Bundesrat: 7 von 27 VP-Mandaten besetzt der Bauernbund
Der Erfolg von Raiffeisen in Österreich – vom notdürftigen Bauernhilfsverein zur dominanten Wirtschaftsmacht – beruht auf einem dichten formellen und informellen Netzwerk. Es stützt sich auf die von Engelbert Dollfuß erdachte und in der Zweiten Republik perfekt umgesetzte Allianz der bäuerlichen Genossenschaft mit der Landwirtschaftskammer und dem ÖVP-Bauernbund. Sie sichert vor allem einen unmittelbaren Einfluss auf die Exekutive und Legislative in Bund und Ländern. Dazu kommt die Installation von Vertrauenspersonen in verantwortlichen Positionen der Verwaltung. Beide Aspekte kommen hier zur Sprache.Wie die informelle «Rutsch´n» zwischen Raiffeisen Zentralbank (RZB) und Finanzministerium funktioniert, hat vor kurzem «Die Presse» aufgezeigt. Vermutlich vom Augustin angeregt, hat das Blatt des Styria Verlags ein wenig Raiffeisen-Watch betrieben. Das liest sich so: «Wenn es um wichtige Themen im Bankenbereich geht, verließ sich Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) auf die Expertise von Michael Höllerer. Dieser ist im Kabinett für die Bereiche ‚Finanzmärkte, Kapitalmarkt, Beteiligungen und Internationale Finanzinstitutionen’ zuständig. » Laut «Presse» hatte der Mann seine Finger in den Fällen Volksbanken und Hypo Alpe Adria im Spiel und fungiert «als Bindeglied zwischen Fekters Kabinett und den Finanzkonzernen».
Weiter heißt es wörtlich: «Laut ‚Presse’-Informationen wird der Experte im Sommer zu Raiffeisen wechseln. … Er soll die ‚rechte Hand’ von RZB-Chef Walter Rothensteiner werden. Dieser wird demnächst auch Generalanwalt des österreichischen Raiffeisenverbandes – eine Funktion, die bislang Christian Konrad innehatte. Genau genommen kehrt Höllerer zu den Giebelkreuzern zurück. Er arbeitete bereits in der Vergangenheit in der RZB als Vorstandssekretär. Ende 2008 holte ihn der damalige Finanzminister Josef Pröll (ÖVP, jetzt für Raiffeisen tätig; und zwar in der „Agrana“ – Red.) ins Kabinett. Höllerers Nominierung sorgte für Kritik. Der grüne Finanzsprecher Werner Kogler sah darin eine ‚Unvereinbarkeit’ und ‚schiefe Optik’, denn die RZB beantragte 2009 Staatshilfe. »
Entschuldigend heißt es in dem Blatt weiter: «Die RZB stellte jeden Zusammenhang zwischen Höllerer und der Unterstützung in Abrede. Die Gespräche über die Milliardenhilfe führe Höllerers Ex-Chef Rothensteiner direkt mit Minister Pröll ’auf Augenhöhe’, wie ein RZB-Sprecher 2009 versicherte.»
Spitzenbeamte im Offside
In Gestalt von Herrn Höllerer begegnet uns eine Spezies, die typisch ist für die Vermengung von Wirtschaftsinteressen, Standesvertretung und Politik in Österreich. Es gehört zur politischen Unkultur der MinisterInnen aller Couleurs, unter Umgehung der Spitzenbeamten und des gesamten Beamtenapparats ihre «Kabinette» mit eigenen Beraterstäben anzufüllen, die sich aus Personen zusammensetzen, die statt den Gesetzen eindeutigen Sonderinteressen zum Durchbruch verhelfen.
Das ist eine wichtige Netzwerkmethode im Bereich der Exekutive, sofern nicht ohnehin politische Spitzenpositionen direkt besetzt werden, wie das unter den Bauernbündlern Wilhelm Molterer und Josef Pröll als Vizekanzler der Fall war und im Bereich der Landeshauptleute, Agrarlandesräte usw. zum guten Ton gehört. In der Legislative ist Raiffeisen durch die Einheit mit Landwirtschaftskammer und Bauernbund ohnehin fest verankert. Wie dieses Kräftedreieck im Nationalrat vertreten ist, wurde in der 36. Folge dieser Serie ausgeführt: Von den 51 Mandaten der ÖVP werden 12 Sitze von Bauernbündlern und einer Bauernbündlerin besetzt. Mit Jakob Auer, frischgebackener Bundesobmann des Bauernbundes und Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisen-Holding OÖ, sitzt ein weiterer Giebelkreuz-Spitzenfunktionär im Parlament.
Der Bundesrat wird zwar immer wieder als Verschubmasse für eine Demokratiereform hingestellt, dennoch trägt er weiterhin wesentlich zur Gesetzgebung bei. Die zweite Kammer verfügt über 62 Sitze; von ihnen nimmt die SPÖ 22, die ÖVP 27, die FPÖ 7 und Fraktionslose oder andere Fraktionen 6 Mandate ein. Von den 27 Mandaten der ÖVP besetzt der Bauernbund 7 und zwar mit folgenden Personen: Martina Diesner-Wals (*1968 Waidofen an der Thaya, selbständige Landwirtschaftsmeisterin), Friedrich Hensler (*1949 in Wien, verankert im Bezirk Bruck an der Leitha, Landwirt), Christian Jachs (*1966 in Linz, Bürgermeister von Freistadt), Georg Keuschnigg (*1954 in St. Johann, u.a. Journalist und Leiter des Agrarverlags), Martin Preineder (*1962, Wiener Neustadt, Landwirt), Friedrich Reisinger (*1962 in Mürzzuschlag, Landwirt) und Ferdinand Tiefnig (*1965 in Ostermiething bei Braunau, Landwirt).
Fest geschmiedete Dreieinigkeit
Alle angeführten Personen sind nicht nur im Bauernbund fest verankert. Darüber hinaus üben sie Funktionen in der Landwirtschaftskammer aus und/oder sind im R-Bereich (Genossenschaftswesen, Maschinenringe, Agrarverlag usw.) aktiv. Allerdings fallen unterdessen wichtige Entscheidungen, von denen die Landwirtschaft betroffen ist, auf EU-Ebene. Dort ist der Bauernbund nicht gerade überrepräsentiert: Mit einem von ganzen sechs Mandaten der ÖVP im Europaparlament ist wenig Staat zu machen. Raiffeisen dürfte in Brüssel daher auf gewöhnliches Lobbying angewiesen sein.