ist auch der Umstand, dass außer der – sagte ich schon: unfassbaren? – Frances McDormand mit nur einer Ausnahme (David Strathairn als Ferns heimlicher Verehrer) durch die Bank Laienschauspieler_innen den Film zum Erlebnis machen. Die meisten von ihnen ziehen tatsächlich in Vans durchs weite Land – etwa Bob Wells, der hier als sympathischer Guru gezeichnet wird. Und auch die grundgütige Charlene Swankie, deren tragisch-schöner Auftritt, wie der so vieler anderer, direkt unter die Haut geht. Ein berührendes Meisterwerk.

Nomadland (Regie: Chloé Zhao)
Derzeit zu sehen in etlichen Wiener Kinos