Ernst Kostal (1944 – 2013)Dichter Innenteil

Nachruf mit Gedichten

«Psychiatrie – die Avantgarde reaktionärer Aggressivität und aggressiver Ausgrenzung der unter dem Vorwand des Krankheitsbegriffs von ihr zur Nichtzugehörigkeit Verdammten.» Warum Ernst Kostal, ein Mensch der Sprache und der Poesie, gleichzeitig auch ein Mensch «mit Psychiatrieerfahrung», solche enzyklopädischen Perlen verstreuen konnte, sollte klar sein.

Es gibt keinen kompetenteren Sachverstand zum Thema Psychiatrie als den, der sich als kollektive Erfahrung nachdenklicher Patient_innen diverser «Irrenanstalten» angesammelt hat. Es ist deshalb wenig überraschend, dass es für die Texte dieser Expert_innen – literarische ebenso wie autobiografische – in einem Anti-Feuilleton wie dem Augustin-Literaturteil immer Platz gab. Ernst Kostal gehörte zu den schreibenden Exemplaren der Gattung «Zwischen Genie und Wahnsinn». Dieser Topos hat in den vergangenen Jahrzehnten zwar seinen pejorativen Charakter verloren, aber aus dem großen Literaturbetriieb bleiben Autor_innen vom Schlage Kostals ausgegrenzt; sie profitieren nicht einmal vom Prinzip »Nur ein toter Dichter ist ein guter…»

Ich will den wilden Wein

nicht mehr wie früher

literweise

er geht mir heute

zu sehr auf den Magen

und vom Magen

ringsumher

schneller als ich es gedacht

direkt an den Kragen

und für diese Reise

hätt ich gern noch Zeit

jahrzehnteweiseweit.

Wien, April 2002

Ich habe derzeit mehr Tassen im Schrank als draußen herumfliegend.

Das ist eine ausgewogene Proportion.

ohne Datum, 2003


es is vadammt schwea

imma a so dreiz’schaun

dass a a jeda eakennt

dass mei possbüd

a wiaklich a büd

von mia is

Wien, Ende September 2004


Grabspruch:

auch ich war da

und sage ja

zu meinem Dagewesensein:

mehr ja als nein.

8.3.2005

aus eignoat wird eignsinn

was hob i ghead

was hob i ghead

di eignoat gehd ei?

na na

ia liabn leit

na na

des deaf ned sei!

so lass i des ned schteh

dagegn schteh i auf

dagegn bin i

dran und drauf –

di eignoat di eignoat

di soet scho weidageh

di soet scho weidageh

denn ohne dass si weidagehd

kanns doch ned weidagehn

kanns doch ned weidagehn

wö one eignoat

do föd ma glatt a sin

do föd ma glatt a lebnszweck

do fü i mi

a bissl mea oes sunsd

afoch im eck / afoch im eck

owa

wia i mi aus dem aussetua

do heads ma jezzd

bitte guat zua:

i loss hoed don

i loss hoed don

unoatig wiari eh gean bin

di oat von eignoat ganz weg

easezz si duach an sin

und

hast dus nicht gesehn

abrakadabra im handumdrehn

enschdehd des projekt eignsinn

und di eignoat is ned dahin

si wiad weidagfiad oes eignsinn

si wiad weidagfiad oes eignsinn

und des eignoat-theata

gibd fuaton

sein eignoatig eignan sin

oes eignsin-theata

si und sein publikum

si und sein publikum

punktum punktum punktum …..

Für die Selbsthilfegruppe «aktiviert statt alkoholisiert»

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