Endlich wieder Stimmgewitter!Artistin

Musikarbeiter unterwegs … mit dem Chor des Vertrauens

«Es tröpföt aum Asphoit» heißt eine neue CD des Stimmgewitter Augustin. Eine liebende Lobrede! Von Rainer Krispel.

Foto: Mario Lang

Am Cover des Tonträger-Kleinods, erschienen bei Lili Records (wie das absolut empfehlenswerte Debütalbum von The Ghost And The Machine), mache ich einen dem Titel entsprechenden dunklen und nassen Stadtpark aus. Die Parkbänke sind leer, nicht nur das Pokémon jagende viele bunte Volk des Sommers ist weitergezogen, wohin auch immer. Es passt absolut zur Jahreszeit, das Cover, und die CD passt mit ihren drei Liedern zu den wild wuchernden Assoziationsketten, die der Herbst im tatsächlichen und übertragenen Sinn auslösen kann. Schon schlängeln sich diese hin zum Englischen – «Fall» – und zurück ins Deutsche mit «fallen» und dann schon weiter zu Albert Camus und seinem «Der Fall».

Da braucht es dann schon keinen Blick mehr in die Medienwelt, ob sozial oder tradiert, um eine Decke über den Kopf ziehen und ein großes, nie enden wollendes Fass voller Tee mit Rum nebens Bett stellen zu wollen, als dringendes Gebot der kulturpessimistischen Stunde. Dann vokalisiert Helmut Dobscha, eine der in der jetzigen Besetzung zu hörenden sieben Stimmen des Stimmgewitter. «Iagandwaunn kummt a wieda ham/und de Sunn wiad scheinan in sein Tram/und de Sun wiad scheinan wia daham.» Der Kopf wiegt sich mit der Musik, die Decke fällt, das Fass bleibt unberührt stehen.

 

Keine Angst

Seine Tonträgergeschichte begann das Stimmgewitter Augustin im Jahr 2003, mit einer mittlerweile ausverkauften CD. Dieser folgten weitere CDs in Albumlänge, «Kitsch und Revo» (2006), «Übers Meer» (2012, auch auf Vinyl erhältlich), sowie das 6-Song-Minialbum (auf CD und Vinyl) «Schmankerl der Schöpfung» (2010), eine ausverkaufte Picture-Single (!) und zuletzt eine wunderbare Kooperation mit Bo Candy & His Broken Hearts, als Vinyl-7» mit zwei Liedern von Rio Reiser/Ton Steine Scherben und Georg Danzer, erschienen 2014. Kooperationen? Solche pflegte und pflegt das Stimmgewitter Augustin intensiv mit Labels und Musiker_innen aus In- und Ausland. So könnte mensch aus der Diskographie dieses einmaligen Chors eine alternative Musikgeschichte des Landes mit dem A herleiten.

Von verdienten Playern des anderen Musikverlegens im Land mit dem A (nonfood factory, Fettkakao, Trost, Konkord und jetzt eben Lili) über diverse ebenso verdiente Bands und Solokünstler_innen (too many to mention) bis hin zum stets mit Bedacht ausgewählten oder für das Stimmgewitter geschriebenen Material tun sich Zusammenhänge und Querverbindungen auf, begegnen und manifestieren sich Haltungen, die in Musik mehr sehen und hineinlegen als Befindlichkeitsbehübschung. Da gibt es künstlerische «Leitsterne», die immer wieder auftauchen, von Rio Reiser und Ton Steine Scherben war schon die Rede. Deren Zusammenführung des Poetischen, Politischen und Persönlichen, aus dem Bewusstsein, dass diese ohnehin nicht zu trennen sind, durchzieht die Arbeit und das Wirken des Stimmgewitters. Hansi Lang, mit dem gemeinsam sie, dank der Studiotechnik, beim ersten Track des neuen Tonträgers dessen Lieder «Keine Angst» und «Angst» einmalig interpretieren, ist ein weiterer solcher künstlerischer Leitstern, auf den sich Helmut, Heidi Gross, Mario Lang, Johann Murg, Martin Österreicher, Riki Parzer und Ernst Watzinger, also das Stimmgewitter, gerne beziehen.

Diese neue Version macht gegenwärtig, was für eine starke, zeitlose Botschaft «Keine Angst» in sich trägt und wie befreiend die offene Auseinandersetzung mit Angst wirken kann. Studiotechnik? Produzent Thomas Gehringer hat mit dem Musikern Dorian Frey, Wolfgang Hiebl, Stefan Kreuzmann und Marco Vitorelli dem Stimmgewitter ein aufs Erste ungewöhnlich «amtliches» Klanggewand angepasst, dies aber mit so viel, ja, Seele und Gespür getan, dass bei allen drei Liedern neue Qualitäten der gesungenen «Geschichten vom Rand» zu hören sind. «Daham» und «Mei Bankerl», in Text und Musik von Dorian Frey, Eva Gehringer und Thomas Gehringer geschrieben, sind starke, intensive Neuzugänge für das wachsende Stimmgewitter-Repertoire. Die genau richtige Mischung aus Sentimentalität und dem dieser oft innewohnenden Widerstandsgeist prägt diese Lieder, gerade «Daham» gerät dabei nahe ans Hymnische, ohne die stimmgewitter-typische Gebrochenheit zu verlieren. Diese CD ist ein idealer Einstieg in die wunderbare Welt des Chors für Menschen, die womöglich bislang keinen Zugang zu deren im besten Sinn eigenwilligen und eigensinnigen Kunst gefunden haben. Es ist nicht zuletzt schön zu hören, wie einzelne Stimmen vernehmbar werden und gleichzeitig der Chor in seiner ganzen Pracht und Kraft zu spüren ist, was ohne Übetreibung, immer wieder ein fast schlagendes Argument für die Idee eines Chors an sich ist. Viva la Stimmgewitter!

Stimmgewitter Augustin: «Es tröpföt aum Asphoit» (Lili Records)

Livepräsentation: 15. 11. Theater am Spittelberg

www.stimmgewitter.org

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