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Im April begann der Abriss der alten medizinischen Klinik auf dem AKH-Gelände. Auch über der alten Kinderklinik schwingt schon die Abrissbirne. Am Erhalt beider Gebäude bestehe öffentliches Interesse, sagt die MA 19. Das sei zu teuer, meint das Büro der Wohnbaustadträtin.
Text: Christian Bunke, Illustration: Much
Manche Hauseigentümer_innen werden diese Frage vielleicht kennen: Man hat einen Altbau und möchte ihn loswerden, was tun? Antwort: Zerfallen lassen bis zur Abbruchreife, dann abreißen lassen. Das wurde und wird auch in Wien gerne so praktiziert. Um alte Gebäude zu schützen, wurde im Jahr 2018 die Bauordnung verschärft. Historisch wertvolle Gebäude dürfen seitdem nicht mehr abgerissen werden, auch wenn sie nicht in einer von der Stadt definierten Schutzzone liegen.
Aber es gibt eine Gesetzeslücke, über die wir hier reden wollen. Ausgerechnet die Stadt Wien nutzt die aus und präsentiert sich damit als das stereotypische schlechte Vorbild für private Hauseigentümer_innen. Die werden mit großem Interesse auf die Vorgänge beim AKH schauen – befürchten zumindest Denkmalschützer_innen.
Öffentlich interessant?
Der Reihe nach. Die 1911 nach Plänen von Emil von Förster errichtete alte medizinische Klinik in der Spitalgasse im 9. Bezirk steht seit vielen Jahren leer. Die gegenüberliegende alte Kinderklinik wird immer noch für Verwaltungszwecke genutzt. Seit 2012 weist der Flächenwidmungsplan eine «Abrisswidmung» für beide Gebäude aus. Im Jahr 2019 suchte die Leitung des AKH um den Abriss der medizinischen Klinik an. Hier soll ein neues Forschungsgebäude entstehen.
«Ich frage mich schon, warum hier keine Schutzzone ausgewiesen wurde», sagt Denkmalschutzaktivist Georg Scherer. «Der Bezirk könnte das jederzeit beantragen, jede Partei im Bezirk könnte einen entsprechenden Antrag stellen.» Schutzzonen gibt es seit 1972. Sie werden in der Regel für Gebäudeensembles und Bezirksteile ausgewiesen. Gebäude in Schutzzonen müssen von ihren Eigentümer_innen erhalten werden. «Viele Hauseigentümer_innen mögen das nicht. Sie würden lieber verfallen lassen, um abzureißen.»
Am 29. März 2019 fragten die Neos beim Magistrat der Stadt Wien nach, ob ein öffentliches Interesse am Erhalt der Kliniken bestünde. Die Antwort aus dem Büro der damals noch amtierenden zuständigen Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou war eindeutig: «Nach Ansicht des Magistrats besteht ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der genannten Bauten in Bezug auf das örtliche Stadtbild.» Das hat rechtliche Konsequenzen. Denn laut Wiener Bauordnung dürfen vor dem Jahr 1945 errichtete Gebäude in einem solchen Fall nicht abgerissen werden, auch wenn sie nicht in einer Schutzzone liegen.
Schießereien in der Klinik.
Nun beginnt ein rot-grünes Pingpong-Spiel, denn die SPÖ-verwalteten Magistratsabteilungen haben eine gänzlich andere Auffassung. Aus dem Büro von Wohnbaustadträtin Gaál heißt es, es bestünde eine «wirtschaftliche Abbruchreife». Das Gutachten eines Zivilingenieurs habe ergeben, dass die «Wiederherstellung der Bausubstanz» den Kosten «eines vergleichbaren Neubaus» entsprechen würde. Eine Instandsetzung des Gebäudes sei «mit unverhältnismäßigem Aufwand» verbunden. Eine Instandhaltungspflicht, so die Positionierung der Wiener Baupolizei, bestünde nur bei «für den Gebrauch» bestimmten Gebäuden.
Das heißt in der Praxis: Auch mit der verschärften Bauordnung kann ich als Eigentümer_in mein Haus dem Verfall und letztendlich dem Abriss preisgeben, ich muss nur für Leerstand sorgen. Und dafür ist manchen Besitzer_innen jedes Mittel recht, die jüngere Geschichte Wiens kennt viele Beispiele für das systematische Hinausekeln missliebiger Mieter_innen.
Die Initiative Denkmalschutz unterstellt, dass auch bei der alten Klinik nachgeholfen wurde, um den Zustand des Hauses zur Abbruchreife zu kriegen. So fanden dort zwischen 2017 und 2019 immer wieder Polizeiübungen statt. Es wurde geschossen und gesprengt. Die Initiative kann umfangreiches Bildmaterial über die dadurch entstandenen Zerstörungen vorlegen. Zu sehen sind durchlöcherte Wände, Patronenhülsen, zerstörte Fenster.
Fakten schaffen.
Spannend wird die weitere Geschichte im Fall der alten Kinderklinik. Auch sie wurde lange vor 1945 errichtet, auch hier war Emil von Förster der Architekt. Und sie steht nicht leer, sondern wird noch benutzt. Dennoch steht auch für sie der Abriss im Raum. Man wird sehen, ob in der nächsten Zeit plötzlich ein Umzug der hier beheimateten Verwaltungsabteilungen ansteht.
Im Sommer wird der Petitionsausschuss zu der Sache tagen. Hunderte haben gegen den Abriss beider Gebäude unterschrieben. Im Fall der medizinischen Klinik hat die Stadt Wien bereits Fakten geschaffen. Die Errichtung einer Schutzzone könnte Ähnliches bei der Kinderklinik verhindern. «Das kann jede der Bezirksparteien jederzeit in die Wege leiten», sagt Denkmalschützer Georg Scherer. «Sie müssen nur wollen.»