«Erstaunlich viele Kontinuitäten»tun & lassen

an.schläge: 35 Jahre Feminismus in Magazinform

Haben Sie schon die an.schläge im Postkasten? Das feministische Magazin feiert seinen 35. Geburtstag und schraubt an den Abo-Zahlen. Warum es allen gut tun würde, an.schläge zu lesen, haben die leitenden Redakteurinnen Katharina Payk und Lea Susemichel im Gespräch mit Lisa Bolyos erzählt.

Foto: Magdalena Fischer (Katharina Payk, Lea Susemichel und die Jubilarin: die an.schläge)

Wieso soll meine Nachbarin oder mein Großonkel an.schläge lesen?

Katharina Payk: Die an.schläge werden für alle Menschen und alle Geschlechter geschrieben. Egal aus welchem Bereich man kommt, man findet bei uns was Interessantes. Kultur, Arbeit, Leben, Politik – ein Haufen verschiedener Themen, aus feministischer Perspektive betrachtet.

Lea Susemichel: Einerseits decken wir die sogenannten «Frauenthemen» ab, die ­feministischen Evergreens: Körper, Selbstbestimmungsrecht, Gewalt gegen Frauen, Lohnschere. Erschreckend genug, wie lange wir diese Themen schon auf ganz ähnliche Art und Weise verhandeln müssen! Darüber hinaus ist an.schläge ein politisches Magazin, das sämtliche aktuellen Fragen analysiert und diskutiert: Feminismus ist für uns Querschnittsmaterie und wird immer und überall mitreflektiert.


Wie firm muss man in feministischen Debatten sein, um die an.schläge zu verstehen?

LS: Wir bemühen uns, anspruchsvoll und niederschwellig zugleich zu sein. Das ist halt bei feministischen Medien immer die Crux, und mit der muss man seinen Frieden finden: einerseits dem Anspruch gerecht werden, neue Menschen auch außerhalb der Szene zu erreichen, um gesellschaftliche Debatten mitanzuschubsen. Und andererseits ein Magazin für feministische Leser_innen machen, weil die Bewegung eigene Medien braucht, in ­denen innerfeministische Diskussionen betrieben werden können. Die sind dann manchmal auch entsprechend avanciert. Die ­feministische Bewegung hat halt eine sehr lange Geschichte, und da ist notgedrungen schon viel an Reflexionsprozessen passiert.

Habt Ihr Lieblingstexte?

KP: Ich steh vor allem auf die vielen kleinen Kolumnen: Gut und peppig erzählt – da hab ich beim Lesen oft richtige Einsichten.

LS: Ich mag unsere Heftschwerpunkte sehr gern – auch die Themen, die auf den ersten Blick gar nichts mit Frauenpolitik zu tun haben. Zum Beispiel: «Hat Tierliebe ein Geschlecht?» Da geht’s dann um alles zwischen der aufgeladenen Mensch-Tier-Beziehung bis zum ­Cat-Content im Internet. Oder ­«Feminismus und Fahrradfahren».


Ihr wollt mir eurer Kampagne neue Abonnent_innen gewinnen. Gibt’s einen Anlass?

KP: Wir haben in Österreich und Deutschland insgesamt 2.500 Abonnent_innen, da geht noch mehr. Wir haben beschlossen, die Abos um die schöne Zahl von 666 aufstocken, damit wir ein wenig unabhängiger von Förderungen sind – die Hälfte davon haben wir schon geschafft.

LS: Mit der Förderpolitik von Schwarz-Blau I haben wir sehr schlechte Erfahrungen gemacht … Und es ist immens wichtig, in politischen Situationen wie der aktuellen, eine ­unabhängige kritische Presse zu erhalten. Rechte Regierungen greifen Gegenöffentlichkeiten an, dazu kommt in Österreich eine starke Verflechtung zwischen Boulevard und rechten Parteien. Statt über eine regierungsunabhängige Presseförderung für kleine Medien nachzudenken, wird darüber diskutiert, ob man auch noch die Gratiszeitungen mit Millionen subventioniert.


Zu viel Arbeit, zu wenig Geld – kennt ihr das in eurer Arbeit für die Zeitschrift?

KP: Wir teilen uns zu viert eineinhalb Stellen, der Rest des Kollektivs arbeitet ehrenamtlich und geht anderen Erwerbsjobs nach. Das ist natürlich eine herausfordernde Mischung. Man darf bei aller Professionalität nicht zu perfektionistisch sein – bevor man sich kaputt macht, muss man wirklich die Arbeit ­irgendwo reduzieren.

LS: Sich selbst ausbeuten und gegen die Selbstausbeutung ankämpfen, das ist ein Konflikt, der sich kaum auflösen lässt. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir auch im Kulturbetrieb für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, gleichzeitig möchte ich nicht das Kulturprekariat mit anderen, fremdbestimmten prekarisierten Arbeitsfeldern gleichsetzen. Auch wenn ich viel zu viel Arbeit für viel zu wenig Geld mache, ist es doch eine Arbeit, die ich liebe und bei der mir niemand sagt, was ich zu tun habe.


Die an.schläge gibt es seit 35 Jahren. Wie haben sie sich inhaltlich entwickelt?

LS: Es gibt erstaunlich viele Kontinuitäten! Und nicht die erwartbare Entwicklung von «politisch radikal» zu «popkulturell» – die an.schläge haben viele verschiedene Phasen durchgemacht. Das liegt nicht zuletzt an der Fluktuation im Redaktionskollektiv, die immer wieder neue Redakteurinnen mit neuen Perspektiven und Schwerpunkten zu uns gebracht hat.

Die popkulturelle Wende in der feministischen Bewegung ist aber auch an den an.schlägen nicht spurlos vorübergegangen.

LS: Dass Popkultur so wichtig wurde, war natürlich ein zentraler Paradigmenwechsel in der feministischen Medienarbeit. Feministinnen haben festgestellt, dass in Songtexten, ­Serien, Romanen und Filmen Geschlechterbilder und -verhältnisse neu verhandelt werden und dass da ein riesiges Potenzial drinsteckt. Darauf haben auch die an.schläge einen stärkeren Fokus gelegt, waren aber nie ein ausgewiesenes Popkulturmagazin wie zum Beispiel das ­Bitch ­Magazine oder die Missy. Und es war ja ausgerechnet Andie Zeisler vom ­Bitch ­Magazin, die 2017 mit ihrem Buch ­We Were Feminists Once. From Riot Grrrl to CoverGirl® eine radikale Abrechnung geschrieben hat: ­Unsere Hoffnung, über die Popkultur was zu erreichen, sei gestorben, auf jedem H&M-Pulli stehe heute schon «Feminismus», und das habe in dem Kontext keinerlei kämpferische oder gesellschaftskritische Bedeutung mehr.

Die kapitalistische Vereinnahmung sozialer Bewegungen trifft nicht nur den (Pop-)Feminismus – auch Che-Guevera-T-Shirts gibt es heute in jedem Sommerschlussverkauf.

KP: Man darf nicht glauben, Popfeminismus wäre das politische Nonplusultra, mit dem sich alles erreichen lässt. Trotzdem finde ich berechtigt, Popfeminismus zu leben und ihn zu genießen. Viel relevanter ist für mich eine ganz andere Vereinnahmung von Feminismus: die von rechts. Feminismus wird instrumentalisiert, um Rassismus salonfähig zu machen – siehe etwa die Kopftuchdebatte. Da scheint mir die Popkultur fürwahr das geringere Übel zu sein!

Welche feministischen Kämpfe werden wir unter Schwarz Blau III auszufechten haben?

LS: Das Regierungsprogramm ist frauenpolitisch wie erwartet nicht sehr ambitioniert. Die rechtsextreme Ideologie beinhaltet ein furchtbar reaktionäres Geschlechterbild, das sich natürlich in der Familienpolitik niederschlagen wird. Letztlich ist aber alle Politik auch Frauenpolitik: Der soziale Kahlschlag zum Beispiel trifft Frauen anders und meistens härter. Armut ist bekanntlich weiblich, entsprechend müssen wir die Sozialpolitik auch feministisch analysieren.

KP: Oder nehmen wir das Schwangerschaftsabbruchgesetz her. Da drohen sich Verschärfungen einzuschleichen, ohne dass es die Öffentlichkeit merkt. Es heißt aufmerksam sein! Und genau dafür sind Medien wie die an.schläge oder der AUGUSTIN so wichtig.


Die an.schläge sind als Medium Teil einer ­feministischen Bewegung. Wo findet diese ­Bewegung gerade statt?

LS: Das letzte Jahr hat mit dem Women’s March begonnen und mit #MeToo geendet – die feministische Bewegung ist größer, als sie je war! Es gibt ein total schönes Zitat von Gloria Steinem, die nach dem Women’s March gefragt wurde, ob sie sich an die 70er-Jahre zurückerinnert fühlt. Ihre Antwort: «Are you kidding me? It’s so much bigger!» Ich finde es sehr wichtig, dass wir uns unserer Stärke bewusst sind. In Spanien gab es am 8. März einen Frauenstreik von sechs Millionen, der hat das Land mehr oder weniger lahmgelegt. In Brasilien gehen Zehntausende auf die Straße, nachdem die lesbische Menschenrechtsaktivistin Marielle Franco ermordet wurde. Beim Frauentag in der Türkei gab es trotz der repressiven Politik große Demonstrationen. Diese Dinge kommen in den Mainstreammedien als Randnotiz vor! Schon allein darum brauchen wir ­feministische Medien.

an.schläge. Das feministische Magazin

Gründungsjahr: 1983

Erscheint achtmal im Jahr

2.500 Abonnent_innen,

Die Abo-Kampagne läuft noch bis 12. April – bis dahin gilt es noch rund 333 Abos abzuschließen!

www.anschlaege.eu