Ende der «Kältehilfe» – ab in den Parktun & lassen

In Wien fehlen 450 Notbetten für Wohnungslose

Das diesjährige «Winterpaket» ist zu Ende gegangen. Ende April schlossen fünf Wohnungslosen-Notquartiere mit insgesamt ca. 450 Nächtigungsplätzen ihre Pforten. Das heutzutage auch als Kältehilfe bezeichnete Maßnahmenpaket im Rahmen der Wiener Wohnungslosenhilfe – nämlich die zeitlich befristete Unterbringung von obdachlosen, nach Kriterien des Fonds Soziales Wien nicht-anspruchsberechtigten EU-Bürger_innen während des Winters – ist aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Die neue Initiative WOLO – Wohnungslos in Wien über die Folgen dieser unfertigen Notlösung für die Gestrandeten aus Rumänien, der Slowakei und anderen Ländern.Traditionellerweise wird heuer das fünfjährige Jubiläum der AudiMax-Besetzung begangen. Im Zuge dieser Besetzung wurde erstmalig und mit Nachdruck auf die Gruppe obdachloser Migrant_innen in Wien hingewiesen. Die Hauptuni verwandelte sich während des Student_innenaufstands in ein Notquartier. Die mittlerweile institutionell verankerte Winternothilfe gilt als eine Reaktion der offiziellen Wohnungslosenhilfe auf diese Situation. Sie endet auch dieses Jahr wieder mit Beginn der wärmeren Jahreszeit. Etwa 450 Menschen werden ab Mai keinen Schlafplatz in einem Notquartier mehr haben. Somit wird das Thema Wohnungslosigkeit sozialräumlich virulent und zu einer Frage der Nutzung des öffentlichen Raums und von deren ordnungspolitischen Regulierungsinstrumenten.

Man könnte auch von stadtpolitischem Zynismus sprechen, als nur wenige Wochen vor Ende des Winterpakets erneut Verdrängungstendenzen sichtbar wurden. Nachdem dem Thema Wohnungslosigkeit üblicherweise zu Weihnachten erhöhte mediale Aufmerksamkeit zukommt, hat es zuletzt durch einige traurige Ereignisse (Todesfälle in der U-Bahn-Station Volkstheater, Hütteldorf und im Frachtenbahnhof Floridsdorf) Eingang in die Chroniken unserer Tageszeitungen gefunden. Nach der Stadtparkräumung im Herbst 2013, als es unter Anwendung der entstaubten Campierverordnung zur Vertreibung der im Park verweilenden Obdachlosen gekommen war, ist vor wenigen Wochen erneut, nicht zuletzt durch Druck von der ÖVP-Bezirkspolitik, wieder eine Räumungsaktion vonstattengegangen. Es wurde eine zwischenzeitliche Lösung gefunden (siehe Ausgabe Nr. 388).

Da es sich bei den Obdachlosen im Stadtpark überwiegend um Menschen aus den neuen EU-Ländern handelt und diese vom Ende des Winterpakets betroffen sind, kann man von keiner längerfristigen Problemlösung sprechen. Eher drücken derartige Aktionen und Ordnungsinstrumente unter dem Deckmantel von Sicherheitsvorkehrungen und Anrainerbeschwerden die stadtpolitische Strategie aus: eine Politik der Kontrolle und Überwachung öffentlicher Freiräume und Parkanlagen. Derartige Aktionen richten sich explizit und gezielt gegen jene Gruppierungen, die als Randgruppen keinen Platz im Zentrum unserer Stadt – und damit unserer Aufmerksamkeit bekommen sollen.

Menschenwürdige Notversorgung nur im Winter?

In den letzten Jahren kam es auch unter dem Eindruck der Implementierung des Housing-First-Konzepts – als Teil des rot-grünen Regierungsübereinkommens von 2010 – zur Reduktion von (ganzjährig angebotenen) Notquartiers-Plätzen. So sperrte das «Haus Otto», Notschlafstelle für Männer, im Jahre 2013 (80 Plätze) sowie die «Hermine» als einziges Notquartier für Frauen bereits im Frühjahr 2012. Geplant wäre – getreu dem Housing-First-Gedanken –, dass wohnungslos gewordene Menschen nicht schrittweise durch ein Drei-Stufensystem geschleust werden, bestehend aus Notquartier, betreutem Wohnen und Finalwohnen in einer Gemeindewohnung, sondern unmittelbar eine neue eigene Wohnung mit vollen Mietrechten erhalten, in der sie sozialarbeiterisch, psychologisch etc. betreut werden. Leider fehlt es schlicht am zur Verfügung stehenden Wohnraum für diese an sich gute Idee (obwohl die Stadt Wien mit der GESIBA einen stadtnahen Genossenschaftsträger hat).

Mit Ende des diesjährigen Winterpakets fehlen also nun rund 450 Plätze. Betroffen davon sind, wie schon im letzten Jahr, auch Anspruchsberechtigte nach dem Wiener Sozialhilfegesetz. Gegenwärtig spricht man von 120 bis 140 fehlenden Plätzen für diese Gruppe. Da es jedoch auch für Österreicher_innen und Gleichgestellte keinen Rechtsanspruch auf einen Platz im Notquartier gibt, kann mit Anfang Mai von einer äußerst angespannten Lage sowohl für Betroffene als auch für Hilfseinrichtungen ausgegangen werden. Durch die Reduktion von ganzjährig geöffneten Notschlafstellen entsteht zunehmend der Eindruck, dass die vom Fonds Soziales Wien geschürten Winterpakete zu einer Art Auffangbecken werden, in der dann im Rahmen des Kälte- und Erfrierungsschutzes tatsächlich alle obdachlosen Menschen untergebracht werden.

Ab Mai 2015 also rund 450 Menschen in Wien ohne Obdach: Frauen, Männer, Alte, Kranke, Pärchen, Familien mit Kindern, Österreicher_innen, Menschen aus den Bundesländern, Migrant_innen auf der Suche nach einem sicheren Schlafplatz. Hinzu kommen noch all diejenigen, die (auch während des Winters) in Garagen, Waggons, Kellern, auf der Donauinsel oder in Abbruchhäusern nächtigen. Nur versammeln sich diese Menschen nie an einem Ort, sondern vereinzelt über die ganze Stadt. Und diese Stadt trägt ihres dazu bei, ihre Existenz und Notlage an den Rand und damit in die Unsichtbarkeit zu verdrängen.

Noch 6 Monate bis zum November 2015 – dann beginnt das nächste Winterpaket!

INFO:

WOLO – Wohnungslos in Wien

Initiative zum Thema Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen

wolo-in-wien@riseup.net