Ernesty InternationalArtistin

Musikarbeiter unterwegs zu einem Check-up mit Ernst Tiefenthaler

Ernst Tiefenthaler ist ein musikalischer Aktivposten dieser Stadt. Ernesty International heißt sein nominelles Soloprojekt mit einem sehr feinen zweiten Album.Eines der schönsten Konzerte ever spielten David Thomas & The Two Pale Boys in der alten Szene Wien. Der große David Thomas, Sänger der Art-Punk-Institution Pere Ubu und Solokünstler, hatte mit den kongenialen Musikern Keith Moliné und Andy Diagram das Publikum in der Hand. Selbst Szene-Techniker, für die Konzerte Arbeitsalltag waren, konnten sich der Magie dieses Abends nicht entziehen und kämpften mit den Tränen bei den Storys, die Thomas uns zwischen und mit seinen Songs erzählte. Einmal werden das die guten alten Tage sein, sagte er, ganz egal wie troublesome sie jetzt sein mögen, das werden wir vergessen.

Der Sommer 2010 wird ein guter gewesen sein. In 5 Jahren, in 10, in 15. Vergessen, dass die Grauslichen von «Wiener Blut» und «freien Frauen» sabberten. Vergessen, dass wir in Geiselhaft der widerwärtigsten Innenministerin ever waren. Vergessen, dass uns smarte Multimillionäre im Verband mit parteiischer Justiz verhöhnten. Dass Kinderfeindlichkeit eine strukturelle Realität war. Die Republik Österreich hatte 1992 (!!!) die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ratifiziert, ohne dem gesetzliche Konsequenzen folgen zu lassen. Was nicht nur in der Asylgesetzgebung einiges verändert hätte.

Maria Fekter und ihre BeamtInnen (wir übersahen leicht, dass Fekter allein handlungsunfähig gewesen wäre) durfte zu keinem Zeitpunkt so mit Menschen und Kindern (!!!) verfahren. Die SPÖ und die ÖVP ließen sie. Vergessen, dass «menschliches Gewissen» aus vielen systematisierten Abläufen der Republik getilgt war. Vergessen, dass es mit menschlichem Verstand und Empfinden nicht mehr fassbar war, warum weder SPÖ noch ÖVP an ihrer Verderbtheit, inneren Fäulnis und Verlogenheit zu Grunde gingen, die Menschen sie nicht in Trauben verließen und ächteten wie endlich! die katholische Kirche. Noch nicht. Ein schöner Sommer, der Sommer 2010.

We Are Back In This Life Again

«Ernesty International is a non-governmental, non-profit organisation whose aim is by means of music to fight global and individual indifference, self-delusion, manipulation, lifelessness, communication disability, misanthropy and solitude.» Das steht mit den Lyrics im Artwork von «It Could Be The Sun, Mr. President» zu lesen, das zweite Album von Ernesty International, wie das erste («Ernesty International», 2009) bei Pumpkin Records erschienen. Aufgenommen wurden beide Alben allein, in Wohnhäusern «am Land» und nicht in sterilen Studios, eines in Aschach, das neue in Riedenthal. Ernst Tiefenthaler spielt darauf viele Instrumente und singt, Eloui sang bei beiden Alben später die weibliche Stimme.

Bei Livekonzerten verstärkt sich Ernst mit weiteren MusikerInnen, die dann auftreten wie eine Organisation inklusive Namensschildern. «Chairman» Ernst macht überhaupt viel gute Musik, mit dem Debütalbum seiner «Hauptband» Bell Etage «We Carried The Sunlight Down To The Day» erregte er Anfang 2008 mediale Aufmerksamkeit, die zeitgemäße, offene Rockmusik des Zweitlings «With A Flying White Flag» stand dem Debüt in nichts nach. Nicht eingespannt in eine 40-Stunden-Woche (30 Stunden sind auch eine Zeit) entspringt Ernesty International zum einen der Neugier was passiert wenn ein Musiker sich mit Instrumenten und Recording-Equipment in ein Haus zurückzieht? zum anderen im Fall des aktuellen Albums (im Frühling 2009 aufgenommen) dem Umstand, dass Bell Etage ruhten. Was jetzt dazu führt, dass Ernst die Songs von «It Could Be The Sun, Mr. President» lernen muss, während er neues Material im Kopf, auf Papier und in der Gitarre hat und eigentlich wieder mit Bell Etage loslegen möchte.

Daneben fand er die Zeit für «die Quelle», ein Atelier- und Proberaumhaus im 10. Bezirk, wo eine ineinander verwobene KünstlerInnen/MusikerInnen-Gemeinde wirkte, ein Nachfolgeobjekt zu finden, nicht gänzlich unironisch in der Hauffgasse unweit der Szene Wien gelegen und, wie er mit ein wenig Wehmut erzählt, auf Musik fokussiert. Die Songs sind das (Wieder-)Lernen auf jeden Fall wert, «Red Cross», «Fidel Castro» («we are the worlds most fortunate lovers/we trick the CIA and all its undercover agents/cause we are a 100 times faster») oder «Alaskan Beach Boy» zeigen, dass Ernst zu den spannendsten Songwritern des Landes gehört und als sein eigener Interpret einen Weg gefunden hat, mit der englischen Sprache und der Form «Song» umzugehen, die auch «heavy stuff» wie in «Daddys Revolver» behandelt: «I tried to shapen my thoughts/to drill a hole in my head/and from the outside i tried it/with daddys revolver instead». Wo und wie kann ich Ernesty International beitreten?

Info:

Ernesty International: «It Could Be The Sun, Mr. President» (Pumpkin/Trost)

Live: 6. 10. Radiokulturhaus Wien

http://ernestyinternational.org

www.myspace.com/ernestyint

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